Bremen-Nord. Die kleine Laura ist begeistert. Ihre Eltern vermisst sie nicht. Die Vierjährige tobt durch die kleine Sporthalle an der Betonstraße. Dort haben viele Helfer und Übungsleiter der TSV Farge-Rekum eine kreative Bewegungslandschaft aufgebaut. Mädchen und Jungen ab drei Jahren dürfen darin nach Herzenslust hüpfen, laufen, balancieren und springen. Währenddessen sitzen die Eltern auf den Bänken am Rande der Halle und schauen ihren Sprösslingen zu oder gönnen sich im Gang zwischen den Umkleideräumen eine Tasse Kaffee oder ein Stück Kuchen.
Die TSV Farge-Rekum ist einer von zehn Sportvereinen im Bundesland Bremen, die sich am „Tag des Kinderturnens“ beteiligen. Mittlerweile gibt es den „Tag des Kinderturnens“ bundesweit, die Bremer Vereine praktizieren ihn jedoch schon seit Jahren, unter dem Titel Kinderturnsonntag. Er ist Teil der bundesweiten Offensive Kinderturnen des Deutschen Turner-Bundes (DTB) im engen Schulterschluss mit seinen Landesturnverbänden. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beteiligt sich als offizielle Kooperationspartnerin mit ihrer Initiative „Kinder stark machen“ an diesem sportlichen Angebot.
Spaß und Freude an der Bewegung für alle ist das Motto, unter dem Kinder die Vielfalt des Kinderturnens ausprobieren. Wie keine andere Sportart fördert das Kinderturnen vielseitig und umfassend alle wichtigen motorischen Grundfertigkeiten und -fähigkeiten wie Laufen, Springen, Werfen, Schwingen, Hangeln, Rollen und Drehen um alle Körperachsen. Das regelmäßige Kinderturnen öffnet dem Nachwuchs aber nicht nur neue Gelegenheiten, eine vielfältige Bewegungswelt zu entdecken, es fördert die Kinder auch darin, sich selbst wertzuschätzen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entfalten, ausdauernd Ziele zu verfolgen und mit anderen Kindern zu kooperieren.
Dass Kinder in Deutschland mehr Bewegung brauchen, ist unter Pädagogen und Medizinern unumstritten. Früher sind Kinder vor die Haustür gegangen, haben draußen mit ihren Freunden gespielt, bis es dunkel wurde. Das gibt es heute vor allem in Städten kaum noch. Eine der Ursachen: Natürliche Bewegungsräume wie Wiesen und Felder müssen immer öfter dem Wohnungsbau und der Versiegelung der Flächen weichen. Ein weiterer Grund: Viele Eltern sind heute keine Bewegungsvorbilder mehr für ihre Kinder. Der Nachwuchs aber braucht diese Vorturner. Untersuchungen haben ergeben: Sind Eltern und Lehrer sportlich aktiv, kommen auch ihre Sprösslinge schneller auf die Beine.
Die kleine Laura hat es in dieser Beziehung gut. Ihre Eltern achten darauf, dass das kleine fröhliche Mädchen regelmäßig Bewegung bekommt. Auch an diesem Nachmittag sind Anne und Kai Jachens selbstverständlich mit ihrem Töchterchen in der Sporthalle. „Super,“ so beschreibt Anne Jachens diesen Kinderturntag. „Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir die Kinder von der Straße kriegen“, sagt Anne Jahn. Sie ist Übungsleiterin beim TSV Farge-Rekum. Seit vielen, vielen Jahren. Und viele, viele Kinder hat die erfahrene Übungsleiterin schon trainiert, angeleitet, in Bewegung gehalten.
Umso mehr freut sie sich, dass an diesem Nachmittag „viele Kinder gekommen sind, die wir noch nie gesehen haben“. Mögliche neue Vereinsmitglieder? Kann sein, meint Anne Jahn. Doch das hat für sie nicht Priorität, wichtig ist ihr, dass die Kinder – und eben auch die Eltern – dieses Angebot nutzen, mal reinschnuppern in die Vielfalt des Turnens. Auch Melanie Meyer, die Leitern der Farge-Rekumer Turnabteilung schaut zufrieden durch die Sporthalle. Sehr zufrieden sei sie, betont die Chefin. „Die Resonanz? Sehr gut.“ Die Aufbauarbeit der vielen Helfer hat sich gelohnt. Die Bewegungslandschaft kommt an.
Übungen für das Turnabzeichen
Auch der MTV „Eiche“ Schönebeck macht am „Tag des Kinderturnens“ ein Angebot. Der Verein beteiligt sich regelmäßig. „Seit mehr als zehn Jahren“, erzählt Edmund Gliedt. Er ist Oberturnwart des Schönebecker Vereins. Mit zehn Übungsleitern und weiteren Helfern hat er schon früh am Morgen eine Bewegungslandschaft gebaut, die sich komplett durch die gesamte Halle an der Herbartstraße zieht. 15 verschiedene Stationen, an denen die Kinder – wenn sie jede einzelne bewältigen – an diesem Tag zusätzlich das Kinderturnabzeichen ablegen können. Das Abzeichen umfasst verschiedene Übungen in unterschiedlichen Kategorien wie Rollen, Gehen, Rutschen, Sinne erfahren, Werfen und Fangen, Teamarbeit lernen und Rhythmus schulen. Die Aufgaben richten sich nach den Fähigkeiten der Kinder.
Fünf Stunden halten Edmund Gliedt und seine Kollegen an diesem Tag die Hallentür auf. Schon nach zwei Stunden hat er mehr als 20 Urkunden und Plaketten an die jungen Teilnehmer ausgegeben. Edmund Gliedt freut sich. „Im vergangenen Jahr haben 60 Kinder teilgenommen“, erinnert er sich. In diesem Jahr dürften es mehr werden. Was den erfahrenen Turnwart besonders freut: Ganz viele Väter tummeln sich am späten Vormittag zwischen den einzelnen Aufbauten, unterstützen ihre Kinder. „Früher waren hauptsächlich die Mütter, das hat sich geändert“, berichtet Edmund Gliedt. Er muss das Gespräch kurz unterbrechen. Die kleine Merle kommt an den Tisch mit den Urkunden. Jetzt will auch sie ihre Belohnung. Edmund Gliedt reicht der stolzen Vierjährigen Urkunde und Plakette. Sie strahlt übers ganze Gesicht. „Hat es Spaß gemacht“? Merle nickt glücklich und trippelt, umrahmt von ebenso zufriedenen Eltern, Richtung Umkleidekabine.
Auch Edmund Gliedt freut sich. Über jedes Kind, das stolz seine Urkunde bei ihm abholt. Über jede Mutter, jeden Vater, die diesen Tag des Kinderturnens wahrnehmen. Denn Edmund Glied weiß, die Kinder brauchen Hilfestellung. Unterstützung auf dem Weg in die Hallen. „Die Lust auf Bewegung, die Freude an der Bewegung bringen die Mädchen und Jungen von ganz alleine mit." Nicht nur in Farge und Schönebeck.