Das Gestern, es spielt im gegenwärtigen Tagesgeschäft keine echte Rolle mehr, in dem der Zukunft gar keine. Nehmen wir als Gedankenspiel nur mal den unbescheidenen Wert von 290 kW, den der Antriebsmotor eines Pkw erzeugt. Das sind – in die Währung der Traditionalisten umgerechnet – knapp unter 400 PS, und die waren einst eine unfassbare Ansage. Schließlich brachte etwa der Ferrari 308 GTS, um den wir den TV-Privatdetektiv Thomas Magnum in den 1980ern so sehr beneideten, aus seinem V8-Sauger nicht mehr als 177 kW auf die Straße. Angesichts dessen zuckt inzwischen jeder turbodieselbefeuerte Dienstwagennutzer nur die Schultern. Und die Käufer von E-Autos amüsieren sich im Jahr 2025 womöglich sogar darüber. Weil da selbst ein kleines SUV wie der Volvo EX30 mit 315 kW wuchert, der größere, jüngst im WESER-KURIER vorgestellte Preisknaller Xpeng G6 sogar mit 350 kW.
Und doch können die eingangs zitierten 290 kW ein traumhafter Wert sein. Weil es nicht nur um die reine Leistung geht. Die kann im E-Zeitalter per Software jeder, der als bestimmenden Faktor nur eine genügend große und technisch ausgefeilte Batterie verbaut, bis hin zur Monstrosität generieren. Vielmehr kommt es auf ihre Erzeugung und Verpackung an. Und da wären wir dann beim 911 Carrera. Genau diese Bezeichnung steht zwar am Heck des deutschen Sportwagens schlechthin; doch weil dieser Porsche auf eine Geschichte zurückblickt, deren Anfänge im Jahr 1964 liegen, bedarf es zusätzlicher Erklärungen. Nun, 2025, haben wir es mit der Baureihe 992 zu tun, der achten Generation des ikonischen Elfers; die getestete Faceliftversion wird im Duktus des digitalen Zeitalters gern auch als Version 992.2 bezeichnet.

Hinten ruht das Stoffverdeck im Heck des Carrera – und vorne kann das Frischluftvergnügen beginnen. Dann mal los!
Was nichts daran ändert, dass die Baureihe, die schlechthin für Porsches Markenidentität steht, ein Phänomen ist. Kaum ein anderes Auto wurde über einen so langen Zeitraum mit dem gleichen technischen Konzept unter der gleichen Typenbezeichnung gebaut. Und auch wenn sich mit jeder Baureihe ein wenig was verändert hat, so ist der 911 doch immer unverkennbar der 911 geblieben. Bei VW würden sie sich vermutlich wünschen, der Golf hätte das über seine ebenfalls acht Generationen in ähnlicher Konsequenz geschafft.
So bietet auch der 992 die geschwungenen Kotflügel vorn und ein keilförmiges Fließheck hinten. Dass im Cockpit ein Startknopf das Zündschloss ersetzt hat, der aber natürlich immer noch links vom Lenkrad sitzt und dahinter im Digitalcockpit ein zentraler Drehzahlmesser prangt? Ja, was denn sonst beim Elfer? Da regt einen ja schon die Frage auf.

Das Drehrädchen für das Besondere: Unten rechts am Lenkrad lassen sich die verschiedenen Fahrmodi des 911 Cabrio anwählen.
So wie nicht nach dem Antrieb gefragt werden muss. Weder beim Coupé noch beim Cabrio, das – in der Abteilung Schicksal haben sie echt gelacht – exakt am Beginn einer weitgehend verregneten Sommerwoche zum Test vorfuhr. Denn ob das Verdeck des Elfers nun geschlossen oder geöffnet ist, was nach eigener Zeitmessung in 18 Sekunden erledigt ist: Der Hauptdarsteller der ganzen Sache ist und bleibt der Sechszylinder-Boxer im Heck.
Genau da wären wir zurück bei den 290 kW und dem Stichwort Leistungserzeugung. Das, was hier geschieht, hat nichts mit Softwareoptimierung im Zusammenhang von Batteriemanagement und E-Motoren zu tun. Sondern mit Maschinenbau, der so klassisch ist, dass er nach Motoröl zur Schmierung verlangt. Und so stellt der Biturbo mit drei Litern Hubraum per Druck auf den Anlasser nicht einfach nur seine Betriebsbereitschaft her. Sondern er meldet sich zu Wort und gibt ein leerlaufröchelndes Statement ab. Das lautet: Ich muss nicht, aber wenn du willst, dann bin ich dabei. Immer.
In der Praxis beginnt das beim Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Das ist eine feine Sache, weil es mit perfekt getimten Schaltvorgängen seine ganze Brillanz offenbart. Doch es lässt diesen Charakterdarsteller von Motor eben auch bei Stadttempo 50 in der siebten Stufe knapp über Leerlaufdrehzahl rumbummeln und wie einen überaus gewöhnlichen Verbrenner etwa in einem Kleinwagen wirken.

