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Bremer vermittelt Hilfe So läuft der Alltag in der Hausnotrufzentrale

Seit über zehn Jahren arbeitet Erik Westphal in der Hausnotrufzentrale des Johanniter-Landesverbandes Niedersachsen/Bremen in Berne. Warum macht er das und was hat er dabei erlebt?
27.12.2024, 05:00 Uhr
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Von Ulrike Troue

"Rund 1.500 Notrufe gehen jeden Tag bei uns ein", berichtet Erik Westphal. Der 38-jährige Bremer arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Hausnotrufzentrale des Regionalverbands Weser-Ems der Johanniter-Unfallhilfe in Berne. Dort läuft jeder Hilferuf per Knopfdruck von über 52.000 Teilnehmern am Johanniter-Hilfssystem von der Nordsee bis in den Harz auf. Und zwar nicht nur von älteren oder demenzkranken Menschen, sondern ebenso von jüngeren Erkrankten, die so lange wie möglich selbstständig in den eigenen vier Wänden leben wollen.

Der Rettungssanitäter und rund 50 weitere Kollegen stellen im Drei-Schicht-System rund um die Uhr bei einem Sturz oder Schwächeanfall Hilfe durch Alarmierung des Johanniter-Einsatzdienstes sicher, der über einen Schlüssel verfügt und in Bremen drei Standorte hat. Oder im Notfall durch den Rettungsdienst.

"Unsere Kollegen vom Einsatzdienst sind unsere Augen vor Ort", sagt Westphal, "Sie versorgen kleine Wunden, messen die Vitalwerte und entscheiden über weitere Maßnahmen." Stürze kämen relativ häufig vor, aber in den meisten Fällen passiere wenig.

Zum Glück seien über die Hälfte der Notrufe Probe- oder Fehlalarme, schildert der Bremer. Ausgelöst durch regelmäßige, technische Sicherheitsprüfungen und -alarme, kommen sie zunehmend allerdings auch von Menschen, die ein offenes Ohr bräuchten, "weil sie sich einsam fühlen".

Gefühlt gehe es in jedem dritten, vierten Notruf um seelische Unterstützung, schätzt Erik Westphal. "Für viele ältere Menschen sind wir der soziale Kontakt zur Außenwelt." In vielen Gesprächen, die oft mit der Entschuldigung beginnen würden, aus Versehen den Notfallknopf ausgelöst zu haben, signalisieren sie ihm Redebedarf. Manchmal weist der 38-Jährige dann Angehörige darauf hin.

Sobald der Notfallknopf gedrückt wurde, blinkt der Name des Teilnehmers als roter Balken in der Hausnotrufzentrale auf. Wenn Erik Westphal Sprechkontakt aufnimmt, sieht er auf seinem Monitor die hinterlegten, persönlichen Daten des Anrufers – bis hin zur Kontaktliste der behandelnden Ärzte, des Pflegedienstes und Ansprechpersonen aus dem Familien- oder Freundeskreis.

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"Das ist unser großer Vorteil gegenüber der Rettungsleitstelle, die unter der 112 angewählt wird und erst alles abfragen muss", sagt der Dezernent. Darüber hinaus betont der Bremer die Wichtigkeit der sozialen Komponente bei den Johannitern: Sie könnten sich mehr Zeit für seelischen Beistand nehmen.

"Fehlalarme sind aber überhaupt kein Problem", betont Westphal. "Wir sind eher froh, wenn die Person, die sich gemeldet hat, vom Einsatzdienst gesund angetroffen wird."

Erik Westphal kam durch ein Freiwilliges Soziales Jahr zu den Johannitern. Er hat sich parallel zur Ausbildung zum Bankkaufmann zweieinhalb Jahre im Hausnotruf-Einsatzdienst ehrenamtlich engagiert, ehe sich der Osterholzer für die hauptberufliche Tätigkeit in der Zentrale in Berne entschieden hat. "Es ist für mich das schönste Gefühl, dass ich hier Menschen mit ihren Anliegen wirklich helfen kann", sagt Erik Westphal.

Der 38-Jährige übt seinen Beruf mit großer Leidenschaft aus. Wichtigste Voraussetzungen seien dabei Empathie, Geduld, Fachwissen und Teamfähigkeit. Im Ernstfall müsse sich jeder zu 100 Prozent auf den anderen verlassen können, betont der Bremer. Zum Beispiel, wenn die Notrufabfrage auf einen Atemstillstand hindeute.

"Dann muss ein Kollege auf Zuruf den Rettungsdienst alarmieren", sagt der Rettungssanitäter. Gleichzeitig versucht er weiter, den Anrufer durch seine Ansprache zu beruhigen und zu Wiederbelebungsmaßnahmen zu ermutigen. Durchschnittlich müssten in der Zentrale ein bis zwei Reanimationen pro Woche per Telefon angeleitet werden.

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"Wenn man die Panik und Verzweiflung in der Stimme des Anrufers hört, ist das natürlich belastend, da steigt das Adrenalin", gesteht Erik Westphal. "Da muss man einen Plan haben." Ihm liegt eine strukturierte Anleitung zur Reanimation vor, sodass der 38-Jährige seine Konzentration schnell wieder auf die Person am anderen Ende der Leitung richten kann. Das trainiert er auch regelmäßig in Fortbildungen.

Trotz aller Routine und Erfahrung könne man nicht auf alles vorbereitet sein. "Es ist schon sehr belastend, wenn eine 90-jährige Frau mit ansehen muss, dass ihr Mann nicht mehr reagiert", bekennt der Bremer. Nach solch emotional aufwühlenden Notrufen empfindet Erik Westphal es als entlastend, wenn ein Kollege beim Rettungsdienst nachfragt, wie der Einsatz geendet ist. Über belastende Telefonate kann er nach eigener Aussage immer mit Kollegen oder dem Teamleiter sprechen. Die Psychosoziale Notfallversorgung oder Dompastorin Ingrid Witte sind weitere Möglichkeiten, um selbst psychisch stabil und gesund zu bleiben.

An ein kurioses Erlebnis erinnert sich Erik Westphal noch gut. Während einer Nachtschicht erreichte ihn ein Notruf in schlechter Tonqualität. Im Hintergrund waren Stimmen und Geräusche zu hören. Es klang für ihn wie ein Einbruch, sodass parallel die Polizei gerufen wurde. "Die Antworten deckten sich eine ganze Zeit auf meine Fragen, das war furchtbar in dem Moment", gesteht Westphal. "Aber auf einmal passte es nicht mehr zusammen, da habe ich den Teilnehmer angerufen." Dadurch habe sich herausgestellt: Der Anruf war ein Versehen gewesen. Der Szenenwechsel des Sonntagskrimis hatte ihn stutzig gemacht.

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