Hans Kämper: Also die Teilnahme am viertägigen Musikfestival in Caherciveen, ein kleines Städtchen im Südwesten von Kerry, war schon etwas Besonderes. Allein die Atmosphäre: Den Saal dort hatte eine Firma aus Cork, die auf die Ausstattung von Venues (Veranstaltungsorte) spezialisiert ist, aufwändig als Jazz-Club inszeniert. Aber eigentlich war jeder Abend ein Erlebnis, weil das Publikum der Musik gegenüber sehr offen und zugänglich war. Das ist aber auch nicht erstaunlich für uns, weil wir bereits zuvor zweimal durch Irland getourt sind. Irgendwie hat es sich herumgesprochen, dass wir ganz ordentlich spielen können. Alle vier Konzerte, davon ein privates und drei offizielle, waren ausverkauft.
Irland verbinden ja viele Menschen mit Irish Folk. Ist Jazz dort denn präsent?Absolut! Das Cork International Jazz-Festival, das seit 50 Jahren besteht, ist eines der größten und bekanntesten in Europa.
Wollten Sie schon immer Musiker werden oder gab es auch andere Berufswünsche?Musiker zu werden, war schon als Kind mein Traum. Ich habe früh angefangen, Gitarre zu spielen und war in Schülerbands aktiv. Später bin ich in einem Militärorchester in Bremen gelandet, in der Stadt hängengeblieben und habe hier auch Musik studiert.
Sie haben klassische Gitarre gelernt und sind später zur Posaune gewechselt. Was fasziniert Sie an diesem Instrument?Eigentlich sind Gitarre und Posaune eine Weile immer so ein bisschen parallel gelaufen. Aber die Posaune ist mein Hauptinstrument. Mich fasziniert daran, dass sie so vielfältig ist, dass sie sowohl in der Klassik, also in der historisch-barocken „Alten Musik“, bis hin zum Jazz und in der „Neuen Musik“ eine besondere Rolle spielt. Sie bietet einfach unwahrscheinlich viele Möglichkeiten, verschiedene Klänge zu produzieren, auch im experimentellen Bereich.
Und wie sind Sie zum Jazz gekommen?In der Schule am Niederrhein habe ich mit einem Freund in einer Beatband gespielt. Und der hat sich für Jazz interessiert und mich sozusagen angesteckt.
Welche musikalischen Vorbilder haben Sie inspiriert?Als Posaunist natürlich die amerikanischen Jazz-Posaunisten, etwa J. J. Johnson, und in Deutschland zum Beispiel Albert Mangelsdorff, mit dem ich ja auch schon zusammen spielen konnte.
Die stilistische Bandbreite des Jazz ist von Dixieland bis Free Jazz weit gefasst. Wo ordnen Sie sich persönlich ein?Im zeitgenössischen Jazz. In diesem Bereich ist immer wieder neue Musik erfunden worden. Das Charakteristische am Jazz ist ohnehin, dass es eine sehr lebendige Musikgattung ist. Als Jazzmusiker fühlt man sich verpflichtet, die Musik voranzubringen und Kompositionen zu schreiben, die es vorher noch nicht gab.
Wenn Sie Jazz mit einem Gefühl gleichsetzen müssten – welches wäre es?Freiheit! Basierend auf der Improvisation und Interaktion der Musiker. Mit Jazz verbinde ich aber auch Toleranz, und dass andere Menschen akzeptiert werden. Für Jazz-Musiker ist das typisch.
Sie waren jahrzehntelang als Dozent tätig. Wie haben Sie ihren Schülern den Spirit des Jazz nahe gebracht?Schüler, die darauf angesprungen sind, habe ich versucht, früh in verschiedene Jazzcombos oder auch in Big Bands wie die Jazz Invaders zu vermitteln – damit sie live und mit anderen zusammen spielen können. Dass das ganz gut geklappt hat, belegen einige prominente Beispiele wie Christoph Knoche, Oliver Poppe oder auch mein Sohn Erik Konertz.
Vor 30 Jahren haben Sie das Jazzfest Delmenhorst ins Leben gerufen. Hätten Sie damals gedacht, dass das Festival so lange hält?Ja, weil der Spirit dieser Musik so enorm und nach wie vor en vogue ist. In Bremen hat sich mittlerweile ja auch die Messe „Jazzahead“ etabliert, und in Oldenburg ist die Jazzszene ebenfalls sehr lebendig. Schön finde ich, dass das Konzept des Jazzfestes bis heute das gleiche geblieben ist, nämlich Jazz-Musikern des zeitgenössischen Jazz eine Plattform zu geben. Dadurch wird Jazz eben auch bekannt. Gerade in den 1990er-Jahren hatten wir sehr viele renommierte Künstler wie Klaus Doldinger, John Scofield, Jan Garbarek, Dave Holland oder die NDR Big Band.
