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Energie für 800000 Haushalte drei Kilometer unter der Erde In Dötlingen betreibt Exxon Mobil großen Erdgasspeicher

Dötlingen. Die Verbindung zur Außenwelt wirkt geradezu winzig. Die Rohre, die sich nur kurz aus der Erde biegen und dann schnell wieder im Boden verschwinden, sind zwar dick, und mächtige Muttern und Nieten sind nötig, um die einzelnen Teile zusammenzuhalten. Aber sie sehen so aus, als wenn sie die Erdgas-Mengen, die in den unterirdischen Speicher nach Dötlingen und wieder hinaus in die Heizkessel Norddeutschlands fließen, kaum schlucken könnten, zumindest wenn man diese paar Meter mit den metallisch blitzenden Rohr-Kilometern auf dem Gelände vergleicht.
29.01.2010, 17:01 Uhr
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Von Andreas D. Becker

Dötlingen. Die Verbindung zur Außenwelt wirkt geradezu winzig. Die Rohre, die sich nur kurz aus der Erde biegen und dann schnell wieder im Boden verschwinden, sind zwar dick, und mächtige Muttern und Nieten sind nötig, um die einzelnen Teile zusammenzuhalten. Aber sie sehen so aus, als wenn sie die Erdgas-Mengen, die in den unterirdischen Speicher nach Dötlingen und wieder hinaus in die Heizkessel Norddeutschlands fließen, kaum schlucken könnten, zumindest wenn man diese paar Meter mit den metallisch blitzenden Rohr-Kilometern auf dem Gelände vergleicht.

Aber natürlich reicht die Verbindung zur Außenwelt aus, locker sogar, sie ist wahrscheinlich so gut wie nie ausgelastet. Dabei geht es täglich um riesige Mengen Erdgas auf dem von hohen Bäumen eingerahmten Betriebsgelände der Exxon Mobil. Nur die fünf Schornsteine verraten, das sich so versteckt in der ländlichen Idylle Industrie befindet. Der Energiekonzern beschreibt es in einer Informationsbroschüre so: 'Mitten in Niedersachsen betreiben wir einen der größten und leistungsstärksten Porenspeicher der Welt.'

Strengste Sicherheitsvorschriften

Michael Wiedemeyer ist der Herr über die niedersächsischen Exxon-Erdgasspeicher. Wenn er sein Büro verlässt, um zu erklären, wo das Gas durch welche Rohre hinfließt, muss er sich umziehen und ein Gerät, das wie ein Handy aus den 1990er Jahren aussieht, umhängen. 'Das ist ein Gaspersonenwarner', erklärt der Chef. 'Wenn der Sauerstoffgehalt zu gering oder Methan in der Luft ist, schlägt er an.'

Sicherheit wird bei Exxon Mobil groß geschrieben, alle Vorschriften werden sauber eingehalten, schludern gibt es nicht, auch wenn für Besucher eine Schutzbrille und ein Sicherheitshelm ausreichen. Aber weil sie so penibel auf Sicherheit achten, passiert auch kaum etwas, die Unfallbilanz für die 37 Mitarbeiter in Dötlingen dürfte auf dem gleichen Niveau wie die eines Großraumbüros liegen. Und auch technisch kann nichts passieren, rund um die Uhr achtet ein Dispatcher darauf, dass die Maschinen sicher arbeiten.

Zehn Flachbildmonitore stehen allein auf der linken Seite des riesigen U-förmigen Schreibtisches im Kontrollzentrum, solche Kulissen sieht man sonst nur in Kinofilmen. Karl-Heinz Büttner hat die Bildschirme immer im Blick, alle paar Minuten tauchen neue Zahlenreihen auf. Auch er trägt ein Gerät am Körper, einen Totmannwarner. Bewegt sich Büttner fünf Minuten nicht, schlägt das Gerät Alarm. Es piept so schrill, dass die Dispatcher auch sofort wach werden, wenn sie mal in der Nachtschicht einnicken sollten.

Wenn etwas passiert, reagieren die Dispatcher sofort, allerspätestens 30 Minuten nachdem der Computer Daten, die auf einen Störfall hindeuten, ausgespuckt hat, sind die Exxon-Notfallteams vor Ort, in Dötlingen oder auch beim Erdgasspeicher in Uelsen, der ebenfalls aus dem Landkreis Oldenburg kontrolliert wird. Wenn Feuer ausbricht, ist keine riesige Explosion zu befürchten. Und eigentlich kann es gar nicht passieren, dass sich das Gas entzündet. Wegen des hohen Drucks, der in den Pipelines herrscht, befindet sich kein zündfähiges Gemisch in den Rohren. Wiedemeyer erzählt das, marschiert an geschwungenen Rohren vorbei und zeigt schließlich auf die fünf Schornsteine - die Verdichter.

