Seit 16 Jahren sind die Nachtwanderer in Bremen-Nord unterwegs, um Ansprechpartner für Jugendliche zu sein, die etwa am späten Abend auf dem Weg in die Disco sind. Kerstin Peters-Bindernagel ist von Anfang an dabei. Doch die Situation habe sich „ganz krass verändert“, sagt sie.
Als die Ehrenamtlichen 2004 gestartet sind, sei an den Abenden immer etwas zu tun gewesen, weil viele Jugendliche unterwegs waren. „Heute ist das anders. Offenbar läuft die Kommunikation über das Handy“, vermutet Peters-Bindernagel. „Dass sich im Stadtgarten weniger Jugendliche aufhalten als früher, ist Tatsache“, nennt Lasse Berger, der die Nachtwanderer in Bremen-Nord gegründet hat, ein Beispiel. „Für uns stellen sich deshalb die Fragen: Wo sind die Jugendlichen und wie erreichen wir sie?“
Als eine Option überlegt die Gruppe, die Linienbusse der BSAG zu begleiten, wenn die Jugendlichen Schulschluss haben und nach Hause fahren. „Zu der Zeit ist immer Unruhe in den Bussen“, hat Lasse Berger festgestellt. „Derzeit sind wir aber noch unschlüssig, ob das gewünscht ist und ob wir da aktiv werden wollen.“ Auch wenn die Nachtwanderer sich dazu entschließen sollten, werde die Hauptaufgabe der Ehrenamtlichen auch weiterhin darin bestehen, in den Abendstunden unterwegs zu sein, betont Berger.
Zu der Idee inspiriert, auch tagsüber in Bussen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, wurden die Ehrenamtlichen von Schulbusbegleitern, die in den niedersächsischen Nachbargemeinden aktiv sind und für einen ruhigen und entspannten Hin- und Rückweg mit dem Schulbus sorgen sollen. Auch wenn die Zeit ihres Einsatzes für die Nachtwanderer neu wäre, die Aufgabe ist es nicht.
Regelmäßig begleiten die Freiwilligen beispielsweise den Nachtbus zur Disco „Arena“ in Ihlpohl. „Wir wirken präventiv und deeskalierend“, erläutert Lasse Berger, der überzeugt ist, dass vor allem dann etwas passiert, wenn keine Erwachsenen in der Nähe sind. Dass zeige sich beispielsweise an den Einbrüchen, die in jüngster Zeit vermehrt von Jugendlichen in der Vegesacker Innenstadt begangen worden seien. „Zwischen Leffers und dem Sedanplatz gibt es keine einzige Kneipe. Dadurch sind zu späterer Stunde auch keine Erwachsenen mehr in der Fußgängerzone, die mal hingucken könnten“, sagt Berger.
Derzeit 17 Freiwillige
Als mögliches Einsatzgebiet für die Begleitung der Linienbusse nennt der gebürtige Schwede den Bereich Alt Marßel. Viele Schüler der Oberschule an der Helsinkistraße nutzten die Buslinie 93. Deshalb können die Nachtwanderer sich vorstellen, dort mitzufahren. „Beim Einsteigen gibt es häufig Gedränge. Dabei werden Schüler auch verletzt“, sagt Nachtwanderin Monika Simon.
Nicht nur dafür brauchen die Nachtwanderer weitere Ehrenamtliche. „Derzeit haben wir 17 Freiwillige. Wenn wir 25 Leute wären, hätten wir mehr Möglichkeiten“, sagt Lasse Berger. Aktuell ist noch Winterpause. In gut einem Monat wollen die Ehrenamtlichen wieder starten. Dann werden sie regelmäßig entweder freitags oder sonnabends unterwegs sein. „Früher waren wir mal freitags und sonnabends aktiv. Da waren wir aber auch noch 40 Nachtwanderer in Bremen-Nord“, so Berger. Die Nachtwanderer haben in den vergangenen Jahren zwar viele Ehrenamtliche verloren; es schließen sich aber auch immer wieder neue Freiwillige der Gruppe an. Erst kürzlich ist Svenja Heer dazugekommen.
„Ich habe online nach Aufgaben gesucht, die man in Bremen-Nord ehrenamtlich machen kann. Der Fokus lag dabei für mich auf Kindern und Jugendlichen“, erzählt sie. Im November sei sie einfach zum Monatstreffen der Nachtwanderer im Dünenwind in der Grohner Düne gegangen und seitdem dabei. Weitere neue Mitstreiter wollen die Nachtwanderer finden, indem sie an den Nordbremer Schulen auf sich aufmerksam machen. „Die nächste Generation Schüler und Eltern soll von uns wissen“, sagt Monika Simon.
Trotz der späten Stunde, zu der die Nachtwanderer unterwegs sind, verspürten sie bei ihren Rundgängen keine Angst, betonen die Ehrenamtlichen. „Wir sind ja nie allein, sondern in der Regel zu viert“, erläutert Berger. Viele Jugendliche seien den Nachtwanderern dankbar für ihr Engagement. „Zu mir haben Jugendliche mal gesagt: Vielen Dank, dass ihr immer für uns da seid. Anschließend habe ich von ihnen ein paar Süßigkeiten bekommen. Das werde ich nie vergessen“, erzählt Gernot Schmidt. Ähnliche Erfahrungen hat auch Marianne Berger gemacht. „Mir haben Jugendliche mal ein Stück von ihrer Pizza abgegeben“, sagt sie. „Kürzlich wurde ich von einer jungen Frau angesprochen, die sich sehr herzlich für unseren Einsatz bedankt hat. Sie sagte, sie habe sich als Jugendliche immer darüber gefreut, wenn wir da waren“, berichtet Kerstin Peters-Bindernagel den anderen Nachtwanderern. Besonders erstaunt seien die Jugendlichen darüber, dass die Nachtwanderer keinen einzigen Cent für ihre Tätigkeit bekommen.
Dass die Jugendlichen so positiv auf sie reagierten, liege daran, dass sie in ihrem Alltag häufig mit meckernden Erwachsenen konfrontiert seien. „Wir hingegen begegnen ihnen freundlich und führen ebenso freundliche Gespräche mit ihnen, und das honorieren die Jugendlichen“, sagt Lasse Berger. „Wir nehmen den Jugendlichen ihren Alkohol zum Beispiel nicht weg. Wir weisen sie nur auf die Gefahren hin.“ Monika Simon betont: „Wir sind nicht die Erziehungsberechtigten. Wir wollen nur, dass die Jugendlichen gut durch die Nacht kommen.“
Weitere Informationen
Weitere Informationen zu den Nordbremer Nachtwanderern gibt es auf der Internetseite der Initiative unter www.nachtwanderer.info sowie telefonisch unter 01 76 / 56 99 67 45.