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Einblicke in die Frühzeit des Menschen

Rising Star (aufgehender Stern) heißt ein Höhlensystem in Südafrika, das neue Einblicke in die Geschichte der Gattung Homo vermittelt. In der sogenannten Lesedi-Kammer stießen Wissenschaftler, darunter der renommierte Anthropologe Lee Berger von der University of the Witwatersrand in Johannesburg, auf Überreste zweier Erwachsener und eines kleinen Kindes.
16.05.2017, 00:00 Uhr
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Von Walter Willems

Rising Star (aufgehender Stern) heißt ein Höhlensystem in Südafrika, das neue Einblicke in die Geschichte der Gattung Homo vermittelt. In der sogenannten Lesedi-Kammer stießen Wissenschaftler, darunter der renommierte Anthropologe Lee Berger von der University of the Witwatersrand in Johannesburg, auf Überreste zweier Erwachsener und eines kleinen Kindes. Bereits vor knapp zwei Jahren hatte die internationale Forschergruppe von Funden in einer anderen Kammer des Höhlensystems berichtet. Die Überreste stammen von einer bis dahin unbekannten Frühmenschenart, der die Forscher den Namen Homo naledi gaben. Nun haben die Wissenschaftler die in den verschiedenen Kammern entdeckten Überreste datiert – mit einem überraschenden Ergebnis.

Wie die Gruppe in drei Artikeln im Fachjournal „eLife“ erklärt, sind die Funde etwa 226 000 bis 335 000 Jahre alt. Der anatomisch moderne Mensch, der Homo sapiens, ist seit etwa 200 000 Jahren belegt. Der Datierung der Überreste aus dem Rising-Star-Höhlensystem zufolge ist vorstellbar, dass er in Afrika zur gleichen Zeit wie der Homo naledi vorkam. Letzterer hatte ein vergleichsweise kleines Gehirn. Fachleute waren deshalb bislang davon ausgegangen, dass er bereits vor ein bis zwei Millionen Jahren gelebt hatte, das heißt als Zeitgenosse von Arten wie dem Homo erectus und Homo habilis. Nach Ansicht der an den Arbeiten in der Lesedi-Kammer beteiligten Forscher liegt die Vermutung nahe, dass dort Vertreter der Art Homo naledi beigesetzt wurden. Sollte diese Vermutung zutreffen, wären die Funde der mit Abstand älteste Beleg für Bestattungen.

Mehr als 1500 Fundstücke

Vor knapp zwei Jahren waren in der sogenannten Dinaledi-Kammer, die etwa 100 Meter von der Lesedi-Kammer entfernt ist, mehr als 1500 Fundstücke geborgen worden, die von mindestens 15 Individuen stammen. Sie lassen den Schluss zu, dass erwachsene Vertreter der Art Homo naledi etwa 1,50 Meter groß waren und rund 50 Kilogramm wogen. Zu den 131 Fundstücken aus der Lesedi-Kammer, die jetzt von John Hawks von der University of Wisconsin in Madison und seinen Kollegen vorgestellt werden, zählt der hervorragend erhaltene Schädel eines Mannes. Die Forscher tauften den Mann auf den Namen Neo, was in der Bantusprache Sesotho so viel wie Geschenk bedeutet. Mit seiner Hilfe sei es endlich möglich, eine Vorstellung vom Gesicht des Homo naledi zu gewinnen, sagt Peter Schmid von der Universität Zürich. Das Gehirn hatte den Erkenntnissen der Forscher zufolge ein Volumen von 610 Kubikzentimetern. Zum Vergleich: Beim modernen Menschen sind es etwa 1350 Kubikzentimeter.

Die anatomischen Details bestätigten, dass der Homo naledi ein guter Läufer und Kletterer gewesen sei, sagt Hawks. „Die Wirbel sind wunderbar erhalten und einzigartig; sie haben eine Form, die wir nur von Neandertalern kennen.“ Die Datierung beruht unter anderem auf Analysen der Erdschichten an den Fundstellen. Außerdem stützen sich die Wissenschaftler auf die Elektronenspin-Resonanz-Datierung (ESR-Datierung) und Thorium-Uran-Datierung gefundener Zähne.

„Die ältesten datierten Fossilien des Homo sapiens sind etwa 200 000 Jahre alt“, sagt Paul Dirks von der James Cook University in Townsville. Er geht allerdings davon aus, dass der anatomisch moderne Mensch schon deutlich früher existierte. „Nun haben wir einen sehr primitiv aussehenden Frühmenschen, der wahrscheinlich zur gleichen Zeit lebte.“ Nicht auszuschließen sei, so erklären die Forscher, dass viele Steinwerkzeuge, die in Afrika gefunden worden seien, nicht auf den Homo sapiens, sondern auf seinen primitiven Vetter zurückgingen.

Hawks nimmt an, dass der Homo naledi dunkle, entlegene Orte nutzte, um seine Toten aufzubewahren. Gesichert sind solche Interpretationen jedoch keineswegs. Letztlich bleiben sie Spekulation. Wie Faysal Bibi vom Berliner Museum für Naturkunde erklärt, der nicht an den neuen Veröffentlichungen mitgewirkt hat, wäre selbst die Tatsache, dass Überreste bewusst in das Höhlensystem gebracht wurden, kein Beweis für eine Bestattung.

Die Anthropologin Jessica Thompson von der Emory University in Atlanta weist in einem „eLife“-Kommentar darauf hin, dass die Entwicklungsgeschichte der Gattung Homo nach dem Fund des Homo naledi komplizierter erscheine als zuvor. Aufgrund der neuen Datierung sei die Art einer Zeit und einem Ort zuzuordnen, die durch die frühesten Belege für menschliche Kultur geprägt gewesen seien. Zu diesen Belegen gehörten der Gebrauch von Feuer, komplexe Steinwerkzeuge und Rituale, bei denen natürliche Pigmente eine Rolle gespielt hätten.

Fantastische Entdeckung

Als unstrittig gilt inzwischen, dass es sich beim Homo naledi um eine eigene Art handelt. An ihrer Zuordnung zur Gattung Homo bleiben allerdings Zweifel, wie Bibi erläutert. Diese Frage sei schwer zu klären. „Klassifikationssysteme lassen sich schwer mit evolutionären Übergängen vereinen“, betont der Experte. Ganz gleich jedoch, wie man das Thema betrachte – eine fantastische Entdeckung seien die Fundstücke aus dem südafrikanischen Höhlensystem in jedem Fall.

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