Dass der Weg über den Strom nicht weit ist, das beweist die „Lemwerder II” jeden Tag. Bis ihre vier Dieselmotoren mit den insgesamt gut 1200 PS Leistung die 58 Meter lange Fähre im Pendelbetrieb zwischen den Anlegern Vegesack und Lemwerder über die Weser gebracht haben, vergehen nur ein paar kurze Minuten. So auch an diesem – einmal mehr im seltsamen Hochsommer 2021 – trüben Julimorgen mit dem iX3 an Bord. Dieser BMW wiederum ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Weg zum Strom sehr viel weiter sein kann als der über den Strom. Denn auch wenn der iX3 erst seit einem Jahr in China produziert, seit diesem Januar dann auch in Deutschland ausgeliefert wird, hat seine Reise eigentlich schon im Jahr 2013 begonnen.
Es war das Jahr, in dem aus dem „Project i”, mit dem das Unternehmen die Zukunftsfrage der Elektromobilität beantworten wollte, dann auch ein Auto wurde. Aber was für eines: Beim i3 hatten sich die Entwickler ohne Denkverbote austoben dürfen und einen batterieelektrischen Kleinwagen auf die schmalen Räder gestellt, der in jeder Hinsicht eigene Wege ging. Ob nun technisch, bei den verwendeten Materialien oder beim Design. Doch wie einst schon Audi beim innovativen A2 musste nun auch BMW die Erfahrung machen, dass die Zeit für die Idee noch nicht reif war. Zum erhofften Verkaufserfolg brachte es der i3 nie – und die Bayern verfielen in eine Art elektromobiler Schockstarre. Sich aus ihr zu lösen, dauerte Jahre. Bis zum iX3, dem erst zweiten vollelektrischen Modell des Hauses.
Bei ihm hat sich BMW dann auf keinerlei Experimente mehr eingelassen. So ist der Ansatz auch ein ganz anderer als einst beim i3. Nun starteten die Entwickler nicht mehr mit einem leeren Blatt Papier – sondern mit dem X3, einem bewährten und vor allem auch bei den Kunden beliebten Verbrennermodell, das es zu elektrifizieren galt. Wofür so eine SUV-Karosserie erfahrungsgemäß ganz hervorragende Voraussetzungen mitbringt: Die Fahrzeugstruktur verträgt die zusätzliche Last des Batteriepacks, der im Unterboden reichlich Platz findet, und insgesamt profitiert das Fahrverhalten sogar vom Mehrgewicht, wird der Schwerpunkt doch abgesenkt. Im Vergleich zum X3 sind es 7,5 Zentimeter.
Für den deutlich kompakteren Elektromotor ist unter der Haube ohnehin genug Platz. Das darf zumindest vorbehaltlos angenommen werden. Denn beim Blick in den Motorraum sieht man: nichts außer einer riesigen Plastikabdeckung. Einen zusätzlichen vorderen Stauraum schenkt sich der iX3 – schade. Schließlich hat sich der sogenannte Frunk bei anderen E-Modellen doch als sinniger Aufbewahrungsort für die ganze Ladekabelage erwiesen. Dann eben ab damit ins Heck; dort ist mit 510 Litern Volumen ja auch noch reichlich Kofferraum vorhanden. Der lässt sich nicht nur gut, sondern auch bei stehender Rücklehne hoch beladen. Aber das ist man ja vom Genspender X3 nicht anders gewohnt.
Damit ja niemand Gefahr läuft, beim Anblick des iX3 versehentlich zu glauben, er könnte es doch mit dem Verbrennermodell zu tun haben, macht der Stromer ordentlich blau. Nämlich i-Blau – so nennt sich die Farbe, in der all die E-Insignien gehalten sind, die die Karosserie und den Innenraum zieren, von der geschlossenen BMW-Niere an der Front bis zu den vom Diffusorblenden am Heck, vom Startknopf bis zum Wählhebel. All das soll zeigen: Leute, hier geht es anders voran.
