Bremen-Nord. Gut zehn Stunden verbringt Logopädin Sabine Speiser täglich in ihrer Praxis in St. Magnus. Das war vor der Corona-Pandemie nicht anders als heute. Doch sonst ist kaum etwas beim Alten geblieben. „Ich habe den Therapieraum umgestaltet, sodass ich einen großen Abstand zu meinen Patienten habe. Gerade bei bestimmten Übungen im Artikulationsbereich kann man nicht mit Mundschutz arbeiten, weil der Patient mich dann nicht richtig sieht“, sagt sie. Außerdem würde sie nun alles nach jedem einzelnen Patientenbesuch desinfizieren. Darüber hinaus hat sie das Wartezimmer ausgeräumt. Spielsachen, Zeitschriften und Infomaterial sind dort vorübergehend nicht mehr zu finden. Allerdings müssen die Patienten derzeit auch vor der Praxis warten und werden einzeln hereingelassen. „Bevor die Patienten in den Behandlungsraum können, müssen sie erst einmal ihre Hände waschen und desinfizieren. Das Gleiche gilt für mich natürlich auch“, erzählt Speiser, die alleine in ihrer Praxis tätig ist.
Die Corona-Krise habe allerdings dazu geführt, dass nun deutlich weniger Patienten zu ihr in die Praxis kommen. Sie sagen ihre Termine ab, weil sie Angst haben, sich außerhalb der eigenen vier Wände mit dem Virus anzustecken. „Insgesamt hat sich die Anzahl meiner Patienten etwa um die Hälfte reduziert“, sagt die Logopädin. Wer nicht in die Praxis kommen will, kann im Übrigen auch per Videochat behandelt werden. „Der Großteil des Tages besteht aus den jetzt erst durch die Corona-Pandemie erlaubten Videotherapien. Das bedeutet für mich eine andere Vorbereitung und mehr Zeitfenster, die ich hierfür brauche“, erzählt Sabine Speiser. In die Praxis kämen derzeit nur noch zwei bis drei Patienten am Tag.
Dabei könnte sie durchaus mehr Patienten behandeln, etwa über den Videochat. Zwar sei diese Art der Therapie für sie zeitaufwendiger, da sie etwa Datenschutzvereinbarungen und sämtliche Materialien zunächst einscannen und per Mail an die Patienten schicken müsste, aber allmählich würden auch diese Abläufe zur Normalität werden. „Die Vorbereitungszeit fängt sich so langsam an zu reduzieren“, sagt sie. Die Videotherapie würde sich zwar nicht bei allen Störungsbildern anbieten, doch selbst wenn die Möglichkeit dazu besteht, fehle etwa bei einigen Eltern die Bereitschaft dazu, ihren Kindern die Therapie zu ermöglichen. „Die Eltern müssen bereit sein, zu sagen, wir installieren den und den Anbieter und ja, wir wollen eine Videotherapie machen. Doch dafür sind nicht alle Eltern interessiert und bereit gewesen“, erzählt die Logopädin.
Auch wenn Sabine Speiser aktuell weniger Menschen behandelt, hat sie bisher noch keine staatlichen Hilfen beantragt. „Ich merke immer noch, dass von der ganzen Situation eine Schockstarre da ist und ich mich erst sortieren muss“, sagt sie. Als Selbstständige müsste sie nun etwa klären, ob Vorauszahlungen an das Finanzamt auch später erfolgen können, um so einen gewissen finanziellen Spielraum zu bekommen. „Eigentlich habe ich es ganz schön gut. Ich bekomme noch die Hälfte meines Geldes. Wenn ich mir angucke, wie viele Läden jetzt ganz zu sind, ist das noch mal eine ganze andere Hausnummer“, sagt sie.
Ines Ahrens bezeichnet den sogenannten Schutzschirm für Heilmittelerbringer hingegen als „Licht am Ende des Tunnels". "Unsere Kosten laufen ja weiter", sagt die Physiotherapeutin. Dazu gehörten etwa Miete und Versicherungen. Für ihre Mitarbeiter habe sie Kurzarbeit beantragt. Hilfe gibt es auch von anderer Stelle. "Die gesetzlichen Krankenkassen kommen uns entgegen, was Verordnungsgültigkeit und Zwischenabrechnungen angeht", erzählt sie. Außerdem habe sie die Corona-Soforthilfe bekommen.
Unterstützung sei in dieser Zeit wichtig, da sich die Zahl ihrer Patienten durch die Krise reduziert habe. „Die Hälfte ist mit Sicherheit weggebrochen“, schätzt Ahrens. Dabei sind die Beweggründe, warum die Patienten wegbleiben, unterschiedlich. „Viele sind verunsichert und sagen, 'wir dürfen ja gar nicht kommen'. Andere haben Angst vor einer Ansteckung, was ja auch nachzuvollziehen ist. Bei vielen ist es aber auch so, dass das Umfeld sagt, 'du kannst doch jetzt nicht zur Physiotherapie gehen', was aber Quatsch ist“, betont sie. Zu diesem Missverständnis sei es auch gekommen, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Ansprache gesagt habe, dass Massagesalons geschlossen hätten. „Wir gehören aber nicht zu den Massagesalons, sondern arbeiten medizinisch indiziert“, sagt Ahrens.
