Das Zentrum der Herzen ist in Tel Aviv ein langer Sandstreifen. Am Abend füllt sich der Strand. Familien, Läufer und Touristen zieht es vom Großstadtsurren hin zur türkisblauen Fülle des Mittelmeers. Der Sand ist samtweich, leichte Wellen schwappen an das Ufer der israelischen Küstenmetropole. Das Wasser hat eine angenehme Temperatur und ist so klar, dass gelegentlich kleine Fische durchschimmern. Es dauert eine Weile, bis der Boden unter den Füßen verschwindet – im Hintergrund leuchten die Hoteltürme.
Direkt hinter der breiten Strandpromenade beginnt das urbane Zentrum Tel Avivs. Menschen streifen durch die Straßen, unterhalten sich, sitzen an Tischen auf dem Bürgersteig. Die Stadt schläft nie, heißt es. Auf dem Dizengoff-Platz fläzen Gruppen junger Menschen auf mitgebrachten Decken. In der Mitte des Platzes strahlt die Fontäne eines Springbrunnens.
Der Verkehr ist ermüdend, dafür verantwortlich sind auch die vielen Baustellen. Der Grund: Erst jetzt werden in Tel Aviv eine Straßenbahn und gleichzeitig eine U-Bahn gebaut. Ein lang ersehntes Projekt, erzählt Meira Niv. Sie wohnt in Tel Aviv und arbeitet als Reiseleiterin. „Mit der U-Bahn wird es hoffentlich besser“, sagt sie. Nicht alle wählen das Auto. Tel Aviv ist auch die Stadt der E-Scooter und E-Fahrräder, die an jeder Straßenecke ausgeliehen werden können. Den Kopf mit einem Fahrradhelm bedeckt – eine gesetzliche Vorgabe in Israel – schlängeln sich die zahlreichen E-Scooter-Fahrer durch den dreispurigen Stadtstau.

Strandpromenade in Tel Aviv
Entlang des Rothschild-Boulevards reihen sich weiße minimalistische Wohnhäuser aneinander, kubistische Würfel im Bauhausstil. Von manchen bröckelt der Putz, andere verstecken sich hinter Palmen, viele haben ausladende Balkone und runde Fenster. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, flohen etliche deutsche Künstler und Architekten nach Israel. Sie bauten im Prinzip „Form folgt Funktion“ und lösten damit das Problem der schnell steigenden Einwohnerzahl Tel Avivs: Platzsparender und bezahlbarer Wohnraum musste her. „Heute gibt es mehr als 4000 Häuser im Bauhausstil“, sagt Niv. Collective nennt sie den für Tel Aviv spezifischen Stil. Weniger Glas und große Balkone, die zum Meerwind ausgerichtet sind und viel Schatten spenden, gehören dazu. Seit 2003 steht die weiße Stadt auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes.
4000 Häuser im Bauhausstil
Das Mittelmeer war für Israel stets von großer Bedeutung. Über den Hafen des mehr als 4000 Jahre alten Gründungsviertel Tel Avis, Jaffa, wurde Holz für den ersten und den zweiten jüdischen Tempel in Jerusalem geliefert. König Herodes ließ zwischen 22 und 10 vor Christus die imposante Hafenstadt Caesarea erbauen, die später von den Byzantinern, Persern und Kreuzfahrern über das Meer erobert wurde. Überbleibsel der antiken Stadt können in einem Nationalpark an der Küste besichtigt werden.
Etwa 60 Kilometer nördlich von Tel Aviv haben die Buchten noch einen natürlichen Verlauf. Der Sand ist hell und fein. Angler stehen auf vorgelagerten Sandsteinfelsen, die ein Zuhause für zahlreiche Tierarten sind. „Es gibt hier Meeresschildkröten“, sagt Niv. Ein Pfad windet sich durch hellbraunes Gestrüpp. Er ist Teil eines 13 Kilometer langen Küstenwanderwegs. Der Himmel ist wolkenlos. Ende Oktober sind es an der israelischen Mittelmeerküste noch 35 Grad. Doch nun, in der Nebensaison, sind an diesem sonst sehr beliebten Küstenabschnitt kaum Badegäste.