Wenn Sie jetzt noch einmal das Delmenhorster Jazzfest organisieren dürften und Geld würde keine Rolle spielen: Wen würden Sie holen und warum?Ich würde es im Prinzip genauso machen wie damals. Wir hatten an drei Tagen jeweils drei Bands am Abend sowie Workshops mit großen Stars, die das ganze Wochenende in Delmenhorst waren. Heute würde ich das Festival wahrscheinlich auf noch viel größere Beine stellen. Hätte ich die Wahl, würde ich den amerikanischen Saxofonisten Joshua Redman nach Delmenhorst holen. Mir fallen da aber auch noch viele weitere Leute ein: etwa der französische Jazz-Gitarrist Nguyên Lê oder andere Musiker aus der französischen Szene, der Deutsche Joachim Kühn oder das Bundesjugend-Jazzorchester.
Was sind Ihre nächsten musikalischen Projekte?Mit dem Posaunenquartett tb4 habe ich im vergangenen Jahr eine neue eigene Komposition in Hattingen uraufgeführt, und für diese Formation würde ich gerne noch mehr schreiben. Außerdem spiele ich im experimentellen Quartett, dem HCL-Ensemble, bei dem wir regelmäßig Gastmusiker einladen. In Oldenburg geben wir nächstes Jahr fünf Konzerte.
Und außerdem leiten Sie seit über 30 Jahren ja auch noch die Jazz Invaders. Bleibt da noch Zeit für etwas anderes außerhalb der Musik?Ein wenig schon. Wir haben ein kleines Segelboot in Brake und schippern damit am Wochenende gern mal in die Nordsee hinein und wieder zurück. Dafür hätte ich zugegebenermaßen gern etwas mehr Zeit. Außerdem besuchen wir so oft es geht unsere Kinder in Berlin, Aberdeen, Hamburg und München.
Und Ihr Sohn tritt nun in Ihre Fußstapfen?Ja, der macht gerade sein Master-Studium in Hamburg, ist dort im ersten Semester. Ich persönlich finde das fantastisch. Er spielt jetzt auch im Posaunenquartett tb4 mit. Es ist total spannend zu sehen, welche Möglichkeiten die jungen Menschen heute haben. Jazz zu studieren, das ging zu meiner Zeit noch gar nicht. Früher hat man den Zugang durch Workshops und durch entsprechende Platten gefunden. Die erste Hochschule, die Jazz angeboten hat, war übrigens in Graz. Mit aufgebaut hat sie Dieter Glawischnig, der später langjähriger Leiter der NDR Big Band war. Und von dort breitete sich der Geist dann aus. Und jetzt kann man fast an jeder Hochschule in Deutschland Jazz studieren.
Die Fragen stellte Jacqueline Schultz.
Hans Kämper
zählt zu den bekanntesten deutschen Jazz-Posaunisten. 1949 in Kamp-Lintfort geboren, studierte er Musik in Bremen und ist bis heute in zahlreichen Jazz-Formationen aktiv. Als Dozent lehrte er 25 Jahre an der Hochschule für Künste in Bremen sowie über 40 Jahre an der Musikschule Delmenhorst. 1989 hat er das Jazzfest Delmenhorst ins Leben gerufen, dessen künstlerischer Leiter er bis 2007 war. Seit knapp 40 Jahren leitet der Huder die Big Band Jazz Invaders.
Jazz Invaders
Die JazzInvaders spielen an diesem Sonnabend, 23. November, um 19.30 Uhr im Delmenhorster Familienzentrum Villa als „Pre-Opening“ des Jazzfests. Der im Interview vorgestellte Hans Kämper gründete das Ensemble 1979 in der Musikschule Delmenhorst. Die Mitglieder werden dabei von Profis und Studenten der regionalen Jazzszene verstärkt. Die stilistische Bandbreite der Jazz Invaders reicht vom frühen Swing über Modern Jazz, Funk, Latin und Jazzrock der 80er-Jahre bis zum zeitgenössischen Jazz. Inzwischen finden die Musiker auch bei Auftritten im Ausland zunehmend Beachtung. Der Eintritt zu dem Konzert ist frei. Das 30. Jazzfest Delmenhorst findet dann am Freitag und Sonnabend, 29. und 30. November, im Kleinen Haus in Delmenhorst statt. Weitere Informationen zum Jazzfest auf Seite 1.