Was passiert nach meinem Tod? Das ist eine Frage, die sich die Menschen schon seit jeher stellen. Und dabei geht es nicht nur um sie selbst, sondern auch um das, was sie geschaffen haben – und nicht selten besteht die Befürchtung, dass man in Vergessenheit geraten könnte. Andere wiederum – Freunde, Angehörige oder Arbeitskolleginnen und Kollegen, suchen vielleicht eine Möglichkeit, um mit dem verstorbenen Menschen in Verbindung zu bleiben. Was früher nicht möglich war und sich nur auf eine passive Betrachtung von Fotos, Videos, oder das Lesen von Briefen und sonstigen Schriftstücken beschränkte, gewinnt durch die technischen Möglichkeiten zurzeit völlig neuen Auftrieb.
So arbeiten Wissenschaftler und Unternehmen mittlerweile daran, ein digitales Abbild von verstorbenen Menschen zu erstellen. Dies müssen nicht nur berühmte Persönlichkeiten, Musiker, Schauspieler oder Politiker sein, auch ganz normale Menschen lassen sich mittlerweile digitalisieren, um ein virtuelles Abbild ihrer Person für ein Leben nach dem Tod vorzubereiten. Ein solches digitales Ich nennt sich „Digital Afterlife“ oder auch „Augmented Eternity“ und möglich wird dies durch die rasanten Fortschritte in der künstlichen Intelligenz, aber auch in der virtuellen Realität – einigen sicherlich besser bekannt auch als das „Metaversum“.
Dass dies keineswegs Zukunftsmusik ist, wurde schon vor einigen Jahren deutlich. Im Jahr 2014 beispielsweise trat eine holografische Kopie von Michael Jackson bei den Billboard Music Awards auf und lieferte eine komplett realitätsgetreue Show, die vom Publikum gefeiert wurde. Aber auch jenseits von Show Acts sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: So ist es durchaus denkbar, dass man mit einem virtuellen Abbild, dem sogenannten „Avatar“, von Albert Einstein eines Tages Gespräche über die Relativitätstheorie führt – bislang etwas, das man nur aus Science Fiction-Serien kennt.
Doch trotz aller Fortschritte in der KI und beim Metaversum kommt es letztlich auf die Daten an, die über einen Menschen verfügbar sind, um ein möglichst realitätsgetreues Abbild seiner selbst zu erstellen. Schon jetzt kann man beispielsweise Unternehmen und Wissenschaftler damit beauftragen, alle digital gespeicherten Informationen zusammenzutragen, die über einen selbst existieren. Und das sind mehr als genug, wenn man alle Daten aus Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn, TikTok oder YouTube zusammenfasst.
Wichtige Datenquellen zur Programmierung des virtuellen Ichs sind außerdem Mail-Postfächer, Chatverläufe aus Messenger-Diensten, Daten von Fitnesstrackern, Spotify-Musiklisten und gesehene Filme bei Netflix und all die Dinge, die man im Internet geliked hat. Theoretisch kann man somit allein schon aus den über einen auf dem Smartphone gespeicherten Daten den Großteil einer solchen virtuellen Realität konstruieren, die die äußere Persönlichkeit ausmacht. All diese Datensätze werden gebündelt und daraus ein Algorithmus gebaut, der nichts anderes zum Ziel hat, als den natürlichen Menschen, auf dem er basiert, realitätsgetreu nachzubilden. Und finanziell ist ein solches Vorhaben mittlerweile auch für viele theoretisch erschwinglich.
Man mag sich nun fragen, ob dies makaber ist oder welchen Sinn es haben kann, sich nach dem Tod komplett digitalisieren zu lassen. Diskutiert werden zum Beispiel Fälle, in denen ein Unternehmenschef all sein Wissen in sein virtuelles Abbild fließen lässt, um auch nach seinem Tod an wichtigen Entscheidungen beteiligt zu werden. Oder im Privaten, wenn man seine verstorbenen Eltern um Rat bitten möchte oder ein persönliches Gespräch mit seinem besten Freund führen will. So revolutionär diese Entwicklung zunächst auch erscheinen mag, muss man sich dennoch stets darüber bewusst sein, dass man eigentlich nicht mit einem Menschen, sondern einer Software spricht, die auf einem unbekannten Server arbeitet.
Intime Vertraulichkeit gibt es also nicht, auch ist die Existenz des Avatars von der Existenz des Betreiberunternehmens abhängig.