Rote Fuchsien blühen unter den Korkeichen, Olivenbäumen und Fächerpalmen im Mediterranean Basin. Im Wetland, dem Feuchtgebiet, stehen Birken und Farne. Ein paar Meter weiter schlängelt sich der Weg durch einen schattigen Bambuswald, um anschließend den Blick auf den großen Hauptplatz zu weiten. Unter Norfolktannen stehen dort Kickertische. Es gibt einen geräumigen Biergarten und eine Pizzeria.
Weiter hinten locken ein großer Spielplatz und eine sonnige Liegewiese unter Palmen. 600 Bäume und 16.000 Pflanzen Hunderter Arten wurden im Salesforce Park mitten in San Francisco gesetzt und werden seither mit Akkuratesse gehegt. Wäre man nicht mit dem Aufzug hochgefahren in die vierte Etage, wüsste man an vielen Stellen gar nicht, dass die Anlage in Wahrheit ein riesiger Dachgarten mit mehr als zwei Hektar Fläche 30 Meter über dem Straßenniveau ist. Er erstreckt sich über vier Straßenblocks mitten im Geschäftszentrum über dem zentralen neuen Busbahnhof der Stadt, der perspektivisch der Endpunkt neuer Hochgeschwindigkeitszüge in Richtung Los Angeles werden soll. Ein originelles Gimmick der Planer: Die 247 Wasserfontänen werden über Sensoren jeweils von den einfahrenden Bussen ein Stockwerk tiefer aktiviert. Das Ganze erinnert an den High Line Park in New York auf einer stillgelegten Bahntrasse, wirkt aber schon aufgrund seiner Fläche deutlich mehr wie ein herkömmlicher Landschaftspark.
Der Natur Raum zurückgeben
„Wir geben der Natur Raum in unserer Stadt zurück“, erläutert Lori Lincoln, Vizepräsidentin von San Francisco Travel. Natürlich sei der Salesforce Park auch eine grüne Oase zur Erholung für Touristen. Die Fahrt mit dem Lift oder der Seilbahn auf das ausgewölbte Gebäude, das von unten mit auskragenden Ästen an einen überdimensionalen Blumentopf erinnert, ist kostenlos. Vor allem aber die Einheimischen hätten sich in Umfragen und Bürgerinitiativen mehr Grün in ihrer Stadt gewünscht. „Viele Menschen aus der Tech-Industrie oder der Verwaltung möchten Rückzugsräume zum Durchatmen in der Mittagspause oder am Feierabend“, sagt Lincoln. Warum solle man da nicht unbebaute Flächen intelligent nutzen? Die Eröffnung 2018 kam rechtzeitig, als während der Corona-Pandemie Freiluftstandorte eine neue Beliebtheit erfuhren.
In der Metropolregion leben mehr als sieben Millionen Menschen. Grünflächen im Wohnumfeld waren in der Vergangenheit in etlichen Vierteln rar gesät. Aber auch in der Fog City, der Nebelstadt, macht sich der Klimawandel mit steigenden Temperaturen bemerkbar. Untersuchungen zeigen, dass Bäume das Mikroklima verändern – sie spenden Schatten und über ihre Blätter verdunstet Wasser. Daher ist es in ihrer unmittelbaren Umgebung kühler.

Grün im Asphaltdschungel: Immer mehr grüne Bänder ziehen sich durch die Großstadt San Francisco.
Umnutzung brach liegender Flächen
An anderen Stellen in San Francisco wird ebenfalls aktiv gesät und gepflanzt. Auf dem Russian Hill, den sich die berühmte Lombard Street als angeblich steilste Straße der Welt hinab windet, wurde das freigewordene Gelände des Francisco Reservoirs nicht in Investorenhände gegeben, sondern in einen neuen Park umgestaltet. Dieser bietet Grün und traumhafte Ausblicke auf die Bucht. Gerade erst eröffnet wurde eine neue Parkanlage am Black Point in der Nähe der Fisherman’s Wharf, die einen Korridor zwischen anderen Grünanlagen schaffen soll. Auch auf Treasure Island und Yerba Buena Island, wo eine ehemalige Marinebasis mit Blick auf die Skyline der Stadt zu einem neuen urbanen Quartier entwickelt werden soll, wurde als erstes ein Park angelegt. Er soll den grünen Fußabdruck verbessern und zugleich für alle zugänglich sein. „San Francisco hat die schönsten Parks und Freiräume der Welt“, schwärmte Bürgermeisterin London Reed bei der Eröffnung im Mai. Weitere Grünflächen sollen folgen.
