Schlagzeilen macht das kleine Fürstentum Andorra eher selten – es sei denn, es geht um die preiswertesten Skistationen Europas, den Kampf gegen Steuerflucht oder um Tabakschmuggel. Ähnlich wie die anderen europäischen Miniaturstaaten – Liechtenstein, San Marino, Monaco und Vatikanstadt – leidet Andorra darunter, nicht ganz ernst oder überhaupt nicht wahrgenommen zu werden.
Der abgelegene Zwergstaat, eingeklemmt zwischen Spanien und Frankreich im Hochtal der Pyrenäen, war lange von der Außenwelt abgeschnitten. Die ersten befahrbaren Passstraßen wurden erst 1913 auf spanischer Seite und knapp 20 Jahre später auf französischer Seite eröffnet. Schon immer galt die gebirgige Gegend als Paradies für Schmuggler. Handelten diese früher mit Gold, Tieren und Lebensmittel, so sind es heute Zigaretten.
Regelmäßig machen sich französische Zollfahnder auf den Weg ins Grenzgebiet, um Schwarzhändlern das Handwerk zu legen. Die meiste Ware wird in Südwestfrankreich weiterverkauft. Nach Angaben der Zollbehörden in Perpignan stammt ein Großteil der in der Gegend beschlagnahmten Zigaretten aus Andorra. Denn in dem lange Jahre als Steueroase bekannten Staat, der nicht zur Europäischen Union gehört, aber den Euro als offizielle Währung hat, ist die früher gänzlich inexistente Mehrwertsteuer auch heute noch wesentlich niedriger als im übrigen Europa und beträgt für die meisten Waren und Dienstleistungen nur vier Prozent.
Autokolonnen mit Tagesbesuchern
Tabak sowie Alkohol und Luxusartikel sind damit erheblich billiger als jenseits der Grenzen. Das lockt freilich auch Touristen an. Kein Wunder, dass jedes Wochenende ganze Autokolonnen an Tagesbesuchern aus Spanien und Frankreich in die Einkaufsstraßen der Hauptstadt Andorra la Vella schwappen, um sich mit Zigaretten, Elektrogeräten und billiger Kleidung einzudecken.
Vielen gilt Andorra als eine Art kleines Hongkong inmitten der Pyrenäen – ohne Garküchen, dafür mit schneebedeckter Bergkulisse und durchaus sehenswerten romanischen Kirchen und dem Regierungsgebäude, die Casa de la Val, aus dem 16. Jahrhundert.
Der Wohlstand Andorras beruht hauptsächlich auf dem Verkauf der steuerreduzierten Waren, dem Dienstleistungssektor und dem Fremdenverkehr. Andorra verfügt über Hunderte von Hotels und zahlreiche Sport- und Freizeitzentren. Den besonderen Stolz des Landes machen die zahlreichen hochgelegenen Skipisten aus. Heute zählt der Zwergstaat zur größten, beliebtesten und preislich attraktivsten Wintersportdestination der Pyrenäen. Die zahlreichen 2000er-Gipfel sind auch im Sommer noch verschneit.
Über Jahrhunderte waren die Andorraner Bergbauern. Lebten nach dem Krieg etwa 6000 Menschen in dem Kleinstaat, sind es heute knapp 80000 – davon haben allerdings nur rund 40 Prozent einen andorranischen Pass. Der Rest sind Spanier, Portugiesen und Franzosen. Die Andorraner sind damit eine Minderheit im eigenen Land.
Und noch eine Besonderheit zeichnet Andorra aus: Es ist das einzige Land der Erde, das zwei Ausländer als Staatsoberhäupter hat – den spanischen Bischof von Urgell und den französischen Staatschef. 1278 wurde die Souveränität in Form eines sogenannten Kondominiums festgeschrieben. Erst 1993 stimmten die Andorraner für eine Umgestaltung in ein souveränes parlamentarisches Fürstentum. Die exekutive Gewalt wurde einem dem Parlament verantwortlichen Ministerpräsidenten übertragen. Die beiden „Ko-Fürsten“ haben aber nach wie vor repräsentative Funktionen und ein Veto-Recht in auswärtigen Angelegenheiten.
Kostenlose Inlandspost
Diese Doppelherrschaft spiegelt sich auch im Staatswappen und auf den Autokennzeichen wider: Links das rote Feld mit dem goldenen Stab des spanischen Bischofs, rechts das goldene Feld mit den Pfählen der französischen Grafen von Foix. Auch im Postwesen koexistieren beide Staaten Seite an Seite. Briefe ins Ausland werden über die französische oder die spanische Post verschickt: Erstere ist günstiger, letztere jedoch schneller. Nur innerhalb des Fürstentums ist der Briefverkehr kostenlos, man benötigt dafür auch keine Marken.
Steckbrief
n Fläche in km2 468
n Einwohner 78000
n Amtssprache Katalanisch
n Hauptstadt Andorra la Vella