Also lassen wir es vorangehen. 210 kW (286 PS) bringt der E-Motor dafür mit, reichlich Leistung selbst angesichts eines Leergewichts von knapp 2,2 Tonnen. Ein beeindruckender Punch ist beim Druck aufs Fahrpedal immer gewährleistet; so sehr, dass die Werksangabe von 6,8 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 eher pessimistisch erscheint. Vielleicht liegt es aber auch an der akustischen Zurückhaltung, die der iX3 an den Tag legt. Denn BMW hat, dafür ein Lob, der Versuchung widerstanden, den Stromer per Sounddesign auf dicken Maxe machen zu lassen. Im EcoPro-Modus surrt das E-SUV ein geradezu schüchternes Lied. Erst im Fahrprogramm Sport wird das ganze etwas offensiver und erinnert beim Leistungseinsatz dann irgendwie an einen Flieger, dessen Turbinen am Gate langsam hochfahren.
Verhalten zeigt sich auch der Grad der Energierückgewinnung per Rekuperation – zumindest in der Automatikeinstellung. Wo bleibt denn da der Spaß? Wenn wir schon E-Auto fahren, dann wollen wir auch per Fahrpedal die Bremsleistung dirigieren können.
Also her mit der stärksten der drei wählbaren Rekuperationsstufen und dem One-Pedal-Gefühl. Über das iDrive-Bediensystem, das trotz der ständig wachsenden Zahl von Fahrzeugfunktionen in all den Jahren kaum etwas von seiner famosen Eingängigkeit verloren hat, lässt sich das zielsicher und ohne Irrwege einstellen. Liebe Freunde in München, das lässt sich gar nicht oft genug positiv hervorheben.
So wie wir auf der anderen Seite ja auch bisher bei jedem neueren BMW über das Layout der Digitalinstrumentierung gemotzt haben. Der ix3 hat die Anzeigen auch, doch hier nerven sie bedeutend weniger – die bei Verbrennern so dürftige Darstellung der Drehzahl hat hier ohnehin einem Balken für die abgerufene E-Power Platz gemacht. Und das ist ein informativer Mehrwert, der getrost zu vernachlässigen ist.
Viel interessanter ist ohnehin das Thema, wie viel Power sich der iX3 denn beim Nachladen genehmigt. Nämlich erstaunlich wenig. Im Stadt- und Überlandbetrieb zog der E-Motor nur 15,1 kWh Strom pro 100 Kilometer aus dem Akku – ein sensationeller Wert für ein Fahrzeug, das mit 4,73 Metern Länge als äußerst ausgewachsen durchgeht. Zugegebenermaßen mangelte es uns dabei an verbrauchsintensiven Autobahnabschnitten; doch die 18,5 kWh Durchschnittsverbrauch, die nach WLTP für den kombinierten Betrieb im Datenblatt stehen, erscheinen so unrealistisch nicht.
Es gilt gleichermaßen für die Reichweite, die der Akku mit seiner Nettokapazität von 74 kWh ermöglicht. Um die 350 Kilometer lassen sich – sofern die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h tatsächlich nur ein theoretisch erreichbarer Wert bleibt – mit dem iX3 gefahrlos einplanen.
Wenn es dann ans Nachladen geht, soll per CCS-Anschluss an Schnellladesäulen mit bis zu 150 kW Leistung Strom gezogen werden können. Hübsche Idee – doch so eine Station muss sich erst einmal finden. Im echten Leben waren an der DC-Säule unseres Vertrauens in der Spitze 70 kW Ladeleistung problemlos drin – das reichte, um in einer halben Stunde Strom für etwas mehr als 200 Kilometer Reichweite zu bunkern. Passt.
So wie das Angebot insgesamt. Zwar liegt der Einstandspreis des iX3 oberhalb der Marke von 60.000 Euro – doch das entspricht dem Niveau eines X3 mit Dreiliter-Diesel, der dieselben 286 PS Leistung abgibt. Und: Der Stromer wird nicht nur zusätzlich gefördert, sondern ist für BMW-Verhältnisse erstaunlich generös ausstaffiert. Schon in der Grundausstattung bringt er Details wie Panoramadach, Metalliclack oder die elektrische Heckklappe ohne Aufpreis mit. Wichtiger aber, dass die komplette Assistenzarmada auch schon dabei ist. Wobei der aktive Spurhalter nichts für Zartbesaitete ist; er geht bei seinen Lenkeingriffen doch sehr energisch zu Werke.
Es wirkt ein wenig so, als wollte er daran erinnern: Hej, den Weg gebe ich immer noch ich vor. Und zwar nicht nur den zum Strom.
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Die Bilder machte Florian Sulzer.