Bereits in den 1990er-Jahren entschloss man sich dazu, Freiflächen oder frei werdende Flächen in der Umgebung der Großstadt möglichst nur noch locker zu bebauen. Das Paradestück dafür ist das Presidio. Von 1776 bis 1994 war das zwei mal drei Kilometer große Gelände direkt am Golden Gate durchgängig von der Army genutzt worden. Bei deren Abzug hatten sich Investoren bereits die Finger geleckt. Doch nach einer hitzigen Debatte stellte der US-Kongress das Gebiet unter die Verwaltung des Nationalpark-Services. Die eigens gegründete Stiftung übernimmt seither die zivile Verwaltung und sorgt mit Vermietungen und Verpachtungen dafür, dass sie sich selbst finanziert. „Entstanden ist inzwischen eine eigene kleine Stadt mit 3000 Einwohnern, neun Schulen und 200 Gewerbebetrieben“, sagt Trust-Mitarbeiterin Lisa Petrie. Der bekannteste Investor ist George Lucas, dessen ehemalige Firmen am Rand des Presidio Büroflächen für mehr als 2500 Beschäftigte angemietet haben. Vor einem der Gebäude wacht der Jedi-Großmeister Yoda aus dem Star-Wars-Universum als Brunnenfigur über das Geschehen. Tatsächlich hat er auch in den Filmen einen grünen Daumen.

George Lucas war vor dem Verkauf seiner Firmen an Disney einer der Hauptmieter im Presidio. Meister Yoda ist geblieben.
Mit Blick auf die Golden Gate Bridge
Auf anderen Flächen habe man indessen einen Bachlauf renaturiert und Wildbienen, Laubfrösche sowie Schildkröten wieder angesiedelt, sagt Petrie. Sogar Kojoten lebten wieder im Presidio gleich vor den Toren der Stadt. Die begehrten Wohnungen im Grünen gehören zu den teuersten der Welt.
Den größten Coup zeigt Petrie mit besonderem Stolz. Er liegt gleich hinter dem Besucherzentrum: Eine üppig bepflanzte Parkanlage gibt den Blick frei auf die rostrote Golden-Gate-Brücke umwölkt vom typischen Küstennebel. Sitzbänke, Grillplätze und Spielgeräte laden zu einer Pause ein, sowie ein breiter Fuß- und Radweg zum Freizeitsport. Kaum zu glauben, dass vor wenigen Jahren dort noch der Verkehr über den mehrspurigen Presidio Parkway donnerte. „Als die Straße zum Erdbebenschutz in einen Tunnel gelegt wurde, haben wir die Gelegenheit genutzt, hier hochwertige Grünflächen zu schaffen“, sagt Petrie. Der Wunsch der Bevölkerung danach war groß: Unternehmen und Bürger spendeten 98 Millionen Dollar für das Projekt, 2022 war die Eröffnung. Inzwischen ist längst eine Erweiterung geplant. Parkplätze sollen dafür verlegt und alte Baracken des ehemaligen Militärflugplatzes abgerissen werden. „Parkplätze werden ohnehin überschätzt“, sagt Petrie. Fahrradverleiher stehen in der Stadt seit einiger Zeit hoch im Kurs, nicht nur für den Trip über die legendäre Brücke in das gegenüberliegende Marin County. Wer die horrenden Parkplatzgebühren scheut, der lässt sich in der Stadt ohnehin lieber ein Fahrzeug über Uber kommen, neuerdings sogar fahrerlos über den Anbieter Waymo.
Ein Revival erleben auch die majestätischen Küstenmammutbäume. Im Westen der ikonischen Transamerika-Pyramide in Downtown wird der Redwood-Park gerade wieder hergerichtet. Die 50 Baumriesen dort wurden 1972 aus den Santa Cruz Mountains herbeigeschafft und haben sich prächtig entwickelt. In voller Größe sieht man die Riesen sonst nur eine Autostunde südlich auf einer Fahrt mit der Dampfeisenbahn im Santa Cruz County oder im Armstrong Redwoods State Natural Reserve im Norden.