Der Boden federt. Als würde man auf einem überdimensionalen Sprungbrett laufen – so fühlt es sich an, übers Moor zu gehen. Selbst durch dicke Schuhsohlen spürt man die kleinen Vibrationen, die die Schritte im Torfboden auslösen. „Gelenkschonend“, sagt Hauke Zirfas dazu. Der Naturpark-Ranger ist berufsbedingt fast jeden Tag im Moorgebiet unterwegs.
Ursprünglich erstreckte sich im Emsland, in der Grafschaft Bentheim und rund um das niederländische Emmen das größte Hochmoor Mitteleuropas. Das Moor galt lange als lebensfeindliche Umgebung. Auf dem verwässerten Boden war Landwirtschaft undenkbar. Ein Niemandsland zwischen Deutschland und den Niederlanden, auf dem lange nicht einmal eine richtige Landesgrenze existierte, weil das Land weder für die eine noch die andere Regierung einen Wert darstellte. Sein scheinbar einziger Nutzen: der Torfabbau, vor allem, um daraus Brennstoff zu erzeugen. Nach und nach wurde das Moor so immer kleiner – bis zum Ende der 1960er-Jahre, als man beschloss, das Moor zurückzuholen.

Hauke Zirfas ist Naturpark-Ranger im Naturpark Hümmling und Naturpark Bourtanger Moor.
Moore speichern Kohlenstoff
Das einst als lebensfeindlich eingestufte Gebiet entpuppte sich nicht nur als Ort der Erholung für Menschen, Insekten und Weidetiere, sondern auch als Antwort auf die drängenden Fragen des Klimawandels. „Ich bin eigentlich Forstwissenschaftler“, sagt Zirfas. „Ich liebe den Wald – aber das Moor ist für das Klima wichtiger als Bäume.“ Der Grund: Alle Wälder der Welt zusammengerechnet speichern nur halb so viel CO2 wie die Moore. Dabei ist die Gesamtfläche der Moore auf der Welt (knapp drei Prozent) deutlich kleiner als die der Wälder (circa 31 Prozent). „In den Mooren“, sagt Zirfas, „stecken je nach Schätzung 550 bis 680 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – das sind wiederum mehr als 30 Prozent des gesamten biosphärisch gebunden Kohlenstoffs.“ Das mache Moore, trotz ihrer geringen Verbreitungsfläche, zum größten Kohlenstoffspeicher der Erde.

Heute misst der Naturpark Veenland immerhin wieder 14.000 Hektar, nachdem kurzzeitig kaum noch etwas davon übrig war. Das Moor befinde sich nun in einer Übergangsphase, sagt Zirfas. Langsam wächst es in die Höhe, Torfschicht für Torfschicht. Wandert man durch den Naturpark, erkennt man, was es bedeutet, wenn das Moor sich seinen Platz zurückholt: Die Landschaft ist geprägt von Baumgerippen – solche, die noch stehen und solche, die bereits tot im Wasser treiben. Ist es wirklich gewollt, dass Bäume sterben? „Gewollt nicht“, sagt Zirfas. Aber innerhalb eines natürlichen Prozesses werde es eben akzeptiert.
Sowohl das Emsland als auch die Niederlande haben dafür gesorgt, dass das Moor von Menschen erkundet werden kann. Ein sogenanntes Knotenpunkt-System hilft auch Nicht-Ortskundigen dabei, sich nicht zu verlaufen. An jeder Kreuzung finden Besucher eine Karte, mit Hilfe von Nummern kann man sich orientieren. Die Route vorher planen müsse man nicht, sagt Zirfas. An jeder Weggabelung könne man neu entscheiden welche Richtung man einschlagen will. Für alle, die lieber mit dem Rad unterwegs sind, gibt es Radwege aus Beton, die quer durchs Moor führen. Die kleinen Nebenwege müssen allerdings zu Fuß erwandert werden.

Wegweiser wie dieser finden sich an jeder Weggabelung.
Wer möchte, den führt der Weg zu Schafs- und Kuhställen, mitten im Moor. Tagsüber sind die Tiere auf den Wiesen des Moors unterwegs. „Das sind Staatsangestellte“, sagt Zirfas. Ihre einzige Aufgabe: Fressen und Schlafen. Sie sollen die Landschaft nährstoffarm halten, damit das Moor weiter wachsen kann. Zäune gibt es so gut wie keine. Dafür aber ein Café, direkt gegenüber der Ställe.
Natürlich profitiert das Emsland auch vom Moor. Viele Touristen kommen deshalb. In Twist – kurz vor der niederländischen Grenze und in unmittelbarer Nähe zum Moor – hat der Gasthof Robben erst vor Kurzem einige Zimmer modernisieren lassen. Der Mittagstisch ist bodenständig und ideal, um sich vor der Moorwanderung zu stärken.

