Immobilien auf den Ostfriesischen Inseln sind inzwischen so teuer, dass Einheimische die Erbschaftssteuer nicht mehr aufbringen können. Wenn ein einfaches Einfamilienhaus schon mehr als eine Million Euro wert ist, hilft auch ein Freibetrag von 400.000 Euro nicht. „Die Kinder haben keine Wahl. Sie müssen verkaufen und ziehen aufs Festland“, erklärt Matthias Piszczan, Spiekeroogs Bürgermeister. Noch nie waren Immobilien auf den Ostfriesischen Inseln so teuer wie heute.
Der Wohnraum für Einheimische und Saisonarbeitskräfte ist inzwischen so knapp, dass der Bürgermeister auch schon mal zu ungewöhnlichen Mitteln greift: Wegen drohender Obdachlosigkeit quartierte Matthias Piszczan im Frühjahr Küchen- und Servicepersonal vom Restaurantschiff im Spiekerooger Hafen kurzerhand für sechs Monate im leer stehenden Künstlerhaus Spiekeroog ein. Länger darf eine Beschlagnahmung nicht dauern. Dass es überhaupt soweit kam, zeigt, wie dramatisch die Lage ist.
Noch fehlt das Betreiber-Konzept
„Natürlich ist das keine Lösung, aber ohne die Zwangsmaßnahme hätte der Gastronomiebetrieb mangels Personal schließen müssen“, erklärt der Bürgermeister. Das Künstlerhaus, das dem früheren Bremer Reeder Niels Stolberg gehörte, hat inzwischen einen neuen Eigentümer. Die Gemeinde hofft, dass dort Dauerwohnungen entstehen. Noch aber hat der Betreiber kein neues Konzept vorgelegt.
Der Personalmangel indes betrifft vor allem tideabhängige Inseln wie Spiekeroog. Dort können die Saisonkräfte nicht morgens zur Arbeit auf die Insel pendeln und zum Feierabend wieder aufs Festland zurückkehren wie beispielsweise auf Norderney. Stattdessen bestimmen Ebbe und Flut das Leben und die Fährzeiten. „Was aber nützt das hübsche Ferienhaus auf der Insel, wenn am Ende niemand mehr da ist, der den Service übernimmt?“ fragt denn auch Niedersachsens Sozial- und Bauministerin Cornelia Rundt (SPD).
Mietpreisbremse verpufft
Eindringlich hatten die Bürgermeister der Inselgemeinden an das Land Niedersachsen appelliert, zumindest für eine Mietpreisbremse zu sorgen. „Zehn Euro pro Quadratmeter Kaltmiete ist noch günstig auf Spiekeroog“, erzählt der Bürgermeister. Inzwischen hat der Landtag die Mietpreisbremse beschlossen. „Jetzt kommen bei jedem Mieterwechsel 15 Prozent drauf“, so Piszczan. „Das hat nichts gebracht.“ Dabei hatte Ministerin Rundt doch versprochen, dass sie nicht länger tatenlos zusehen will, wie die Insulaner verdrängt werden.
Tatsächlich hat Niedersachsen sich denn auch im Bundesrat für eine Änderung des Baugesetzes engagiert, um die Umwandlung von Inselimmobilien in Zweitwohnungen zu unterbinden. So können die Inseln nun mit Bebauungsplänen verhindern, dass Geistersiedlungen entstehen, die nur in der Ferienzeit belebt sind. Erst vor Kurzem bestätigte das Oberverwaltungsgericht in Leipzig eine entsprechende Praxis der Stadt Norderney. Geklagt hatte ein Investor gegen eine Auflage, wonach er nicht nur Ferienwohnungen auf seinem Grundstück bauen darf, sondern auch Dauerwohnungen anbieten muss.
Die Quadratmeterpreise sind hoch - und werden wohl noch steigen
Ferienwohnungen auf den Inseln sind angesichts der Niedrigzinspolitik eine begehrte Kapitalanlage. So schreibt ein großer Makler in seinem Immobilienmarktbericht 2017: „Aufgrund des vielerorts eingeschränkten Angebots an Ferienwohnungen und der zugleich steigenden Nachfrage geht Engel & Völkers davon aus, dass in den sehr guten Lagen der genannten Regionen auch künftig die Preise steigen.“ Dabei liegt der Quadratmeterpreis für eine Eigentumswohnung in guter Lage auf Norderney bereits bei 11.500 Euro, auf Juist bei 9500 Euro, auf Spiekeroog bei 7000 Euro, auf Wangerooge bei 6500 Euro, auf Langeoog bei 6000 Euro, auf Borkum bei 5800 Euro und auf Baltrum bei 4200 Euro.
Für Ein- und Zweifamilienhäuser „in guter Lage“ zahlen Interessenten auf Norderney bis zu 2,1 Millionen Euro, auf Juist 1,8 Millionen Euro, auf Langeoog und Spiekeroog 1,3 Millionen Euro, auf Borkum 890.000 Euro, auf Baltrum 590.000 Euro und auf Wangerooge 530.000 Euro. Es geht natürlich auch teurer „in sehr guter Lage“. Der Höchstpreis auf Norderney liegt aktuell bei fünf Millionen Euro. Immobilienmakler sprechen denn auch von einem „Liebhaberpreis“.
Neubauten indes sind auf den Inseln nicht leicht zu realisieren. Zum einen sind Baugrundstücke mitten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer rar. Zum anderen sind die Baukosten nach Angaben der Gemeinde Spiekeroog doppelt so hoch wie auf dem Festland, weil jeder einzelne Ziegelstein mit der Fähre auf die Insel gebracht werden muss. Der Bürgermeister meint: „Wir können die Preisschraube nicht zurückdrehen, aber wir können das Baurecht nutzen.“ Niemand sei an Rolllädensiedlungen interessiert, meint Matthias Piszczan, und schließt die Urlauber ausdrücklich mit ein.