- Ab wann sollte man einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen?
- Wo und wie stellt man den Pflegeantrag?
- Wie sollte man sich auf den Termin mit dem Gutachter vorbereiten?
- Kommt der Medizinische Dienst immer zum Hausbesuch?
- Wie läuft die Pflegebegutachtung ab?
- Wie lange dauert es bis zum Bescheid und was steht darin?
- Was kann man unternehmen, wenn der Antrag abgelehnt wird?
Ein Unfall wie ein Oberschenkelhalsbruch, eine Krankheit, zunehmende Einschränkungen durch das Alter – es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen pflegebedürftig werden und Hilfe in ihrem Alltag benötigen. Dafür können Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragt werden. Dies ist zum Beispiel Pflegegeld etwa für die Unterstützung durch Angehörige zu Hause, für einen ambulanten Pflegedienst, Hilfsmittel oder die stationäre Pflege in einer Einrichtung.
Das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit muss zuvor vom Medizinischen Dienst bei einer Begutachtung festgestellt werden. Auf dem Gutachten basiert die Festlegung des Pflegegrades, an den die Höhe der Leistungen und des Geldes gekoppelt ist.
Ab wann sollte man einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen?
"Sobald Betroffene selbst oder Angehörige den Eindruck haben, dass regelmäßig Hilfe im Alltag benötigt wird", rät Yvonne Kurzawski. "Wir erleben oft, dass lange gewartet wird, bis sich Betroffene und Angehörige dazu durchringen." Kurzawski ist Leiterin der Pflegestützpunkte im Land Bremen, die eine unabhängige und kostenlose Beratung zu Pflegethemen – unter anderem zum Antrag auf solche Leistungen für die Unterstützung zu Hause – anbieten.
Häufig herrsche die Vorstellung, dass man erst dann pflegebedürftig sei und Ansprüche auf Leistungen habe, wenn man gar nichts mehr kann oder bettlägerig ist. "Entscheidend für den Anspruch ist, ob körperliche, kognitive oder psychische Einschränkungen den Alltag erschweren und deshalb Hilfe durch andere notwendig ist", erklärt die Beraterin. Andere fühlten sich überfordert und wüssten nicht, wo und wie sie einen Antrag stellen.
"Beim Pflegeantrag beraten wir nicht nur, sondern unterstützen ganz konkret beim Ausfüllen des Formulars", sagt Kurzawski. "Bei dieser Beratung ergeben sich auch viele andere Themen und Möglichkeiten der Unterstützung, zum Beispiel über Kurzzeit- oder Verhinderungspflege, wenn etwa pflegende Angehörige eine Auszeit benötigen." Der Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung sollte so früh wie möglich gestellt werden, empfehlen die Verbraucherzentralen in Deutschland (verbraucherzentrale.de). Wer damit lange warte, verschenke möglicherweise Geld. Leistungen gebe es erst ab dem Monat der Antragstellung. "Wenn Sie ab Juni pflegebedürftig sind, den Antrag aber erst im Dezember stellen, erhalten Sie Leistungen auch erst ab Dezember", betonen die Experten. Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Anspruch: Die Person muss mindestens zwei Jahre innerhalb der vergangenen zehn Jahre in die Pflegeversicherung eingezahlt haben.
Wo und wie stellt man den Pflegeantrag?
Der Antrag wird bei der Pflegekasse gestellt, diese ist bei der Krankenkasse angesiedelt, bei der man versichert ist. "Man kann sich den Antrag von der Pflegekasse zuschicken lassen oder oft auch aus dem Internet herunterladen. In den Stützpunkten haben wir auch Anträge vorrätig", sagt die Bremer Beraterin. Neben persönlichen Daten wird angegeben, welche Leistungen man beantragen will. Dies sei davon abhängig, ob man zu Hause durch Angehörige und/oder einen ambulanten Pflegedienst – die Kombination ist möglich – oder in einer stationären Einrichtung versorgt werden soll.
"Der Antrag muss von der pflegebedürftigen oder einer bevollmächtigten Person unterschrieben werden", sagt Kurzawski. Der Antrag wird schließlich an die Pflegekasse geschickt, die den Medizinischen Dienst mit einer Begutachtung beauftragt. "Dieser meldet sich dann mit einem Terminvorschlag", erklärt die Expertin.
Wie sollte man sich auf den Termin mit dem Gutachter vorbereiten?
