Es wäre schön, wenn der Aufmarsch in Chemnitz als Einzelfall gelten könnte. Wenn man sagen könnte: So etwas ist noch nie passiert und wird auch nie wieder passieren. Aber Chemnitz fügt sich bloß ein in eine Kette von rechtsradikalen Krawallen in Sachsen. Er wird damit, wie zuvor Heidenau oder Clausnitz, zum Symptom gleich mehrerer Probleme: Fremdenhass, Gewalt und Kontrollverlust.
Innerhalb weniger Stunden, nachdem ein 35-jähriger Deutscher bei einer Auseinandersetzung getötet und zwei weitere Männer verletzt wurden, standen die Täter für viele Menschen bereits fest. Auch wenn die Polizei die Nationalität der Tatverdächtigen zunächst nicht preisgab, reichte allein der Verdacht, damit sich Ausländerfeinde und Hooligans zusammenrotteten und Jagd machten – auf alle, die für sie nicht deutsch genug aussahen.
Die Polizei stand wieder einmal hilflos vor einem Mob aus gewaltbereiten und staatsfeindlichen Menschen, die sich selbst Demonstranten nennen. Sie hatte der Aggression und der beängstigend guten Mobilisierung dieser Gruppen nicht viel entgegenzusetzen. Warum war es in Chemnitz nicht die Polizei, die sich blitzschnell organisiert hat und als starke Einheit aufgetreten ist? Warum überlässt sie den Triumph einer Gruppe, die Selbstjustiz höher hält als den Rechtsstaat?
Deutschlandweit werden Politiker wieder einmal verkünden wie „besorgniserregend“ oder „beschämend“ der aktuelle Fall ist. Ob sie etwas bewirken und die Polizei aus ihren Fehlern lernt, muss bezweifelt werden. Für den wütenden Mob bleibt der Eindruck, dass der Staat zu schwach war, um ihn aufzuhalten. Sein Konzept ist aufgegangen, das macht ihn zum Vorbild für Gleichgesinnte. Das nächste Mal dann vielleicht in einer anderen Stadt – das Potenzial im Netz ist da, das hat Chemnitz bewiesen. Damit das nicht passiert, muss die Polizei sich neu aufstellen. Sie braucht eine bessere Einsatztaktik, Experten für soziale Medien und vor allem mehr Personal. Dann kann es gelingen – es wäre so schön.