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Nick Köster Vom Schönspieler zum Kämpfer

Der Neuzugang des SV Atlas Delmenhorst überzeugt als Balleroberer, Zweikämpfer und Mittelfeldmotor. In seiner Jugend legte er auf diese Eigenschaften eher weniger wert.
17.11.2017, 16:11 Uhr
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Vom Schönspieler zum Kämpfer
Von Michael Kerzel

Delmenhorst. Nick Kösters Metier ist der Kampf. Die Grätsche liegt ihm näher als der Hackentrick. Wer ihn auf dem Rasen ackern und vorangehen sieht, denkt automatisch an den dafür geprägten Begriff „Aggressiv Leader“. Kaum vorstellbar, dass er in der Jugend Werder Bremens wegen Schönspielerei aussortiert wurde. „Ich bin da zurecht rausgeflogen. Ich habe mehr für mich als fürs Team gespielt“, erinnert sich der 26-Jährige. Seine Trainer damals: Viktor Skripnik und Florian Kohfeldt. „Ich habe bei Werder viel erlebt und gerade taktisch viel gelernt“, berichtet der Oldenburger. Von der U14 bis zur U18 lief er für die Grün-Weißen auf, vor dieser Saison schloss er sich dem Fußball-Oberligisten SV Atlas Delmenhorst an.

Derweil im Stadion an der Düsternortstraße: Es regnet und leichter Wind sorgt dafür, dass sich die vielleicht sieben Grad anfühlen wie drei. Der Stadionboden ist tief, mehr Matsch als Rasen. Einige der Akteure des SV Atlas trotten nach der Teambesprechung vor der Partie gegen die SVG Göttingen aus dem Stadiongebäude in Richtung Spielfläche. Marco Prießner trägt eine Mütze, andere haben ihre Ärmel über die Hände gezogen. Nach einer kurzen Stipvisite kehren sie zurück ins Warme. Es ist ungemütlich draußen. Nick Köster sitzt unweit der Sprecherkabine und schaut nach draußen. Etwas wehmütig. Er fehlt den Blau-Gelben gelbgesperrt. „Das ist genau mein Wetter“, sagt er. Er schaue vor Spieltagen immer in den Wetterbericht. „Und wenn Regen vorhergesagt ist, sitzt nur einer in der Kabine, der sich darüber freut. Und das bin ich“, berichtet er. Seine fußballerische Laufbahn begann Köster bei BW Bümmerstede, für das sein kleinerer Bruder Steve nach wie vor aufläuft. „Klein ist gut. Der ist über 1,90 Meter groß“, entgegnet Nick Köster und lacht. Er selbst misst etwa 15 Zentimeter weniger, was dem Spiel des grätschenden Sechsers, Modell Terrier, zugute kommt. Dass er sich vom egoistischen Dribbler zum mannschaftsdienlichen Mittelfeldmotor wandelte, verdankt er Timo Ehle. Der ehemalige DDR-Oberligaspieler trainierte Köster in der U19 des VfB Oldenburg in der Nach-Werder-Zeit. „Er hat mir ganz klar gesagt, dass es im Herrenfußball nicht reicht, für die Galerie zu spielen. Irgendwann hat es dann bei mir Klick gemacht. Er hat aus mir einen anderen Spieler geformt“, blickt Köster zurück.

Er richtete in dieser Zeit seinen Fokus neu aus: „Mir ging es dann vor allem darum, den Ball zu erobern und nicht mehr darum, den Gegenspieler zu tunneln.“ Seine technischen Qualitäten büßte der 26-Jährige dabei keineswegs ein, noch heute ist er sicher im Passspiel und kann den Ball nach vorne tragen. Ein echter Box-to-Box-Player. „Fußballspielen verlernt man ja nicht“, meint Köster. Kampf und Einsatz gesellten sich lediglich hinzu. Beim SV Atlas ist er bereits in seiner ersten Saison einer der wichtigsten Spieler. Bis zur Partie gegen die SVG Göttingen stand er lediglich vier Minuten nicht auf dem Feld. Er erobert Bälle, presst auch mal in vorderster Reihe und organisiert den Spielaufbau mit. „Es wird von mir aber auch erwartet, dass ich den Ball fordere und auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahre“, sagt er.

