Worpswede/Lilienthal. Auf Café- und Restaurant-Terrassen dürfen Gastronomen in Niedersachsen ab Montag, 10. Mai, wieder Gäste bewirten. Auch Übernachtungen sind wieder möglich. Doch statt Jubel gibt es viel Kritik. „Bislang haben wir keine Verordnung!“, beklagt die Vorsitzende des Land-Touristik-Verbandes Niedersachsen, Martina Warnken. „Da sitzen Leute an ihrem Schreibtisch und denken sich was aus und haben noch nie einen gastronomischen Betrieb von innen gesehen – das funktioniert so nicht“, kritisiert Rycarda Geffken, Chefin der Wümme-Gaststätte „Zur Schleuse“ in Lilienthal. Viele Gastronomen wollen erst einmal abwarten. Nur wenige freuen sich über die schrittweisen Öffnungen.
„Wir sind dabei, alles herzurichten“, sagt Anna Pani, Chefin der Lilienthaler Pizzeria „Da Luciano“. Acht Tische stehen draußen zur Verfügung. „Viele Gäste haben schon reserviert. Wir machen alles hübsch. Die Terrasse wird erweitert.“ Doch „ein bisschen Bauchschmerzen“ habe sie bei der Sache, sagt die Wirtin. „Einerseits sind wir froh, dass wir öffnen dürfen, andererseits ist das – so kurzfristig – viel Stress - und viel Verantwortung, denn viele sind ja noch nicht geimpft.“
Ähnlich sieht das Diana Barten-Soujon, vom Bistro „Hammehafen“ in Worpswede. Während ihr Mann die lauschige Terrasse mit Blick auf den Hammehafen einrichtet, ist ein Freund noch schnell zum Helfen vorbeigekommen. „Wir sind happy, dass es wieder losgeht“, sagen die Soujons. Geplant sei die Öffnung des Bistros von Montag an, täglich von 12 Uhr bis 21 Uhr – mit durchgehend warmer Küche. Auch Kanuverleih und Campingplatz seien geöffnet. „Zurzeit haben wir jeden Tag 60 E-Mails mit Anfragen der Camping-Gäste erhalten“, berichtet Ralf Soujon. „Alle versuchen, kurzfristig einen Platz zu bekommen.“ Doch für Mai sei bereits alles ausgebucht.
Freie Kapazitäten hat hingegen das Naturresort „Land of Green“ in Waakhausen. Dort gibt es, auch über die Feiertage im Mai, noch freie Tiny-Houses mit eigenem Außenpool zu mieten. „Wir freuen uns, dass es wieder losgeht“, berichtet Anni Vieth aus dem Naturresort. „Bei uns ist sowieso alles kontaktlos organisiert, vom Check-in bis zum Check-out bis zum Frühstück-to-go oder dem kontaktlosen Kanuverleih.“ Begrüßt werden dürften ausschließlich Gäste aus Niedersachsen mit Negativschnelltest und täglicher Neutestung, erklärt Vieth. „Glücklicherweise können wir diesen Service kostenlos vor Ort anbieten, da wir ein vom Gesundheitsamt genehmigtes Testzentrum direkt vor Ort haben.“
Geschlossen bleiben hingegen die Hotels „Worpsweder Tor“, das „Village“ im Worpsweder Ortskern und der „Buchenhof“. „Wir warten erst mal die Verordnungen ab“, sagt Christine Roloff vom „Buchenhof“. „Wir haben so lange auf die Öffnungen hingefiebert. Die Hoffnung darauf hat uns in den vergangenen Monaten immer wieder kämpfen lassen, doch so funktioniert das nicht“, erklärt Almut Drais vom „Worpsweder Tor“. Die Ankündigungen kämen zu kurzfristig und seien im Detail nicht ausgereift. „Ich weiß schon, was die Leute jetzt sagen: Sollen sich die Gastronomen doch freuen, anstatt zu jammern.“ Doch die Inzidenzen würden noch stark schwanken. Der Restaurantbetrieb sei nicht so einfach hochzufahren. „Wir kaufen frisch ein, bereiten die Speisen frisch zu. Und wir können nicht alles wegwerfen, wenn wir dann doch wieder schließen müssen.“ Zurzeit sei es kalt und windig, die Außengastronomie zu öffnen, somit schwierig.
Klarer Handlungsrahmen fehlt
Auch die Zulieferer der Gastronomie seien in Kurzarbeit, erklärt Rycarda Geffken von der Gaststätte Zur Schleuse. Brauereien hätten ihre Betriebe heruntergefahren. „Drei bis vier Wochen dauert es, bis alle Biere wieder lieferbar sind“, sagt Geffken. Sie habe allen Aushilfen kündigen müssen. Zehn Angestellte seien in Kurzarbeit. „Für Außengastronomie brauchen wir schönes Wetter. Wohin sollen die Gäste denn gehen, wenn es plötzlich regnet?“ Starten würde ihr Betrieb erst mit einem wasserdichten Konzept – „wie im vergangenen Jahr, da hat das wunderbar geklappt“, räumt die Wirtin ein. Dem schließt sich Johann Lütjen, Geschäftsführer vom „Grasberger Hof“, voll und ganz an. „Wir öffnen, wenn das Ganze Hand und Fuß hat – und wir auch innen etwas anbieten dürfen.“
Dass zu viele Detailfragen noch nicht geklärt seien, bemängelt auch Nathalie Rübsteck, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Bremen-Niedersachsen. „Vieles ist noch unklar: die Kontaktverfolgung, die Testpflicht, wird die Luca-App bis Montag mit den Gesundheitsämtern verbunden sein? Die Politik hat nichts dazugelernt“, kritisiert die Verbandschefin. „Mittwochs wird etwas angekündigt, am Sonnabend soll es die Verordnung geben und am Montag sollen die Gastronomen alles parat haben - so kann das nicht funktionieren“, mahnt Rübsteck. Zwei Wochen Vorlauf brauchten die Betriebe mindestens – „und einen klaren Handlungsrahmen“.
Öffnungsmöglichkeit ab Montag
Kommunen, deren Inzidenz an fünf Tagen nacheinander unter 100 Corona-Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche liegt, dürfen an dem Probelauf für gastronomische Betriebe in Niedersachsen ab Montag, 10. Mai, teilnehmen. Voraussetzung ist neben strengen Hygienekonzepten und einer Kontaktnachverfolgung die Vorlage eines tagesaktuellen negativen Corona-Testergebnisses durch die Gäste oder der Nachweis, dass man vollständig geimpft ist. Das gibt die niedersächsische Landesregierung bekannt.
Für die Gastronomie gilt: Gäste dürfen sich zunächst in den Außenbereichen aufhalten. Das Platzangebot soll nicht eingeschränkt werden. Kontaktbeschränkungen gelten weiterhin – es darf sich ein Haushalt mit zwei Personen aus einem anderen Haushalt treffen – Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Für alle Öffnungen soll eine Sperrstunde von 23 Uhr gelten.
Die Öffnungen von Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätzen in der Region bleiben zunächst Menschen aus Niedersachsen vorbehalten. Bewohner anderer Bundesländer müssen vorerst warten. In dieses Verbot schloss Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ausdrücklich auch Menschen aus Bremen ein. Spätestens in drei Wochen will die rot-schwarze Landesregierung aber über einen erweiterten Gästekreis nachdenken.