Im Künstlerviertel Neve Tzedek in Tel Aviv gibt es viele Kunsthandwerksläden, Boutiquen und angesagte Cafés.
Zwischen den Felsen liegt der Hügel Tel Dor. „Darunter ruhen mehrere Zeiten und mehrere Völker“, sagt Niv. Anders als in Caesarea, wo man heute noch ein prächtiges Theater und eine Pferderennbahn anschauen kann, gibt es auf dem Grund der ehemaligen biblischen Stadt Dor nur noch ein paar Mauerreste aus hellenistischer und römischer Zeit. Die Trümmer früherer Siedlungen liegen übereinandergeschichtet darunter vergraben.
Folgt man dem Strand ein paar Hundert Meter nordwärts, erreicht man eine breite Bucht und den Kibbuz Nahsholim, gegründet 1948 – und somit im selben Jahr wie der Staat Israel. Die ersten Siedler waren jüdische Holocaust-Überlebende aus Polen. Sie entdeckten den fruchtbaren Boden und konnten reichhaltig ernten. Zwischen den einfachen Wohnhäusern des Kibbuz wachsen heute Bananen- und Dattelpalmen sowie Avocadobäume.
Die Mitglieder eines Kibbuz sind nicht nur eine soziale Gemeinschaft, sondern auch eine wirtschaftliche. Der Gründungsgedanke beruht auf einem genossenschaftlichen Prinzip. Die Kibbuzim kümmern sich gemeinsam um Kindererziehung und Hausarbeit, betreiben Landwirtschaft und besitzen kein Privateigentum. Es gibt streng jüdische Gemeinschaften, aber auch säkularere Kollektive, die gleichwohl die jüdischen Feste feiern. Heute werden diese sozialistischen Leitlinien weniger streng befolgt. Kibbuze wurden lange Zeit vom Staat Israel finanziell unterstützt. Als die Subventionen weniger wurden, öffneten sich zahlreiche Siedlungen für den Tourismus, so auch Nahsholim.
Koscheres Essen in geselliger Runde
Zum Abendessen finden sich die Gäste im Saal ein. Kleine Tische mit blauen Stühlen stehen dicht an dicht. An einem Tisch sitzt eine Familie zusammen, an einem anderen essen zwei junge Küchenhelfer. Eine Bedienung gibt es nicht. Die Gäste dürfen sich am üppigen Büfett bedienen. Das Essen ist koscher zubereitet – da Fleisch serviert wird, gibt es an diesem Abend keine Milchprodukte.
Das Gelände des Kibbuz ähnelt einem großen Park. Die Urlaubsanlage geht nahtlos über in die Siedlung der Bewohner. Gäste können zwischen einfachen Bungalows für Familien oder Paare und kleinen Suiten wählen. Von letzteren hat man einen fantastischen Ausblick auf die blaue Lagune Nahsholims.
Gegen Abend gleicht der Hang, auf dem Haifa erbaut wurde, einem funkelnden Sternenhimmel. Die nördliche Küstenstadt erstreckt sich stufenförmig über den Berg Karmel. Die Straßen sind eng und voll, aus einigen Autos dringt orientalische Musik. Es ist Freitagabend. Mit der untergegangenen Sonne hat der Schabbat begonnen, der Ruhetag der Juden, an dem die Geschäfte geschlossen sein sollen. Nicht so in Haifa, wo arabische und jüdische Israelis in gemeinsamen Vierteln leben und dieselben Schulen besuchen. Arabische und hebräische Schriftzüge an Restaurants und Cafés wechseln sich dort ab.

19 Terrassen haben die Bahai-Gärten in Haifa. Sie gelten als ein Geschenk für die Menschheit.
Unübersehbar und weltberühmt sind die Bahai-Gärten in Haifa. 19 bunt bepflanzte Terrassen mit Palmen und gestutzten Hecken erinnern an den üppigen Barockgarten in Versailles. 19 ist die Anzahl der Tage in einem Monat der Bahai-Religion. In der Mitte des Gartens steht ein prachtvolles Gebäude, das Mausoleum des Bahai-Märtyrers Mizra Ali Mohammed el-Baby.
Die Bahai glauben seit Mitte des 19. Jahrhunderts, dass alle Religionen aufeinander aufbauen. Der Garten gilt als Geschenk an die Menschheit. Ganz oben, auf der letzten Terrasse, ist es der Blick auf die Weite des Mittelmeers, den großen Hafen und den hellen Sandstrand, der das mediterrane Gefühl in Israel auf den Punkt bringt: einfach das Leben genießen.
Die Reise wurde vom israelischen Tourismusministerium unterstützt.