Anlaufzeit benötigte er in Delmenhorst keine. Dabei half ihm seine Erfahrung: Auf 78 Partien in der Regionalliga Nord mit mehr als 5700 Einsatzminute bringt er es, ebenso wie auf aktuell 83 Oberliga-Begegungen bei knapp 6500 Minuten. In der Saison 2011/12 durfte er in der ersten Runde des DFB-Pokals für den VfB Oldenburg 90 Minuten beim knappen 1:2 gegen den Hamburger SV ran.

Von Oldenburg ging es über den SSV Jeddeloh und den BV Cloppenburg an die Delme. „Ich kannte Jürgen Hahn aus meiner VfB-Zeit. Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, beim Atlas-Projekt mitzumachen“, erinnert sich Köster. Die Delmestädter gehörten zu diesem Zeitpunkt zwar zur Spitzengruppe, der Oberliga-Aufstieg war jedoch noch nicht absehbar. „Ich habe mir zwei Spiele vor Ort angeschaut und wäre auch in die Landesliga gegangen“, sagt Köster. Die Stimmung im Stadion. Der Kultstatus des Vereins. Gute Gründe für den Oldenburger, sich den Blau-Gelben anzuschließen. „Sowas findet man im Nordwesten eigentlich nicht. Und es ist familiärer als beim VfB.“ Den Aufstieg erlebte er nicht vor Ort, sondern via Ticker auf dem Handy. „Ich war mit meiner Freundin in Irland auf einem Road-Trip. Alle 15 Minuten habe ich angehalten und geschaut, wie es steht. Als der Aufstieg klar war, bin ich da jubelnd rumgesprungen“, erinnert er sich. Oberliga ist schon schöner als Landesliga. Und Erfolg auf dem Feld geht für Köster über alles. „Ich bin sehr ehrgeizig“, sagt er. Präferiert er eher Ballbesitzfußball à la Guardiola oder das kloppsche Pressing, wenn er Champions League schaut? „Das ist mir egal. Es geht nur darum zu gewinnen. Wie das passiert, spielt keine Rolle“, meint er. Daher sollte man den 26-Jährigen lieber in Ruhe lassen, wenn er nicht erfolgreich war. „Niederlagen hängen mir nach. Auf der Rückfahrt haben es meine Familie oder Freundin dann schwer mit mir. Sie sprechen mich dann lieber nicht an“, berichtet er. Doch schnell richtet er den Blick aufs nächste Spiel. „Das ist das Tolle am Fußball. Man hat direkt die Möglichkeit, Niederlagen wieder wettzumachen“, erklärt er. Leichtathletik sei daher nichts für ihn. Da dauere es schlicht zu lange, bis der nächste Wettkampf naht. In der anstehenden Winterpause muss er auf diesen gleichfalls verzichten. „Ich zocke dann mit Kumpels in der Halle und gehe viel Laufen“, sagt Köster. Mit seinem Laufpartner setzt er auf High Intensity Interval Training (HIIT).

Während der spielfreien Zeit steht für Köster eine berufliche Entscheidung an. Der gelernte Steuerfachangestellte muss lediglich noch eine mündliche Prüfung bestehen, um sein Bachelor-Studium in Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Jura abzuschließen. Eventuell schließt er noch ein Master-Studium an. Doch erst mal kehrt er nach seiner Zwangspause am Sonntag auf den Rasen zurück. Gegen Arminia Hannover wird der Rasen tief, das Wetter ungemütlich sein. Vielleicht regnet es. Nick-Köster-Wetter.

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