Im analogen wie im digitalen Zeitalter: Der Drehzalmesser ist immer das, was beim Elfer zentral im Blickfeld des Fahrers steht.
Wer dagegen wissen möchte, was es mit dieser ganzen Sportwagensache auf sich hat, dem seien folgende Schritte empfohlen. Erstens: Der auffällige Drehknopf unten rechts am Lenkrad sollte von der Standardeinstellung auf Sport, womöglich sogar Sport Plus gestellt werden. Ein Druck auf die mit „M“ gekennzeichnete Taste unter dem Schaltknubbel auf der Mittelkonsole macht es richtig spaßig. Weil die Gänge dann per Schaltpaddel am Lenkrad – links runter, rechts hoch – blitzschnell manuell gewechselt werden. Und der Boxer-Sixpack dann auch mal bis nahe an den Drehzahlbegrenzer eskaliert. Deutlich weniger als fünf Sekunden für den Standardspurt auf Tempo 100 zählen bei einer Sportwagenschmiede ohnehin zum Pflichtprogramm, bei der Höchstgeschwindigkeit reicht es im Fall des Cabrios für bis zu 291 km/h. Was in erster Linie gut zu wissen ist, im öffentlichen Verkehrsraum mangels Anwendung aber wenig Relevanz hat.
So liegt der Reiz des Elfers vor allem auch darin, sich daran abzuarbeiten, ihn an seine fahrdynamischen Grenzen zu bringen. Und das lässt sich nicht annähernd schaffen, jedenfalls nicht bei durchschnittlichem Talent, Einhaltung der Regeln und ohne groben Unfug. Die Feder-Dämpfer-Einheiten sind zwar auf gesunde Härte, aber nicht ohne Verzicht auf jeden Komfortanspruch ausgelegt; mit diesem Kompromiss können sowohl Sportfahrer wie Reisende leben. Und den Rest regeln nötigenfalls die verstellbaren Dämpfer.

Ja, so etwas wie einen Kofferraum hat der Elfer auch im Angebot: Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Staufach unter der Fronthaube, das zum Beispiel eine Klappbox plus Bierkiste fasst.
Dass das Elfer Cabrio auch Sprit verbraucht, ist für Interessenten vermutlich so bedeutsam wie der Normsitzraum oder das Stauvolumen. Für das Protokoll: Im Testbetrieb kamen wir auf glatte zwölf Liter pro 100 Kilometer. Das ist nicht wenig, aber angesichts des Gebotenen jeden Tropfen wert gewesen. Und ja, auf den putzigen Sitzschalen im Fond können theoretisch sogar die Passagiere drei und vier mitfahren, sollten dann aber so klein wie leidensfähig sein. Wer sonst noch Fragen hat: In das Staufach unter der Fronthaube passt eine Standard-Klappbox. Und dazu noch eine Kiste Beck‘s. Da wird selbst die Tour zum Nahversorger ein offenes Vergnügen.
Das allerdings will schon in der Grundversion des 911 Cabriolet mit wenigstens 142.800 Euro erkauft werden. Mit einer Reihe von hübschen, aber gewiss nicht übertriebenen Extras werden daraus dann wie beim Testwagen im Handumdrehen 172.913 Euro. Aus der Traum also? Ja, schon. Doch mit Träumen verhält es sich doch so: Natürlich ist es so schön wie aufregend, wenn sie in Erfüllung gehen. Viel wichtiger aber ist am Ende, seine Träume nie zu verlieren, sie zu bewahren. Das war gestern so, gilt heute noch und wird auch morgen so sein.