"Wir empfehlen, dass eine weitere Person bei dem Termin dabei ist, die die Situation und Beeinträchtigungen besonders gut kennt", betont Kurzawski. "Vorab sollte man sich außerdem gut überlegen, was im Alltag besonders Schwierigkeiten bereitet, welche Beeinträchtigungen es gibt." Hierbei könne ein Pflegetagebuch sehr hilfreich sein, in das Angehörige im Vorfeld notieren, was nicht mehr ohne Unterstützung geht." Die Verbraucherzentralen raten außerdem dazu, ärztliche Befunde, Entlassungsbescheinigungen von Klinikaufenthalten aus der nahen Vergangenheit, einen Medikamentenplan, eine Liste der genutzten Hilfsmittel wie Brille, Gehstock, Rollator oder Vorlagen bereitzulegen – und die Pflegedokumentation, wenn es um eine Höherstufung eines bereits anerkannten Pflegegrades geht und sich die Pflegebedürftigkeit verschlechtert hat.
Eine weitere Person sei vor allem auch deshalb sinnvoll, weil die Situation von den Pflegebedürftigen selbst nicht selten anders eingeschätzt werde. "Sei es aus Scham, weil die Begutachtungssituation und sehr persönliche Fragen danach, was man nicht mehr kann, als sehr unangenehm empfunden werden oder die Selbsteinschätzung der Fähigkeiten eine andere ist", erklärt die Pflegestützpunkt-Leiterin.
Kommt der Medizinische Dienst immer zum Hausbesuch?
"Bei einem Erstantrag ist das in der Regel der Fall", sagt Kurzawski. In der Pandemie waren die Hausbesuche bundesweit zeitweise eingestellt und durch telefonische Termine ersetzt worden. In Bremen soll auch weiterhin darauf als Ergänzung gesetzt werden: "Damit für die Versicherten auch in Zukunft eine zeitnahe Pflegebegutachtung sichergestellt ist, werden neben dem Hausbesuch flexible Begutachtungsformate wie zum Beispiel das Telefoninterview benötigt", heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Medizinischen Dienstes. Gründe dafür seien der Fachkräftemangel und die Zunahme der Begutachtungszahlen – diese seien in Bremen zwischen den Jahren 2016 und 2022 von 19.522 auf 27.912 gestiegen. Die Erfahrungen aus der Pandemie hätten gezeigt, dass das strukturierte Telefoninterview eine gleichwertige Alternative zum Hausbesuch sein könne. Das Telefoninterview eigne sich vor allem für Höherstufungsanträge, deren Zahl im gleichen Zeitraum von 5031 auf 9910 gestiegen sei.
Wie läuft die Pflegebegutachtung ab?
Bei dem Termin, der laut dem Medizinischen Dienst Bremen bis zu einer Stunde dauern kann, werden die Selbstständigkeit und Fähigkeiten in sechs Lebensbereichen (Modulen) geprüft: "Mobilität", "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen", "kognitive und kommunikative Fähigkeiten", "Selbstversorgung", "Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" sowie "Gestaltung des Alltagslebens".
Jedes Modul enthält Einzelkriterien wie zum Beispiel Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls. Für jedes Kriterium werden Punkte vergeben – je höher die Zahl, desto stärker ist die Selbstständigkeit oder die jeweilige Fähigkeit beeinträchtigt. Die Punkte aus den Modulen fließen unterschiedlich gewichtet in die Gesamtbewertung ein. Der Lebensbereich „Selbstversorgung“ wird mit 40 Prozent am stärksten gewichtet. Aus dem Gesamtpunktwert wird der Pflegegrad abgeleitet – insgesamt gibt es fünf Pflegegrade. Eine Infografik zur Berechnung der Pflegegrade und der erforderlichen Punktwerte gibt es auf der Seite des Gesundheitsministeriums: bundesgesundheitsministerium.de/pflegegrade.html.
Wie lange dauert es bis zum Bescheid und was steht darin?
Die Gutachter fassen die Ergebnisse und Empfehlungen zu Hilfsmitteln in einem Gutachten zusammen und leiten dieses an die Pflegekasse weiter. Die Kasse schickt schließlich das Gutachten und den Bescheid über den Pflegegrad oder eine Ablehnung an die Versicherten. "Wie lange dies dauert, ist unterschiedlich, in der Regel sollte der Bescheid aber nach spätestens drei, bis vier Wochen da sein", sagt Kurzawski.
Was kann man unternehmen, wenn der Antrag abgelehnt wird?
"Innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Bescheids kann man Widerspruch eingelegen", erklärt die Pflegestützpunkt-Leiterin. Die Stützpunkte seien auch in diesen Fällen eine mögliche Anlaufstelle: "Wir helfen dabei, eine Widerspruchsbegründung zu formulieren."