Vor oder nach der Moorwanderung lohnt sich ein Besuch in Meppen und ein Spaziergang entlang der Wasserroute.
Den Moorbesuch kann man außerdem gut mit einem Besuch in Meppen verbinden. Mitten durch die Stadt mit ihren knapp 35 000 Einwohnern fließen die Hase und die Ems. An deren Ufern führt eine beliebte Spaziergang-Route entlang, der Weg führt mitunter durch einen Park und entlang einiger Alleen mit großen, alten Bäumen.
Wer nach so viel Natur Lust auf ein bisschen Luxus hat, dem ist ein Abendessen im Hotel Von Euch empfohlen. In schicker, aber gemütlicher Atmosphäre werden den Gästen kunstvoll angerichtete Teller serviert. Eine Weinkarte verspricht zu jedem Gericht den passenden Wein. Einen Absacker bekommt man zum Beispiel in den Bars in unmittelbarer Umgebung. Bis zur Meppener Innenstadt sind es vom Hotel und Restaurant nur wenige Minuten zu Fuß.

In der Meppener Innenstadt gibt es gemütliche Cafés und Restaurants und auch einige alte Häuser zu bestaunen.
Im Moor hingegen herrscht zu jeder Zeit eine friedliche Stille. Der Boden, so scheint es, schluckt alle störenden Geräusche. Übrig bleibt an diesem Tag lediglich das Schnattern der Gänse, die in großen Gruppen über den Naturpark gen Süden fliegen. Ohnehin lassen sich im Moor viele Vögel beobachten; Hobby-Ornithologen sollten unbedingt ihre Ferngläser mitbringen.
„Die Menschen denken bei Moor immer an Tod und Verwesung“, sagt Zirfas. „Dabei ist das Gegenteil der Fall.“
Lila, grün, orange, rot – im Moor hat jede Jahreszeit ihre eigenen Farben. Denn trotz der schwierigen Umstände gedeihen dort zahlreiche Pflanzen. Wie die Heide, die im Sommer das Moor lila färbt und sowohl der Nässe als auch hohen Temperaturen trotzt.

Im Sommer blüht die Heide leuchtend lila. Im Herbst ist sie bereits verblasst, blüht aber immer noch mit pinken Akzenten.
Im Herbst färbt sich das Moor beige. Führt der Weg vorbei an den Wiesen mit ihren hohen, braunen Gräsern, fühlt es sich fast so an, als sei man in der Savanne unterwegs. Hin und wieder trifft der Blick auf einen einzelnen rostrot-blühenden Baum, ein Farbklecks in der Landschaft. Der Herbst gehört zu Hauke Zirfas’ Lieblingsjahreszeiten im Moor. Zusammen mit dem Frühling, sagt er. „Wenn man nur vereinzelt ein paar Knospen entdeckt.“ Dann läge immer eine bittersüße Melancholie über allem. „Das Moor ist eine unwirkliche Landschaft“, sagt er. Der Mensch ist dort nur zu Gast – aber er wird freundlich empfangen.
Die Reise wurde unterstützt von Emsland Tourismus.
Besuch im Emsland
Anreise: von Bremen mit dem Auto über die A1 Richtung Osnabrück, Ausfahrt A29 Richtung Oldenburg/Ahlhorn, dann auf B213 Richtung Ahlhorn. Die Fahrt bis nach Meppen dauert etwa eine Stunde und 50 Minuten. Von dort aus sind es mit dem Auto knapp 20 Minuten bis nach Twist.
Übernachtung und Verpflegung: Hotel Von Euch, Kuhstraße 21, 49716 Meppen. Auskunft oder Buchung unter 0 59 31 / 4 95 01 00. Doppelzimmer mit Bad ab 86 Euro pro Nacht, inklusive Frühstück und Benutzung des Wellness-Bereichs. Parken kostenfrei in der Tiefgarage möglich. Zum Hotel gehört ein öffentlich zugängliches Restaurant mit Frühstück und Abendessen. Gehobene, moderne Küche, wechselnde Speisekarte und toller Service.Hotel Schmidt am Markt: Markt 17, 49716 Meppen. Auskunft oder Buchung unter 0 59 31 / 9 81 00. Doppelzimmer mit Bad ab 99 Euro pro Nacht, inklusive Frühstück. Das Restaurant hat eine Mittags- und Abendkarte und ist für Besucher geöffnet. Traditionelle Küche mit saisonal wechselnden Spezialitäten. Gasthof Robben: Hebelermeer 31, 49767 Twist (in unmittelbarer Nähe zum Naturpark Moor). Doppelzimmer ab 80 Euro pro Nacht, inklusive Frühstück. Kostenfreie Parkplätze. Zum Hotel gehört ein klassischer Land-Gasthof mit Kegelbahn. Bodenständige, frisch zubereitete Gerichte. Montags bis donnerstags ab 17 Uhr, freitags bis sonntags ab 11 Uhr geöffnet.
Unterwegs im Moor: Der Naturpark Moor kann sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad erkundet werden. Fahrradwege aus Beton führen durch das gesamte Moor. Es besteht die Möglichkeit, sich einer öffentlichen Naturpark-Führung anzuschließen. Termine unter www.naturpark-moor.eu, Kosten: 4 Euro. Private Führung mit einem Ranger sind ebenfalls möglich. Kosten: 75 Euro für zwei Stunden (jede weitere Stunde 30 Euro). Buchung direkt bei den Rangern unter www.naturpark-moor.eu/wissen/naturfuehrer.
Weitere Informationen unter www.emsland.com oder telefonisch unter 0 59 31 / 44 22 66.

Im Herbst färbt sich das Moor bräunlich-rot.