476 Stück wurden von dem silberfarbenen Motorrad gebaut, das nach seinem Schöpfer "Münch" heißt. Kenner bekommen sofort einen ehrfürchtigen Blick, wenn sie nur den Namen hören. Das Privileg, das in der Szene als legendär verehrte Zweirad zu fahren, haben nur ganz wenige.
Tarmstedt. Man muss es sich schon leisten können, eine Münch zu fahren. Es soll Menschen geben, die 100000 Euro oder noch mehr für diesen exklusiven Dinosaurier der Motorradgeschichte hinlegen. "Der Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage, aber natürlich auch nach dem Zustand", sagt Bernd Lösekann vom Bremer Ableger des bundesweit vernetzten Münch-Clubs. Mitbegründer dieses Vereins war Bernd Gehrken, der im vorigen Jahr verstorbene Besitzer der Münch, die als Leihgabe in Tarmstedt zu bestaunen ist. Gehrken starb am 6. Februar an Herzversagen – und damit genau am 85. Geburtstag von Friedel Münch, dem Konstrukteur der "Mammut", wie das bis zu 400 Kilogramm schwere Geschoss im Volksmund genannt wird.
In Tarmstedt ausgestellt ist eine Münch 4 TTS-E mit 1200 Kubikmeter Hubraum. Ihre Antriebskette läuft serienmäßig im geschlossenen Kasten im Ölbad und hält gut und gerne 100000 Kilometer. Das Motorrad wurde 1971 gebaut und 1972 von Vergaser auf Benzin-Einspritzung umgerüstet, daher das "E". "Dadurch erhöhte sich die Leistung von 88 auf etwa 100 PS", weiß Helmut Ruschmeyer vom Oldtimer-Club Fischerhude, der den motorisierten Nachlass von Bernd Gehrken verwaltet. Nach einem Unfall sei sie neu aufgebaut worden und hat nun rund 70000 Kilometer hinter sich.
Münch, einst Konstrukteur bei Horex, habe in der 60er-Jahren begonnen, um das Vierzylinder-Auto-Triebwerk des NSU TT herum ein Motorrad zu bauen, sagt Ruschmeyer. Die Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern galt seinerzeit als sensationell. Dass Münch einen Automotor verwendet habe, sei so abwegig nicht, denn: "Dieser Motor basiert wiederum auf den bekannten und zuverlässigen NSU-Motorradmotoren, mit denen der Hersteller in den 50er-Jahren zum weltgrößten Motorradbauer aufstieg", sagt Lösekann.
Warum die Münch in Tarmstedt bei einem VW-Händler steht, erklärt Lösekann so: "Die Erbin wollte, dass die Maschine, an der für sie viele Erinnerungen hängen, nicht von einem reichen Sammler gekauft wird und dann in einem Keller verschwindet. Ihr ist es wichtig, dass die Münch in gute Hände kommt, zu jemandem, der ihren Wert zu schätzen weiß und sie auch fährt." In Tarmstedt sei die Münch gut und sicher aufgehoben und für die Öffentlichkeit zugänglich. "Im Moment wird noch nicht über einen Verkauf nachgedacht", so Lösekann.
Auch seine eigene Münch würde er niemals verkaufen. Seit 1975 besitzt er sie, nutzt sie für Ausflüge und Fahrten zu Treffen. Was ist das für ein Gefühl, ein Motorrad zu fahren, das so viel wert ist wie ein Einfamilienhaus? "Es ist ein tolles Gefühl, so eine besondere Maschine zu fahren", sagt der pensionierte Polizist. Es sei kaum zu beschreiben, und über den Wert denke er beim Fahren nicht nach. Seine Münch habe er jedenfalls mit 60000 Euro versichert. "Das ist ein Kulturgut, das man bewahren muss", meint er.
Natürlich erzählt der frühere Moto-Guzzi-Fahrer auch gerne, wie er zu seinem Schätzchen gekommen ist: "Ich hab’ eine Gänsehaut bekommen, als mal eine Münch an mir vorbei gefahren ist. In dem Moment war die Guzzi gestorben, und drei Monate später hatte ich meine eigene Münch." 17000 Mark habe er damals dafür hingelegt, "das war sehr viel Geld". Zum Vergleich: Ein Mercedes "Strich 8" war neu für 12000 Mark zu haben, eine BMW R 75/5 für 5000 Mark. Und der Spaß ist nicht billiger geworden. Ein neues Hinterrad beispielsweise müsste eigens gegossen werden. Das sei möglich, sagt Lösekann, koste aber so viel wie ein komplettes japanisches Motorrad.
Erst seit drei Jahren gehört Rolf Meyer zur Münch-Gemeinde. "Ich kannte das Motorrad vom Quartett her. Es war immer das schnellste, teuerste, schwerste." Meyer schätzt nicht nur die Technik und das Fahrgefühl seines Motorrads, sondern auch die Gemeinschaft der Münch-Fahrer. "Das ist ein richtig familiärer Haufen, und viele kennen Friedel Münch persönlich", sagt der Chef von Weserflex, dessen Unternehmen schon so manchen Schlauch für Brems- und Einspritzanlage von Münch-Motorrädern gefertigt hat. Jedes Jahr gebe es mindestens ein Treffen. Über Himmelfahrt seien 40 Mammuts auf Usedom zusammen gekommen. Weltweit seien schätzungsweise noch um die 200 Münchs unterwegs.
Lösekann ist sich mit Meyer und Ruschmeyer einig: "Ein bisschen verrückt muss man schon sein, wenn man eine Münch fährt." Und er betont: "Umfallen darf sie nicht. Die ist so schwer, dass man sie nur mit großer Anstrengung wieder hochbekommt. Wenn sie aber fährt, bewegt sie sich wie eine Gazelle."