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Partnerschaft Liebe und Politik: Wie Paare mit Differenzen umgehen

Wenn zwei Partner ganz verschieden auf die Welt blicken, kann das zum Problem für ihre Beziehung werden. Wie gehen Paare mit solchen Unterschieden um? Wie viel Differenz verträgt eine Partnerschaft?
09.02.2025, 05:00 Uhr
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Liebe und Politik: Wie Paare mit Differenzen umgehen
Von Ben Zimmermann

Wie ist so was möglich? Helmut Lethen ist Alt-68er, war früher Kommunist und wurde später ein renommierter Kulturwissenschaftler, der sich mit rechtem Denken beschäftigte. Caroline Sommerfeld-Lethen ist eine neurechte Publizistin, trat bereits mit Björn Höcke auf der Frankfurter Buchmesse auf und gehört zu den prominentesten Gesichtern der Identitären Bewegung. Beide sind seit vielen Jahren miteinander verheiratet und haben drei Kinder. Ein Urlinker und eine radikal Rechte – vereint durch Liebe, Ehe und gemeinsamen Nachwuchs, obwohl sie politisch kaum weiter voneinander entfernt sein könnten. Kann so etwas funktionieren?

Zugegeben: Dieses recht prominente Paar ist ein vergleichsweise extremes Beispiel. Doch die Frage stellt sich auch in anderen Beziehungen: Wie sehr beeinflussen unterschiedliche politische Standpunkte das Gelingen einer Partnerschaft? Kann die Liebe stärker sein als der Dissens in so grundsätzlichen Fragen? Oder muss diese Art von Meinungsverschiedenheit immer wieder zu Konflikten führen?

Frauen tendieren nach links, Männer nach rechts

Zunächst einmal: Die meisten Paare sind sich in politischen Fragen – wenn sie denn überhaupt eine Rolle spielen – im Großen und Ganzen einig, was der Mehrheit auch wichtig ist. Was außerdem auffällt: Frauen tendieren politisch eher nach links, Männer nach rechts. Besonders deutlich macht sich dies bei der sogenannten Generation Z bemerkbar, also den in den späten 1990ern und den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends Geborenen.

Schon beim Dating spielen politische Überzeugungen eine Rolle. Parship, eines der bekanntesten Datingportale, hat dazu gerade eine Studie veröffentlicht, für die mehr als 1000 Männer und Frauen befragt wurden. Die veränderte politische Lage und die gestiegene Präsenz dieser Themen im Alltag wirke sich auch auf Partnerschaften aus, sagt Psychologin und Parship-Beziehungsexpertin Stella Schultner. „Das Thema ist in letzter Zeit immer wichtiger geworden.“

Grundsätzlich seien zwar rund zwei Drittel der Befragten bereit, unterschiedliche Einstellungen in Kauf zu nehmen (Männer noch mehr als Frauen), so die Studie. Allerdings würde jeder Zweite ein Date abbrechen, wenn die Überzeugungen stark voneinander abweichen. Auch hier sind Männer wieder etwas toleranter als Frauen. Bei der Frage, wie sehr politischer Dissens stört, spielt die jeweilige Parteipräferenz eine wichtige Rolle. Wer sich als AfD-Anhänger zu erkennen gibt, scheidet als möglicher Partner bei 44 Prozent der Befragten aus. Bei allen anderen Parteien ist die Ablehnung deutlich geringer ausgeprägt.

Doch wie sieht es aus, wenn sich zwei ohne Abgleich ihrer politischen Ansichten im analogen Leben gefunden haben und erst nach dem Kennenlernen feststellen, dass sie unterschiedlich ticken? Oder wenn sich bestimmte Haltungen im Laufe der Jahre verändern? Stephanie und Stephan zum Beispiel, sie Anfang 50, er Mitte 50, haben sich in den vergangenen Jahren politisch unterschiedlich entwickelt. Stephanie, die früher als Journalistin bei einer Tageszeitung gearbeitet hat und heute im Kulturamt einer Kreisverwaltung tätig ist, verortet sich „klassisch links, auch wenn ich keine politische Heimat mehr habe“. Stephan dagegen, der sich früher auch dem grün-linken Spektrum zugerechnet hätte, arbeitet als selbstständiger Gastronom, was seinen Blick zum Beispiel auf die Sozialtransfers des Staates verändert hat. „Da bin ich sicherlich konservativer geworden.“

Beim morgendlichen Joggen kommt es zu Streit

Doch auch bei dem seit Jahren heftiger werdenden Kulturkampf stehen beide nicht mehr auf derselben Seite. „Ich respektiere die Freiheit eines jeden Menschen, aber ich habe keine Lust, beim Sprechen immer aufpassen zu müssen“, sagt Stephan. „Und genau das nervt mich halt“, hakt Stephanie ein. „Es geht doch nur um ein bisschen Respekt.“ Schnell wird die Debatte etwas hitziger, und das passiert gar nicht so selten. Schon morgens beim Joggen streiten sie oft über Politik. „Ich bin dann richtig sauer“, sagt Stephanie. Letztlich ist es der Alltag, der anschließend die Wogen wieder glättet. „Ich gehe nach dem Joggen arbeiten und nach zwölf Stunden ist abends alles wieder vergessen“, so Stephan.

In autoritär geführten Gesellschaften hat die Frage der politischen Standpunkte noch eine andere Dynamik. Rita und Werner aus Oldenburg, beide Anfang 80, lebten früher in der DDR. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft und Prägung hatten sie sehr gegensätzliche Ansichten: Sie begeisterte sich für den Westen, wo auch ihre Schwester lebte, er war als überzeugtes SED-Mitglied der DDR verbunden. Zu Beginn der Beziehung vor mehr als 60 Jahren „hat die Liebe noch viel überdeckt“, erinnert sich Werner. Später jedoch gab es häufiger politische Diskussionen, mitunter auch Streit, erzählt Rita. Doch Politik war für beide nur eines von mehreren Themen, worüber Paare nun mal streiten. Ihre Ehe brachte es nie in Gefahr, dafür war es beiden nicht wichtig genug. Mit der Wende trat dieser mögliche Konfliktherd in den Hintergrund. Werner trat – wie die meisten Genossen – aus der SED aus und begann, die Vorzüge des Westens zu genießen, vor allem die neue Reisefreiheit. Heute ist er politisch eher heimatlos.

Eine offene Kommunikation ist wichtig

Ein Patentrezept, wie Paare mit politischen Differenzen umgehen sollten, gibt es nicht. Doch man sollte ein paar Grundsätze beherzigen, so Parship-Expertin Schultner. Wichtig sei immer eine offene Kommunikation. „Denn Konflikte, die nicht angesprochen werden, brodeln weiter.“ Ob Meinungsverschiedenheiten sich zu Problemen auswachsen, liege natürlich auch daran, welchen Stellenwert Politik im Leben der Partner habe. Wem Politik egal ist, wird sich kaum darüber streiten.

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Wahrscheinlich helfen über viele Meinungsverschiedenheiten schon ein bisschen Toleranz und weniger Rechthaberei hinweg. „Dazu gehören eine gewisse Leichtigkeit, Gelassenheit und Wertschätzung des Partners“, sagt ein Bremer Mitte 50, dessen Ehe in das klassische Muster „sie eher grün-links, er etwas konservativer“ passt. Er geht sogar noch ein Stück weiter: „Wenn es im demokratischen Spektrum bleibt, können unterschiedliche Auffassungen sogar bereichernd sein.“

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