Ein Gottesdienst mit Taufe ist immer etwas Besonderes. Ein neuer Mensch ist auf die Erde gekommen und erhält den Segen Gottes. Das Baby im Arm der Paten hat auch für die übrigen Gottesdienstbesucher etwas Anrührendes. Gleichzeitig ist es ein vertrauter Anblick. Würde hier ein Erwachsener anstelle des kleinen Kindes den Segen empfangen, wären wir vielleicht im ersten Moment irritiert. Ungewöhnlich ist die Taufe von Erwachsenen aber nicht, weiß Pastorin Anna Riese. Im August könnten es gleich sieben Erwachsene sein, die sich in Lilienthal taufen lassen. Was hat sie dazu bewogen?
Im Seminarraum An der Martinskirche 14a geht gerade wieder eine Unterrichtsstunde zu Ende. Neun Mal kommen die Männer und Frauen im Lauf der Monate hier zusammen, um am Taufunterricht für Erwachsene teilzunehmen, den Pastorin Riese leitet. „Das Interesse an Glaubensthemen ist sehr stark“, sagt sie, „gerade dort, wo Brüche im Leben sind.“ Jeder der Teilnehmer hat sich aus ganz persönlichen Gründen bewusst für den Glauben entschieden. Nicht bei jedem steht am Ende des Unterrichts die Taufe in der Truper Kapelle auf dem Plan.
Michael Ziegenbalg zum Beispiel kommt in Rieses Unterricht, obwohl er sich nicht taufen lassen wird. „Man kann nur einmal getauft werden.“ Der 62-Jährige bekam den Segen schon als Kind. Aber im Alter von 20 Jahren trat er aus der Kirche aus. „Ich war mein Leben lang eigentlich ein kirchenferner Mensch“, erinnert sich der gebürtige Baden-Württemberger. Ein einschneidendes Erlebnis änderte dies. Fünf Jahre ist es her, dass Michael Ziegenbalg sich operieren lassen musste. „Die OP ging schief“, erzählt er. Auch, dass er wiederbelebt wurde und sich trotz unterbrochener Kopfdurchblutung an fast alles erinnern konnte. „Das habe ich als eine Art Wunder aufgefasst und als einen Neubeginn, als zweites Leben.“
Diesem zweiten Leben habe er fortan einen neuen Impuls hinzusetzen wollen, erklärt Michael Ziegenbalg. Sein erstes Leben habe er kirchenfern verbracht, das zweite sollte ihn nun an die Kirche heranführen. „Ich wollte wieder Mitglied der Kirche werden, und ich wollte mich in der Kirchengemeinde Lilienthal engagieren.“ Den Taufunterricht für Erwachsene besucht er, weil er einfach mehr über den Glauben wissen möchte.
Die Teilnehmer würden oft sagen: „Ich möchte mich damit von Grund auf befassen“, berichtet Anna Riese. „Viele Menschen sind auf der Suche nach einem Sinn, einem Halt, einem Lebenssinn“, fügt die Pastorin hinzu. „Wir haben eigentlich alles, sind aber trotzdem nicht glücklich.“ Darüber hinaus seien Erwachsene, die sich zur Taufe entschließen, auch in einem Alter, in dem die Lebenserfahrungen mit den Aussagen der Bibel zusammenkommen.
Der Kursus sei im Übrigen noch offen für weitere Interessierte und trifft sich am 24. April, am 8. und 15. Mai sowie am 5. und 19. Juni, jeweils von 9.30 bis 11 Uhr wieder im Seminarraum auf dem Hospitalgelände, An der Martinskirche 14 a. Wer sich anschließen möchte, erreicht die Pastorin unter der Telefonnummer 0 42 98 / 91 51 67.
Kirchenfern verlief auch Bettina Macions Leben zu einem großen Teil. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die keine Berührung zur Kirche hatte“, erzählt sie. Im Urlaub habe man sich zwar die Schönheiten der Kirchen angesehen, „aber es ging nicht in die Tiefe“. Seit acht Jahren sei sie nun mit einem Lebenspartner zusammen, „der christlich denkt und lebt und mich prägt“. Dabei seien für sie Fragen entstanden, die sie für sich klären will. Auch deshalb hat sich sie sich zum Taufunterricht angemeldet. Die bewusste Entscheidung für den Glauben verbindet die Lilienthalerin mit dem Guten, dem Positiven. „Dieses Gute ist so einfach“, findet sie. „Es zeigt sich in der Toleranz, der Liebe zueinander und der Achtung vor der ganzen Welt mit seinen Tieren, Pflanzen und Menschen.“
Ein Bekenntnis
Harald Kühn hat das erstaunte „Ach!“ noch im Ohr. „Ach, Sie sind gar nicht getauft?“ Nicht nur einmal habe er diese Frage gehört, sagt der langjährige Vorsitzende des Lilienthaler Heimatvereins schmunzelnd. Die Leute waren verwundert, weil Harald Kühn ein glaubender Mensch ist und dies auch in vielen Gesprächen und durch viele Fragen zum Ausdruck bringt. So einer muss doch getauft sein, denken die Leute. Aber tatsächlich ist er es erst seit dem 4. November 2012. Obwohl Harald Kühn, wie er erzählt, in einem sehr christlichen Elternhaus groß geworden ist. Mutter und Vater gehörten den evangelisch-freikirchlichen Baptisten an. Sie lassen nicht ihre Kinder taufen, sondern setzen als Bedingung ein persönliches Bekenntnis voraus. Harald Kühn kam darüber hinweg. Er hatte sich ab seinem 14. Lebensjahr zwar aktiv in die Jugendarbeit der Lilienthaler Kirchengemeinde eingebracht, dabei „interessante Pastoren kennengelernt“ und mit dem evangelischen Jugendheim bereichernde Ferienfreizeiten verbracht, aber alles ohne Taufe. „Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich nicht getauft wurde“, blickt er zurück, „denn eigentlich fühlte ich mich als Christ.“ Eigentlich, doch etwas fehlte. Je älter er wurde, desto drängender kamen die Fragen. „So richtig gehörst du eigentlich nicht dazu“, habe er sich gesagt und gefragt, wie glaubensfest er wirklich ist.
Eines Morgens habe seine innere Stimme ihm zur Taufe geraten. „Und ich bin froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe“, so Harald Kühn heute. „Sich zum Glauben bekennen, kann man nur durch die Taufe.“ Gerade jetzt zu Ostern wird ihm das wieder besonders bewusst. „Das unterscheidet uns von den Atheisten, dass wir an ein ewiges Leben denken, was auch immer das heißen mag.“ Die frohe Botschaft zu Ostern verkünde dies.
Er gehe nun bewusster mit seinem Leben um. Das liege vielleicht auch am Alter, sagt der 70-Jährige, „aber mit der Taufe ist noch eine Komponente hinzugekommen“. Glauben bringe auch Trost und Hoffnung. Man müsse nur an Dietrich Bonhoeffer denken. Selbst in größter Lebensbedrohung fühlte sich der Theologe „von guten Mächten treu und still umgeben und wunderbar behütet“.