Drei kleine Häuschen stehen an diesem einen Ende des Geländes, ein Wirrwarr aus Versorgungsleitungen führt in die Gebäude und wieder heraus. Um das Gas in die Erde in den Speicher zu drücken, braucht man Wucht und Kraft. Und die bekommt man, wenn das Gas mit viel Druck zusammengepresst wird. 'Das geschieht mit Turbinen', erklärt Wiedemeyer. Riesige Triebwerke, wie man sie sonst nur an sehr große Flugzeuge hängt, stehen in separaten Räumen, an der Wand hängt ein Schild, 'Doppelten Gehörschutz benutzen, 104 db' steht drauf. Wenn im Sommer Gas eingelagert wird, laufen sie auf Hochtouren und machen richtig Krach, es ist ungefähr so laut, als würde man seinen Kopf bei einem Metallica-Konzert direkt in eine Box halten. 'Aber draußen hört man kaum etwas, es dürfen maximal 45 Dezibel sein', sagt Wiedemeyer. Umweltschutz und Rücksicht auf die Nachbarn schreiben das vor. Das Gasgeschäft ist ein leises.

Seit 1983 wird tief unter dem hübschen Dörfchen Dötlingen Erdgas eingelagert. Fast drei Kilometer reichen die Röhren von 15 Bohrungen bis in eine Buntsandsteinschicht, die hat die optimale Zusammensetzung, um darin Gas aufzubewahren. 'Früher haben wir hier Erdgas gefördert', erklärt Hans-Hermann Nack, Unternehmenssprecher von Exxon. Irgendwann Ende der 50er Jahre wurde das Vorkommen gefunden, die Enttäuschung war groß. 'Damals wurde überall im Land nach Erdöl gesucht, Erdgas war noch uninteressant.' In Westdeutschland machte Erdgas an der Nutzung von Primärenergie zu der Zeit nur einen klitzekleinen Teil aus, im Grunde lief alles mit Öl. Das änderte sich langsam aber sicher seit Ende der 60er Jahre. Bis Ende der 1970er Jahre wurde das Feld in Dötlingen ausgefördert.

Damals fing man in Deutschland auch an, über Versorgungssicherheit nachzudenken. Was, wenn die Bundesrepublik aus welchen Gründen auch immer kein Erdgas bekommen kann? Also fing man an, Gas zu speichern. Was auch wirtschaftlich sinnvoll ist, schließlich wird das meiste Erdgas im Winter benötigt. Doch nur in den kalten Monaten viel zu fördern, im Sommer dagegen deutlich weniger, bringt nichts, abgesehen davon wäre das auch unwirtschaftlich. Also wird das ganze Jahr über Gas aus dem Boden geholt, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden lang. Im Sommer legen die Dötlinger den Wintervorrat an. 'In diesem Sommer haben wir 300 Millionen Kubikmeter mehr als sonst eingelagert', sagt Wiedemeyer.

Eine Lehre aus dem vergangenen Winter. Damals stritten sich der russische Gasriese Gazprom und die Ukraine über nicht bezahlte Rechnungen. Die Russen stellten, weil die Ukrainer nicht zahlten und trotzdem Gas aus der Pipeline, die durch ihr Land führt, abzapften, die Lieferung komplett ein. Durch die Medien geisterten damals Horrorszenarien, ob es nun auch in Deutschland kalt werde. Nack und Wiedemeyer schmunzeln über solche Episoden. Sie wissen, dass es in Deutschland nicht so schnell kalt wird.

Genug Vorräte für ein Jahr

'Wir halten allein schon über zwei Milliarden Kubikmeter vor', sagt Wiedemeyer. Genug, um rund 800000 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. In ganz Deutschland sind in den unterirdischen Speichern rund 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas eingelagert, es muss also schon viel passieren, bevor Deutschland friert.

'Außerdem wurde es ja oft so dargestellt, als wenn wir in Sachen Erdgas komplett von Russland abhängig seien', sagt Nack. Was auch übertrieben sei. Zwar bezieht Deutschland rund 37 Prozent seines Erdgases aus Russland, aber es gibt noch andere Lieferanten, zum Beispiel Norwegen, die Niederlande oder auch - Deutschland. '15 Prozent unseres Bedarfs produzieren wir selbst.' Und fast alles kommt aus Niedersachsen. Sogar auf der Weltkarte der Erdgas exportierenden Länder taucht Niedersachsen auf, jährlich werden zwischen Harz und Nordsee 16 Milliarden Kubikmeter des fossilen Brennstoffs gefördert, aber nur zehn Milliarden davon werden für den Eigenbedarf benötigt.

Der Rest geht in andere Bundesländer - oder eben unter die Erde. 20 Meter ist die speichernde Buntsandsteinschicht nur dick, aber sie erstreckt sich über ein Gebiet von rund neun Quadratkilometer Fläche. Von unten schwappt Grundwasser gegen den Stein, was ein Problem wäre. Das Gas soll nicht feucht werden. 'Deswegen haben wir auch sogenanntes Kissengas eingelagert', sagt Wiedemeyer. Wegen des Drucks, den das Gas erzeugt, dringt das Wasser nicht in den porösen steinernen Tresor ein. Immerhin lagert dort ein wichtiger Rohstoff im momentanen Wert von ungefähr 300 Millionen Euro. Würde Exxon Dötlingen schließen und auch das Kissengas aus dem Boden saugen, könnte noch einmal Gas für 150 Millionen Euro in die Pipelines gepumpt werden, in die kurzen, grün lackierten Rohre, die nur kurz aus dem Boden herausschauen und dann wieder unter der Erde verschwinden.

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