Google lässt nicht locker: Mit Google+ will das Unternehmen ein neues soziales Netzwerk etablieren.
Eric Schmidt nahm die Schuld auf sich: Der größte Fehler seiner Laufbahn, räumte der ehemalige Google-CEO kürzlich ein, sei gewesen, Facebook als Konkurrenten verkannt zu haben. Zwei größere Versuche, das Versäumte aufzuholen, scheiterten bereits - Google Waves und Google Buzz fanden beim auf Facebook getrimmten Publikum wenig Anklang. Entmutigen ließ sich Google davon offenbar nicht: Mit Google+ schickt sich das Unternehmen an, Facebook einzukreisen - zunächst allerdings nur innerhalb einer kleinen Gruppe Auserwählter.
Die gute Nachricht zuerst: Nach Ablauf der Testphase, über deren Dauer sich Google ausschweigt, ist das Netzwerk für praktisch jeden nutzbar. Offenbar lernten die Kalifornier aus den Fehlern, die sie im vergangenen Jahr bei der Einführung von Google Buzz machten. Benötigten Buzz-User noch eine Google-Mail-Adresse, reicht nun ein Nutzerkonto bei Google. Und das ist in Sachen Registrierung und Pflege nicht aufwendiger als ein Facebook-Account.
Google+-Neulinge, die bereits Dienste wie Google Mail oder andere Kommunikationsdienste des Hauses nutzen, sind allerdings schneller vernetzt: Ihnen schlägt Google+ anhand der vorhandenen Daten erste Kontakte vor. Erstnutzern bietet das Netzwerk an, yahoo!- und hotmail-Kontakte einzubetten. Zudem präsentierte Google passend dazu das Exportwerkzeug Takeout, mit dem sich beispielsweise Kontaktdaten aus Facebook exportieren und ins neue Netzwerk importieren lassen.
Der Grundgedanke, auf dem Google+ fußt, ist denkbar einfach. Nicht jeder, den man kennt, ist automatisch ein Freund. Das gilt in einem Onlinenetzwerk genauso wie im wahren Leben: Warum also sollte man online die Fotos der letzten Familienfeier mit den Kollegen teilen, denen man die Bilder im normalen Leben niemals unter die Nase halten würde? Weil sich das Aussortieren ziemlich umständlich gestaltet, werden Facebook-User nun denken - sofern sie sich überhaupt bewusst sind, dass sie im Zuckerberg-Netzwerk Kontakte verschiedenen Gruppen zuordnen lassen können.
Genau diese Schwäche des Marktführers soll die Stärke des Herausforderers werden: Google+ legt seinen Usern schon allein durch die Seitengestaltung nahe, ihre Kontakte mittels Drag & Drop zu gruppieren - in verschiedenen Circles, also Kreisen, die die Nutzer selbst benennen. Familie, Kollegen, Vereinsmitglieder, Kneipenbekanntschaften, jeder kann mit einer Mausbewegung in die entsprechende Schublade gesteckt werden. Mehrfachzuordnungen sind möglich.
Durch die Unterscheidung in Circles lässt sich leicht sortieren, welcher Personenkreis welches Bild oder welches Statusupdate zu sehen bekommt. Entweder postet der User es nur innerhalb der gewünschten Gruppe oder wählt die entsprechenden Circles aus, für die das Bild, der Link oder der Gedanke sichtbar wird.
Natürlich buhlt Google noch mit anderen Spielereien um die Gunst der User: Hinter "Hangouts" verbirgt sich etwa eine Funktion, die Videokonferenzen mit mehreren Teilnehmern ermöglicht. "Huddle" erlaubt eine ähnliche Gruppendiskussion in Textform via Web oder Smartphone. "Sparks" hingegen stellt einen Newsfeed dar, der Videos, Artikel oder Blogeinträge zu einem vom User definierten Interessengebiet listet. Werbung findet sich - wie im gesamten Netzwerk - nicht darunter. Allerdings konnte ein Google-Sprecher auf Nachfrage nicht ausschließen, dass das immer so bleiben wird. Zunächst wartet Google noch das Feedback der Ersttester ab, um eventuelle Anpassungen vorzunehmen und dann den Nutzerkreis zu erweitern. Erst dann wird sich zeigen, ob in Sachen Netzwerk für Google alle guten Dinge drei sind ...