Landkreis Osterholz. Die Osterholzer Kreisverwaltung schiebt in Holste und Axstedt das Verfahren zum Erlass einer Naturschutzverordnung für das Gebiet Billerbeck und Oldendorfer Bach an. Zeit wird‘s, denn von den 5750 Hektar FFH-Gebiet, die bis Ende 2018 EU-konform hätten gesichert werden müssen, haben noch immer 1585 Hektar nicht den vorgegebenen Schutzstatus. Darin sind die Niederungen von Billerbeck und Oldendorfer Bach mit 304 Hektar enthalten, für die nun ein Verordnungsentwurf vorliegt. Der Kreistagsausschuss für Umweltplanung und Bauwesen entschied nun mehrheitlich, die Vorschriften im Januar in die Trägerbeteiligung zu geben und öffentlich auszulegen.
Sie betreffen ein 336 Hektar großes Gebiet im Norden des Landkreises; jenseits der Kreisgrenze hat der Kreis Cuxhaven seine Hausaufgabe bereits gemacht und 114 Hektar rechtskräftig unter Schutz gestellt. Wie Johannes Kleine-Büning vom Naturschutzamt darlegt, gingen die Cuxhavener in Randbereichen um 21 Prozent über die FFH-Zone hinaus. Osterholz wolle ringsum elf Prozent mehr schützen als Brüssel es als absolutes Minum vorschreibt. Das habe naturschutzfachliche Gründe und auch damit zu tun, dass ringsum zumindest vorläufig kein Landschaftsschutzgebiet als Puffer eingeplant ist.
„Man muss bedenken, dass der Landschaftsrahmenplan hier insgesamt viel größere Schutzbereiche vorsieht“, erklärte Kleine-Büning und ließ zum Vergleich die Gebietskarten nebeneinander an die Wand projizieren. Der Landkreis habe etwa ein Amphibiengewässer im Gebiet der Landesforsten einbezogen, obwohl es knapp außerhalb der FFH-Zone liegt. Es wäre aber ohnehin durch das Bundesnaturschutzgesetz ein geschütztes Biotop, und auch die Kompensationsflächen von Bremenports dienten erklärtermaßen keinem anderen Zweck als dem Naturschutz, so der Amtsleiter.
Kreistagsbeschluss im Sommer 2020
Im nächsten Frühjahr wolle die Kreisverwaltung den Politikern sogenannte Abwägungsvorschläge zu den bis dahin gesammelten Bedenken und Anregungen machen. Läuft alles nach Plan, kann der Kreistag den Entwurf im Sommer kommenden Jahres beschließen und die Verordnung noch 2020 in Kraft treten. Der Verzicht auf (mildere) Landschaftsschutzbestimmungen ringsum habe vor allem mit drängenden Fristen zu tun, erklärte Dezernent Dominik Vinbruck.
Bei der Abstimmung über das Papier enthielt sich die Linksfraktion der Stimme; AfD und Grüne stimmten mit Nein, doch nur die Grünen erklärten, warum. Ihre Abgeordnete Dörte Gedat monierte, das Verwaltungspapier erlaube größere Mengen Stickstoff-Dünger und eine relativ frühe Grünland-Mahd, was brütende Wiesenvögel empfindlich stören könnte. Analog zu vergleichbaren Verordnungen werde auch der Einsatz des Pflanzengifts Glyphosat nicht kategorisch ausgeschlossen. Wenn Neophyten wie dem Japanischen Springkraut oder dem Riesen-Bärenklau mechanisch nicht beizukommen ist, kann die Behörde auf Antrag den Glyphosat-Einsatz ausnahmsweise erlauben.
„Glyphosat hat in Schutzgebieten nichts zu suchen“, sprang der Linken-Abgeordnete Reinhard Seekamp der Grünen zur Seite, die erklärt hatte: „Das geht zu weit.“ Das Bundeskabinett habe bereits beschlossen, das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel ab Ende 2023 komplett zu verbieten. Ihr Änderungsantrag fand mit vier zu sechs Stimmen keine Mehrheit. Mit zwei zu acht Stimmen scheiterte auch der zweite Antrag auf Verlegung des frühestmöglichen Mahd-Termins vom 5. auf den 15. Juni; es gab jeweils eine Enthaltung. Vergebens hatte Gedat betont, der Landkreis Cuxhaven verbiete für seinen FFH-Bereich sogar eine Mahd vor dem 30. Juni.
Die Biologin Jutta Kemmer, die als Sprecherin der Naturschutzverbände dem Ausschuss ohne Stimmrecht angehört, warb dafür, im Süden des Geltungsbereichs auch zwei weitere Biotop- und Kompensationsflächen aus dem Eggestedter Sandabbau der Firma Siedenburg einzubeziehen. Auch solle das Aufstellen von Bienenkörben unter behördlichem Zustimmungsvorbehalt stehen, so Kemmer. Honigbienen drohten Wildbienen sonst zu verdrängen. Die Verwaltung will die Anregungen bis zum Kreisausschuss am Mittwoch prüfen lassen.
Mit zwei zu neun Stimmen wurde drittens auch die Herabsetzung des Mengenlimits für die Erhaltungsdüngung von 120 auf 80 Kilogramm je Hektar abgelehnt. Dominik Vinbruck räumte ein, die Menge werde in der Praxis kaum erreicht und nicht zuletzt auch durch das jüngst verschärfte Düngerecht verhindert. Auch geringere Mengen seien demnach ja nicht einfach freigegeben, so Kleine-Büning. Es gehe aber auch um eine Gleichbehandlung.
Jutta Kemmer widersprach energisch: Selbstredend müssten auf Geestflächen andere Obergrenzen gelten als in Moorgebieten, doch Dezernent Vinbruck blieb eisern: „Die Verordnung soll nicht nur dem reinen Naturschutz dienen, sondern sie soll auch für die Menschen vor Ort umsetzbar und im Kreistag mehrheitsfähig sein.“ Einer fachlichen Prüfung werde der Entwurf dennoch standhalten, so Vinbruck selbstbewusst.
Torsten Wischhusen (CDU) erklärte, er halte schärfere Auflagen für vollkommen überflüssig. Er warne davor, den Landwirten fehlendes Augenmaß beim Einsatz von Mähwerk, Herbizid oder Mineraldünger zu unterstellen. „Das tut niemand“, erwiderte Seekamp. „Wir gehen aber doch alle davon aus, dass Glyphosat in wenigen Jahren ohnehin verboten sein wird.“