Zu den vielen Dingen, die wir in diesen Kindertagen der massentauglichen Elektromobilität lernen, gehört auch: Das, was die Hersteller da in hoher Frequenz an neuen Modellen auf die Räder stellen, sind fast immer ziemlich starke Stücke. Und zwar im Wortsinn. Denn die Batterieelektriker haben die über lange Jahre in Verbrennerland gültigen Leistungsmaßstäbe ja nicht nur wild verschoben. Eher schon verspottet.
Nehmen wir nur mal Volvo und den E-Antriebsstrang, den die Schweden in ihren XC40 und den Polestar2 der Tochtermarke einpflanzen. Der verfügt über zwei Motoren, die mal eben schlappe 300 kW (408 PS) an alle vier Räder abgeben. Wohlgemerkt: in einem Kompakt-SUV und einer mittelgroßen Limousine. Das ist beim Fahren zwar wirklich witzig, nüchtern betrachtet jedoch vor allem aberwitzig. Doch nun wird abgerüstet: Den Anfang macht dabei der Polestar2, den es fortan auch als Single (Motor) gibt. Und das ist gut so.
Weshalb? Weil dieses bemerkenswert komplette und innen wie außen nordisch-durchgestylte E-Auto durch den Verzicht auf einen Motor und einen Teil der Leistung nicht viel weniger bemerkenswert, komplett oder nordisch-durchgestylt ist.

Ja, Polestar gehört mit der Muttermarke Volvo zum chinesischen Geely-Konzern. Aber nein, das nordisch-coole Design ist deshalb nicht auf der Strecke geblieben – der Heckabschluss beweist es.
Schließlich sind noch immer reichlich 165 kW (224 PS) Leistung übrig geblieben, die im Gegensatz zur bisherigen Allradvariante (Dual Motor) allein an der Vorderachse wirken. Okay, beim Beschleunigen presst es einem nicht mehr mit Macht die Luft aus den Lungen – aber Überholvorgänge auf der Landstraße absolviert auch die Downsizingvariante immer noch mit einer so beachtlichen Vehemenz, dass es nach einem festen Griff am Lenkrad verlangt. Und wer sich mit Höchsttempo 160 km/h (statt 205 km/h beim Dual Motor) auf der Autobahn nicht anfreunden kann – der hat in Sachen E-Mobilität ohnehin etwas noch nicht richtig verstanden.
Was dem Single im Polestar2-Gewand abgeht: die Souveränität des Allradlers beim Kurvenräubern. In der typischen Manier eines Fronttrieblers drängt es ihn dann zum kurvenäußeren Rand. Die Neigung zum Untersteuern ist zwar harmlos, wird aber nicht dadurch besser, dass die Lenkung dem Fahrer nur wenig Rückmeldung bietet – ganz gleich, in welchem der drei verfügbaren Modi, das synthetische Gefühl will nie weichen.
Wenig Unterschiede gibt es bei der Reichweite. Bis zu 440 Kilometer sollen im Idealfall drin sein (rechnen Sie realistisch eher mit 330 Kilometern). Den Nachteil der kleineren Batterie (64 kWh gegenüber 78 kWh beim Dual Motor) macht der abgespeckte Polestar2 dabei durch seinen geringeren Verbrauch wett – auch wenn die 17,1 kWh vom Prüfstand erfahrungsgemäß ein ziemliches Luftschloss sind.

Willkommen in der digitalen Gegenwart: Die Bedienung des Polestar2 läuft größtenteils über das Zentraldisplay im Tabletformat. Das sieht prima aus, ist aber nicht immer ganz ablenkungsfrei.
Und das Nachladen? Dauert bei der neuen Basisversion auch nicht länger, obwohl sie am Schnelllader nur mit maximal 116 kW Leistung statt 155 kW Strom nachbunkert. Doch weil es hier weniger zu füllen gibt, dauert es genau wie beim Topmodell theoretisch 35 Minuten, bis der Ladestand von zehn wieder auf 80 Prozent gebracht ist.
Eine ganz andere, ursprünglich angepeilte Marke wurde indes auch mit dem erweiterten Polestar2-Angebot verfehlt: den Einstandspreis unter 40.000 Euro zu bringen. 41.930 Euro stehen für den Single Motor mit Standardreichweite in der Liste – doch abzüglich der Förderung ergibt das, beim Verzicht auf weitere der in Paketen zusammengefassten Extras, etwas im Bereich von 36.000 Euro. Wer so eine Summe bei der Verbrennerkonkurrenz loswerden will, wird – zumindest in dieser Leistungsklasse – direkt in die Ecke mit den kompakteren Fahrzeugen gebeten. Der Polestar2 dagegen steht nicht nur als klassisches Stufenheck mit erwachsenen 4,61 Metern Länge, angemessenem Raumangebot (auf der Rückbank kneift es jedoch schon mal) und ab Werk üppiger Ausstattung samt Infotainment mit Google-Betriebssystem da. Vor allem aber: Er steht wirklich da.
Denn im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern konnte es Polestar als Marktneuling in der Corona-Pandemie nicht riskieren, seine Halbleiterbestellungen zu reduzieren – und ist nun weiter lieferfähig.

Das reine Gewissen fährt mit: Die Materialien im Innenraum, darauf sind sie bei Polestar schon ein wenig stolz, sind grundsätzlich vegan. Fleischesser finden in der Aufpreisliste aber auch Nappaleder für die Sitzbezüge.
Die Wartezeit auf einen vorkonfigurierten Polestar2 beträgt drei Wochen, bei einem individuell zusammengestellten Fahrzeug sollen es zwölf Wochen sein. Er ist jetzt Single, und er ist zu haben – passt ja irgendwie.