Doch nicht bei allen Therapien ist es möglich, den Mindestabstand von 1,50 Metern zum Patienten einzuhalten. „Bei Behandlungen am Kiefergelenk oder auch bei der manuellen Lymphdrainage können wir den Mindestabstand schlichtweg nicht einhalten“, sagt Ahrens. Dennoch führt die Physiotherapeutin auch diese Behandlungen während der Corona-Krise durch.
Besonders für Menschen, die etwa operiert wurden, chronisch krank sind oder an Krebs leiden, sei es wichtig, dass sie weiterhin regelmäßig physiotherapeutisch versorgt werden, auch wenn sie zur Risikogruppe gehören. „Gerade bei den neurologischen Krankheitsbildern, wie etwa nach einem Schlaganfall, geht es darum, den Status der Beweglichkeit durch Pausen oder durch einen Abbruch der Therapie nicht wieder rückgängig zu machen“, sagt Physiotherapeutin Ines Ahrens.
Doch gerade frisch Operierte bleiben in ihrer Praxis gerade aus, da die Krankenhäuser ihre Betten für Corona-Patienten freihalten müssen. Deshalb hofft Ines Ahrens, dass auch planbare Eingriffe schnellstmöglich wieder stattfinden können und damit auch wieder neue Patienten kommen. Gleichzeitig fordert sie von der Politik, dass etwa Desinfektionsmittel und Masken ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Würde sie das Schutzmaterial bei Apotheken oder im Internet bestellen, müsste sie derzeit sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
Um Patienten und Therapeuten vor einer Ansteckung zu schützen, hat Ines Ahrens in ihrer Praxis in Aumund verschiedene Sicherheitsvorkehrungen getroffen. „Wir bitten jeden Patienten, eine Schutzmaske mitzubringen und wirklich erst kurz vor dem Termin zur Behandlung zu erscheinen, damit die Verweildauer im Wartebereich und an der Anmeldung möglichst kurz ist. Nach jeder Behandlung werden die Räume unter anderem gut gelüftet“, erzählt die Heilpraktikerin für Physiotherapie. „Unsere Praxis verfügt über zwei Eingänge, sodass wir diese auch momentan ausnutzen können, damit sich möglichst wenig Patienten über den Weg laufen.“
Ergotherapeutin Petra Schlereth ist einen anderen Weg gegangen. Sie hat ihre Praxis in Blumenthal gleich ganz geschlossen. „Ich arbeite mit schwerstkranken, älteren Patienten zusammen, die auch zur Risikogruppe gehören“, erzählt sie. Ihre Behandlung könne sie aktuell nicht verantworten, auch wenn sie zu keinem Zeitpunkt unter dem Coronavirus gelitten habe, wie sie betont.
Normalerweise ist sie nicht nur in ihrer Praxis tätig, sondern auch in Kindergärten und Schulen. Doch weil auch dort derzeit kein normaler Betrieb stattfindet, könne sie die Kinder in den Einrichtungen ebenfalls nicht therapieren. Gleiches gelte für Altenheime, in denen sie auch tätig ist. „Deshalb war für mich auch klar, dass ich erst einmal zumache“, sagt Schlereth.
Eine geschlossene Praxis bedeutet für die Ergotherapeutin auch eine leere Kasse. „Ich habe immer gut vorgearbeitet und lebe jetzt von den Reserven“, erzählt sie. Außerdem gebe es eine Wirtschaftsförderung für ihren Berufsstand, die sie in Anspruch genommen habe. Wie lange sie die Zeit ohne Einnahmen überbrücken kann, kann Petra Schlereth nicht sagen. „Ich bin aber in der glücklichen Lage, dass ich verheiratet bin und mein Mann noch arbeitet“, erzählt sie.
Zwar beschäftigt die Ergotherapeutin keine Mitarbeiter, die monatlichen Belastungen für sie sind trotzdem hoch. „Zusätzlich zur Miete laufen auch die ganzen Versicherungen weiter. Das sind schon relativ hohe Kosten, auch als Alleinselbstständige“, sagt Schlereth.
Nachdem die Ministerpräsidenten der Länder sich nach einer Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf weitere Lockerungen verständigt haben, will Petra Schlereth den Betrieb in ihrer Ergotherapiepraxis in Stufen und langsam nach sorgfältiger Abwägung wieder aufnehmen. "Erst einmal werde ich Patienten behandeln, bei denen ich nicht so körpernah arbeiten muss", beschreibt sie ihre Pläne. Dabei werde sie in jedem Fall eine Schutzausrüstung tragen. "Das wird aber alles langsam anlaufen", prognostiziert Schlereth. Der normale Praxisalltag ist noch in weiter Ferne."