Die Siedler Germaniens waren kurz vor der Varusschlacht wohlmöglich besser organisiert, als bislang gedacht. Das legt die Ausgrabung am Bohlenweg im Aschener Moor bei Diepholz nahe. Fazit: Der vier
Kilometer lange Verbindungsweg wurde in nur drei Jahren verlegt. Die Wissenschaftler wollen die verbliebenen Reste nun dauerhaft konservieren und haben zudem bereits neue archäologische Fundstellen im Visier.
Seit Frühjahr 2011 waren Grabungsleiter Alf Metzler vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und seine Kollegen am Bohlenweg „P 6“ im Aschener Moor beschäftigt. Mit modernsten Methoden haben sie seither 25 Meter dieser Verbindungsroute durch den Moorgürtel in der Nähe des Dümmers freigelegt. Zwar war der Weg selbst bereits seit 1817 bekannt, aber bislang nur in Teilen grob erschlossen.
Die neuerliche Mühe hat sich gelohnt, wie die Archäologen berichten. „Wir konnten nachweisen, dass die Erlen für diesen Verbindungsweg in den Jahren 49 bis 47 vor Christus geschlagen wurden“, sagt Metzler. Es müsse ein gravierendes Ereignis gewesen sein, das die Siedler zu dieser Kraftanstrengung trieb. Schließlich deutet nichts darauf hin, dass der Weg später genutzt oder ausgebessert wurde, obgleich er einen 40 Kilometer langen Umweg um das Moorgebiet abkürzte. Metzler spekuliert auf einen Kriegszug, bei dem ein Heer unerwartet durch das als unzugänglich geltende Moor anrückte und seinen Überraschungsvorteil nutzte.
Leider wissen die Archäologen nicht, was sich an beiden Enden des Bohlenwegs befand. Der intensive Ackerbau hat längst alle Siedlungsspuren unlesbar gemacht. Umso wichtiger war die genaue Aufnahme der erhaltenen Funde. Nur im Sommerhalbjahr konnte dazu im Moor sauber gear-
beitet werden. Dabei wurde der Moorboden zunächst mit dem Bagger abgetragen. Die letzten 20 Zentimeter hoben anschließend Arbeiter mit Spaten und kleinen Schaufeln aus.
Neben technischen Zeichnungen des 2,70 Meter breiten Weges wurden die Funde auch mit Lasertechnik gescannt, mit Messpunkten versehen und von einer unbemannten Drohne aus der Luft fotografiert. Danach folgte die genaue fotografische Aufnahme für den Holzkatalog. „Aus Beilspuren können wir etwa die Breite der verwandten Beile ablesen oder ermitteln, wie der Baum gefällt wurde“, erklärt Metzler. An Beifunden kam neben einem Torfspaten und einigen Lederfragmenten, deren Alter bislang nicht klar ist, auch ein 80 Zentimeter langer Messstab ans Licht. Der steckte mitten zwischen zwei Holzbohlen. Bislang glaubte man, mit den Stäben sei die Wegrichtung markiert worden. Nun zeigt sich: Für diesen Zweck waren die Markierungen viel zu klein. „Da tappen wir noch im Dunkeln“, sagt Grabungsleiter Metzler.
Insgesamt konnte die seit 25 Jahren vom Landesamt betriebene Moorarchäologie aber ein weites Fenster in die Vergangenheit öffnen. Vor allem die Grabung im Campemoor bei Neuenkirchen-Vörden erweiterte den Zeithorizont der Archäologen erheblich. Der hier gefundene Pfahlweg entstand bereits um 4300 v. Chr. und ist damit der älteste von Menschen angelegte Verkehrsweg der Welt. „Damals, in der Mittelsteinzeit, waren die Menschen noch Jäger und Sammler. Wir hätten ihnen eine solche komplexe Bauleistung eigentlich nicht zugetraut“, sagtMetzler. In der Folgezeit habe offenbar großer Bedarf bestanden, den Moorgürtel zwischen dem Hügelland und der fruchtbaren Norddeutschen Tiefebene zu überbrücken.
Mit seinem Fisch-, Wild- und Vogelreichtum und frischem Trinkwasser war der dahinter liegende Dümmer ein attraktiver Siedlungsraum. Mehr als 100 Siedlungsplätze von der Jungsteinzeit bis zur Bronzezeit sind in der Region bekannt. Wenn die Naturschutzstation Dümmer im kommenden Jahr in der Nähe des Sees Nebenarme der Hunte anlegen will, um Insekten und Brutvögel zu fördern, wollen vorher die Archäologen nach weiteren Spuren suchen. Metzler sagt: „Wir wissen von jungsteinzeitlichen Siedlungen aus dem 3. Jahrtausend vor Christus, die wir einmal angegraben haben.“ Die Relikte sollen gesichert werden, bevor in die Landschaft eingegriffen wird.
Auch im Aschener Moor besteht noch Handlungsbedarf. 950 Meter des Bohlenwegs „P 6“ liegen noch im Torf. Derzeit ist der Abbau in dem Gebiet vorsorglich gestoppt. Alf Metzler würde die Überreste gerne mit einer Spundwand vor dem Austrocknen schützen. Sollten die Finanzierung des aufwendigen Projektes und ein Ausgleich mit den Abbaufirmen scheitern, müssten die Wissenschaftler sonst auch den Rest des Wegs in absehbarer Zeit freilegen und konservieren.