Langsam fließt der Wein in die Gläser. Einzelne Tropfen laufen dabei an den Rändern herunter und tröpfeln zu Boden. Der darauf folgende Klang: ein Klirren beim Anstoßen.
Ein Nachmittag im September, irgendwo im Bergland Gran Canarias, nur wenige Kilometer entfernt von Telde, eine der größten Städte auf der Insel. Dort wachsen Papayas und Avocados. Und dort wohnt Agostin Cabrera de Léon, der gerade eine überdimensional große Pipette aus Glas in ein Holzfass geführt und mit ihr Wein herausgesogen hat. Mit dem Weinheber kann man Wein aus dem Fass mühelos probieren.

Die Aussicht vom Weingut Frontón de Oro, zu Deutsch: Goldener Giebel.
Als ehemaliger Hotelbuchhalter kennt sich Cabrera bestens mit Tourismus aus. Daher war für ihn klar: Er wollte einer der Gastgeber auf der Ruta del Vino de Gran Canaria sein. Sein Plan ging auf, die Tourismusförderung wählte sein Weingut Señorío de Cabrera und weitere elf Betriebe aus.

Auf der kanarischen Hauptinsel sind viele Früchte zum Greifen nah.
Die drittgrößte kanarische Insel ist eher wegen ihrer schönen Strände und ihres guten Wetters bekannt. Der Wein auf Gran Canaria pflegt dagegen ein Schattendasein – noch. So gibt es gerade einmal 40 Kellereien, die auf 183 Hektar Anbaufläche knapp 300.000 Liter pro Jahr produzieren. Die meisten der Betriebe auf dem Minikontinent, wie die runde Insel aufgrund ihres vielfältigen Erscheinungsbildes auch genannt wird, erzeugen etwa 5000 Liter. Cabrera zählt dazu. Auf engem Raum und im steilen Gelände baut er außerdem Kaffee, Orangen, Pfeffer, Oliven sowie Avocados an. Die Früchte hängen zwischen den Weinreben am Steilhang. Eine Zahnradbahn, wie es sie beispielsweise an der Mosel gibt, hilft nicht nur bei der Bewirtschaftung der Rebstöcke.

Antonio Ramírez ist geübt in der Weinernte. Blitzschnell liest er die Trauben.
In seiner Gartenlaube geht es derweil leicht dekadent zu. Es gibt Gerichte aus der spanischen Küche und natürlich Wein. Mit Adleraugen achtet Cabrera darauf, wer als Erstes das Glas aus den Trauben der Sorten Listán Negro und Tintilla geleert hat. Prompt schenkt er nach, lacht dabei im Wettstreit mit der Sonne, die die Insel aufheizt. So mancher Gast mag bei all dem Überfluss ein schlechtes Gewissen bekommen. Doch die Cabreras schreiben das Wort Gastfreundschaft nun einmal groß, noch dazu wirkt sie zu keiner Zeit aufgesetzt. Im Gegenteil, sie ist authentisch und kommt von Herzen, und so kommen zum Abschluss noch Kaffeelikör, Limoncello und Kuchen auf den Tisch. Alles aus eigener Herstellung.

Hat mehrere Weine zum Probieren aufgetischt: Pedro Ramírez.
Auf der Ruta del Vino werden neben Listán Negro und Tintilla auch die Rebsorten Malvasia Volcanico, Listán Blanco und Negramoll verkostet. Dafür verantwortlich ist Rafael Molina, der im Garten der Cabreras erläutert, was er und seine Mitstreiter mit der Reiseroute beabsichtigen. „Wir stellen Wein her und packen die Landschaft mit in die Flasche“, sagt er. Das flüssige Gold, sagt Molina, gehöre auf Gran Canaria nicht in dem Maße zum Alltag wie auf Teneriffa oder Lanzarote. Das wollen er und sein Team ändern. Dazu setzen sie auf kleine Reisegruppen und nachhaltigen Tourismus. Schließlich ist der Klimawandel auch auf den Kanaren angekommen. Immer mehr Buschfeuer setzen den Landschaften zu. „Wir wollen unsere Insel schützen und gleichzeitig besser machen“, sagt er.

Strahlt über beide Ohren: Tamara Cruz.
Maßgeblich tragen dazu Pedro und Antonio Ramírez mit ihrem Weingut Frontón de Oro bei. Es befindet sich in der Gemeinde Vega de San Mateo und liegt auf einer Höhe von 1200 Metern. Nur wenige Ecken auf der Erde ermöglichen einen Weinbau in dieser Lage. Die Ramírez-Brüder produzieren auf zehn Hektar elf verschiedene Weine. So sind sie mit 80.000 Flaschen im Jahr die größten Eigenproduzenten auf den Kanaren. Dort oben seien die Bedingungen besonders gut, sagt Pedro Ramírez. „Es gibt weniger Probleme mit Parasiten und es ist kaum Bewässerung nötig.“ Bei der Traubenernte – im Hochsommer sind es etwa 3000 Kilogramm pro Tag – sind zahlreiche Erntehelfer im Einsatz.

Wein soll auf Gran Canaria künftig eine größere Rolle spielen.
Davon kann Tamara Cruz mit ihrem Weingut Mondalón nur träumen. Im Weingarten öffnet sie einen Weißwein aus der Ernte im vergangenen Juli. Nur wenige Tage zuvor hat sie ihn abgefüllt – und noch nicht probiert. Umso aufgeregter ist sie, als sie mit dem Kellnermesser den Wachsverschluss entfernt. Ihr Lächeln ist dabei so breit, es steckt an. Cruz hat das Weingut von ihren Eltern übernommen und produziert ungefähr 20.000 Flaschen pro Jahr, außerdem auch selbst gemachte Marmelade.
Ein Haufen Arbeit sei das alles, sagt sie, mache aber viel Spaß. Und „wenn du keine Leidenschaft hast für das, was du tust, bist du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gut darin“.