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Sicherheitslücke Wie Keyless-Systeme Autodiebstahl ermöglichen

Immer wieder nutzen in Bremen Autodiebe eine Sicherheitslücke aus, die mehr Komfort verspricht: die Keyless-Technik. Wie bewerten Polizei und ADAC die Risiken?
02.06.2023, 05:00 Uhr
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Wie Keyless-Systeme Autodiebstahl ermöglichen
Von Björn Struß
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Der Autoschlüssel bleibt in der Hosentasche, bei Annäherung öffnen sich die Fahrzeugtüren wie von Zauberhand. Mit einem dauerhaft ausgestrahlten Funksignal machen es sogenannte Keyless-Systeme überflüssig, einen Knopf zu drücken oder gar ein Schloss eigenhändig zu bedienen. Für die Besitzer soll dies einen besonderen Komfort bieten, tatsächlich kann die Technik aber auch einen Autodiebstahl besonders komfortabel machen. Denn das Funksignal lässt sich leicht abfangen. Laut Polizei kommt es auch in Bremen immer wieder zu Keyless-Diebstählen. Tests des ADAC zeigen, dass das Sicherheitsrisiko auch bei neueren Modellreihen nicht behoben ist.

Wie gehen die Kriminellen vor?

Vielfach deponieren Autofahrer ihren Schlüssel nahe der Eingangstür an einem Schlüsselbrett, wodurch das Funksignal auch jenseits des Hauses zu empfangen ist. Für Diebe ist es oft ausreichend, das Signal abzufangen und es bis zum geparkten Auto zu verlängern. Mit zwei Geräten, die sich ohne großen Aufwand selbst bauen lassen, ist dies laut ADAC auch über Hunderte Meter möglich. Die Bestandteile für die nötige Technik gäbe es für etwa 100 Euro im Elektronikhandel. "Läuft der Motor einmal, kann das Auto auch ohne Schlüssel so lange fahren, wie Sprit im Tank ist", schreibt der Automobil-Club. Das Tanken bei laufendem Motor ermögliche auch Fahrten über weite Strecken.

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Wie hoch ist das Risiko in Bremen?

"Diebstähle von oder aus Fahrzeugen durch die Überwindung von Keyless-Systemen kommen auch in Bremen immer wieder vor", sagt Nils Matthiesen, Sprecher der Polizei. Auch für Nils Linge, ADAC-Sprecher in der Region Weser-Ems, ist dieses Sicherheitsrisiko im Großraum Bremen "noch immer ein Problem". Statistisch erfasst wird diese besondere Form des Autodiebstahls allerdings nicht. Laut Polizeisprecher Matthiesen ist ein Keyless-Diebstahl auch nur dann zweifelsfrei zu erkennen, wenn etwa Videomaterial einer Überwachungskamera vorliegt.

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Jedoch wertet die Polizei jährlich aus, zu wie vielen Autodiebstählen es in Bremen insgesamt kommt. Im vergangenen Jahr waren es 221 und somit 31 Fälle weniger als im Vorjahr. Auch in einem Sechsjahreszeitraum ist dies ein niedriges Niveau. Für das Jahr 2022 weist die Statistik zuzüglich gestohlener Motorräder und den aus Fahrzeugen gestohlenen Wertsachen 3919 Fälle aus. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 war diese Zahl niedriger. Vor der Pandemie musste sich die Polizei in den Jahren 2017 bis 2019 allerdings um deutlich mehr Delikte kümmern.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern kommt es in Bremen relativ häufig zu Autodiebstählen. Dies geht aus einem Ranking des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor, das sich auf Zahlen des Jahres 2021 bezieht. Der GDV gibt eine Diebstahl-Quote an, die sich aus der Gesamtmenge der kaskoversicherten Fahrzeuge und den gestohlenen Kasko-PKW ergibt. Bremen belegt mit einer Quote von 0,5 unter den 16 Bundesländern Platz vier. Der bundesweite Schnitt liegt bei 0,2.

Wie reagieren die Hersteller?

Die Keyless-Technik hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Ultra-Wide-Band (UWB) bietet nach Einschätzung des ADAC einen guten Schutz vor Diebstählen. Von den 567 Fahrzeugen, die der Automobil-Klub seit 2016 getestet hat, verfügen aber lediglich 29 über UWB, was einem Anteil von fünf Prozent entspricht. Auch in jüngeren Modellreihen verzichten die Hersteller noch immer überwiegend auf diesen höheren Sicherheitsstandard.

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Einige Automarken nutzen auch Bewegungssensoren, um Diebstähle zu verhindern. Dabei senden die Schlüssel kein Funksignal mehr, wenn sie eine gewisse Zeit nicht bewegt wurden und etwa ruhig am Schlüsselbrett hängen. Vollends überzeugt hat den ADAC diese Technik aber nicht: "Den Schutz von Fahrzeugen mit Bewegungssensor schätzen wir nur als mäßig ein, da sich diese weiterhin stehlen lassen, solange der Bewegungssensor den Schlüssel nicht abgeschaltet hat."

Wie gehen Versicherungen damit um?

Die Experten des ADAC warnen davor, dass es nach einem Keyless-Diebstahl mit Versicherungen zu Problemen bei der Schadensregulierung kommen kann. Denn findet die Polizei das Fahrzeug, gibt es keine Aufbruchs- oder Diebstahlspuren. "Das kann zu dem Verdacht führen, der Besitzer habe den Diebstahl nur vorgetäuscht, um Versicherungsbetrug zu begehen", schreibt der Automobil-Klub.

Auf Nachfrage streiten Huk-Coburg, Allianz und Zurich allerdings ab, dass sich die Versicherten deshalb Sorgen machen müssen. "Keyless-Go-Schließsysteme sind schon seit Jahren auf dem Markt. Wir kennen die damit zusammenhängende Diebstahl-Problematik, haben aber deshalb noch nie Leistungen verweigert", sagt etwa Huk-Coburg-Sprecherin Karin Benning. Auch die Allianz beteuert, dass Versicherte nicht in Betrugsverdacht geraten, nur weil sie ein Keyless-System nutzen.

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Zurich-Sprecherin Katharina Bartsch erläutert, dass ein Versicherter mindestens nachweisen muss, wo er sein Fahrzeug abgestellt hat und wann er bemerkt hat, dass es dort nicht mehr steht. Für eine Ablehnung der Schadensregulierung müsse die Versicherung den Gegenbeweis führen, dass das Auto nicht gestohlen wurde. "Allein das Fehlen von Einbruchsspuren reicht für den Gegenbeweis nicht aus", stellt Bartsch klar.

Was können Autobesitzer tun?

Die Polizei empfiehlt, den Schlüssel niemals in der Nähe einer Haustür abzulegen. Zudem könne das Funksignal mit Aluminiumhüllen oder Blechdosen abgeschirmt werden. "Machen Sie dazu den Test am Fahrzeug. Erst wenn der abgeschirmte Schlüssel direkt am Fahrzeug nicht funktioniert, haben Sie ausreichend Sicherheit", rät Polizeisprecher Matthiesen. Bei einigen Schlüsseln ließe sich die Keyless-Funktion auch deaktivieren. Hilfreich seien zudem individuelle Alarmsysteme, die teilweise Informationen an das Handy sendeten und ein Ausschalten des Autos aus der Ferne möglich machten.

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