„Corona hat alle meine Kinder- und Jugendchöre zerstört“, sagt Jürgen Blendermann, Kantor der St. Magni-Kirche in St. Magnus. Mehrere ältere Chormitglieder haben sich nach seinen Worten abgemeldet, im kleinen Kreis wird jetzt noch geprobt. „Wo man singt, da lass‘ dich ruhig nieder“ – diese Aufforderung ist in Pandemie-Zeiten nicht mehr angesagt.
Corona stellt die Chöre in der Region vor Probleme. Das Virus wird über feinste schwebende Tröpfchen verbreitet, die etwa bei lautem Sprechen oder mehr noch beim Singen entstehen. Doch wer will schon mit Mundschutz singen? Ohnehin sind Auftritte derzeit bis Ende November nicht möglich. Wie gehen Chöre in Bremen-Nord und umzu mit der Situation um? DIE NORDDEUTSCHE hat einige Chorleiter und Chorleiterinnen dazu befragt.
Ziemlich düster sieht es nach Aussage von Meike Meyerdierks, Leiterin des evangelischen Chores „Taktvoll“ aus, der in der Kirchengemeinde Rönnebeck-Farge beheimatet ist. Beim Lockdown im März gab es noch kleine Aufmerksamkeiten und Videos für die 15 Chormitglieder. Und hoffnungsvoll wurde nach den Sommerferien wieder mit dem Singen begonnen.
Doch inzwischen mussten sämtliche Gottesdiensteinsätze sowie eine geplante Chorfahrt und ein Adventskonzert abgesagt werden. Die Stimmung unter den Chormitgliedern ist daher laut Meike Meyerdierks nicht die beste, zumal einige aufgrund von Alter und Krankheit ohnehin wohl dauerhaft ausfallen.
Geprobt wird wieder
Nicht ganz so düster sehen die Perspektiven für die etwa 20 „Altenescher Kirchturmkrähen“ aus. Chorleiter Tobias Schmidt musste zwar im September das jährliche Probenwochenende und die traditionelle Konzert-Fahrradtour durch die vier Kirchen in Lemwerder streichen. Aber zumindest wird seit Anfang September wieder geprobt – auch Advents- und Weihnachtslieder. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie in diesem Jahr aufgeführt werden, derzeit gering ist. Aber die meisten Chormitglieder sind froh, überhaupt wieder mehrstimmig in Gemeinschaft singen zu können.
Das bestätigt auch Kantor Felix Mende für seine Capella St. Martini in Lesum. Mende ist in der komfortablen Lage, einen Pool von etwa 80 Sängerinnen und Sängern zur Verfügung zu haben. So viele braucht der Lesumer Kantor auch für die Aufführungen großer Oratorien und Messen, die üblicherweise zum Repertoire der Capella gehören. Selbst wenn sich derzeit etwa die Hälfte der Chormitglieder für die Zeit der Pandemie oder auf Dauer abgemeldet haben, konnten aus denen, die unbedingt singen wollten, zwei Gruppen in Kammerchorstärke gebildet werden.
Das geplante Oratorium „Crucifixion“ des englischen Spätromantikers John Stainer sowie eine Mozart-Messe musste der Chorleiter zwar bis auf Weiteres aus dem Programm nehmen, aber kleinere Gottesdienst-Einsätze werden wahrgenommen. Und wenn es die Gegebenheiten doch noch erlauben sollten, könnte zu Weihnachten vielleicht sogar eine Kantate aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium aufgeführt werden.
Ungeachtet der Einschränkungen durch das Coronavirus registriert Felix Mende auch einen positiven Aspekt: Da die Sängerinnen und Sänger einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten müssen, kann sich niemand von ihnen am jeweiligen Nachbarn orientieren und stimmlich „anhängen“. Jeder einzelne ist deutlich mehr gefordert, auch weil Misstöne bei einer kleinen Gruppe eher herauszuhören wären. Das hat laut Mende zu einer insgesamt sichereren und hörbar besseren Intonation geführt.
Ungewisse Konzertplanung
Diese Erfahrung hat auch Karin Eisenbarth gemacht. Bis Anfang dieses Jahres leitete sie den Lesumer Singkreis, der sich dann aufgelöst hat. Sie selbst singt bereits seit Jahren gemeinsam mit rund 30 weiteren Mitgliedern im Grambker Gospel- und Popchor „Sound of Colours“. Das Singen auf Abstand nehmen die Sänger zunächst einmal als zusätzliche Schwierigkeit wahr. Trotzdem arbeitet auch der Gospel- und Popchor optimistisch hin auf einen Auftritt im Advent in der Kirche St. Magni.
Mag sein, dass alle Konzert-Planungen wegen der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie erneut über den Haufen geworfen werden müssen. Doch nach wie vor gilt: Singen in Gemeinschaft vermittelt gute Laune und fördert nachweislich die Zufriedenheit.
Wie schön wäre es da, wenn man möglichst bald wieder ganz ohne einschränkenden Unterton sagen oder besser noch im dreistimmigen Kanon singen könnte: „Wo man singt, da lass‘ dich ruhig nieder; böse Menschen haben keine Lieder.“