Zwischen der Bundesrepublik und Tschechien gibt es neue Verstimmungen: Die Prager Regierung hat die Verhandlungen über den geplanten Verkauf des Gebäudes der deutschen Botschaft an den Bund auf Eis gelegt. Die von Präsident Milos Zeman eingesetzte und noch immer amtierende Regierung unter Premier Jiri Rusnok lehnt die Veräußerung des barocken Lobkowicz-Palais ab. Über den Verkauf solle erst die neue Regierung entscheiden, heißt es in einem Bericht der Tageszeitung „Pravo“. Die dort bestimmenden Sozialdemokraten hätten jedoch „nicht das geringste Interesse“, das Kulturdenkmal zu veräußern.
Das 300 Jahre alte Palais auf der Prager Kleinseite gilt nicht nur als weltweit schönste Residenz eines deutschen Botschafters. Die diplomatische Vertretung ist wie keine zweite mit der jüngeren Geschichte Deutschlands verbunden. Am 30. September 1989 sprach hier vom Balkon aus der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) den berühmtesten Halbsatz der deutschen Geschichte: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ Der Rest des Satzes „...möglich geworden ist“ ging seinerzeit im grenzenlosen Jubel von fast 4000 DDR-Flüchtlingen unter, die unter dem Balkon im verschlammten Garten der Botschaft unter unsäglichen Bedingungen auf diese Nachricht gewartet hatten. Die Ostdeutschen fielen sich in die Arme, von Freude und Erleichterung überwältigt. Zwar hatte sich das Botschaftspersonal unter Hermann Huber und dessen Ehefrau Jacqueline aufopferungsvoll um die Menschen gesorgt, dennoch konnten sie an der Enge und den katastrophalen hygienischen Zustände auf die Schnelle wenig ändern. Noch am Abend des 30. September fuhren die ersten Züge in Richtung Westen, über DDR-Gebiet, wie es die Ostberliner Führung wollte. In Dresden und anderswo versuchten Fluchtwillige die Waggons zu erklimmen und wurden daran von Stasi und Polizei gehindert. Die Geschichte ist bis heute unvergessen.
Lange schon vor diesem historischen Datum bemühte sich die Bundesrepublik darum, das Gebäude zu erwerben, in dem seit 1975 die deutschen Botschafter residieren. Die Kaufanstrengungen wurden nach den Ereignissen im Herbst 1989 verstärkt. Doch Prag sagte lange kategorisch Nein. Erst die bürgerliche Regierung unter Premier Petr Necas und Außenminister Karel Schwarzenberg befürwortete den Verkauf. Auch, weil die Tschechische Republik in Berlin händeringend nach einem Platz für ein neues Botschaftsgebäude sucht und die Hilfe Berlins erbeten hat. Die derzeitige Botschaft in der Wilhelmstraße ist zwar architektonisch bemerkenswert, ihre Unterhaltskosten sind aber sehr hoch. Die Tschechen würden lieber wieder im Tiergarten residieren. Dort stand bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ihre alte Botschaft.
Das alles steht jetzt in Frage. Der als künftiger Außenminister gehandelte Sozialdemokrat Lubomir Zaoralek sagte, das Palais habe als Kulturdenkmal für Tschechien einen „gar nicht zu beziffernden Wert“. Er habe nie die „Leichtigkeit“ Schwarzenbergs begriffen, das Gebäude „loszuwerden“. Schwarzenberg hatte im Frühjahr im Parlament geäußert, dass sich die Deutschen „besser um das Gebäude sorgen werden als wir.“ Er wisse, wie schwer es sei, ein Barock-Palais zu unterhalten, sagte der Minister weiter, in dessen Familienbesitz mehrere Schlösser und Paläste sind.
Die beiden wahrscheinlichen Koalitionspartner der Sozialdemokraten äußerten sich unterschiedlich zu dem Fall. Die Vizechefin der Bewegung ANO des Milliardärs Andrej Babis, Vera Jourova, meinte, der tschechische Staat sollte das Botschaftsgebäude behalten. Dagegen verwies der Vorsitzende der Christdemokraten, Pavel Belobradek darauf, dass es durchaus üblich sei, dass die Botschaften in Prag den jeweiligen Ländern gehören. Konkret betreffe das Frankreich, die Niederlande und Italien.