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Differenzierte und überzeugende Matthäuspassion in der Christuskirche mit Bremer Domchor, Concerto Bremen und starkem Solistenensemble Stille und innige Deutung von Leiden und Erlösung

Harpstedt. Eine äußerst differenzierte und überzeugende Interpretation der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach erlebte das Publikum am Gründonnerstag in der Christuskirche. Mit Sybille Schaible und Angela Postweiler, Sopran, Ruth Sandhoff, Alt, Michael Connaire, Evangelist, Jan Hübner, Tenor, Carsten Krüger, Jesusworte, und Florian Günther, Bass, stand ein starkes und ungewöhnlich ausgewogenes Solistenensemble zur Verfügung, das mit dem Concerto Bremen und dem Bremer Domchor -beide zweigeteilt - und einem etwa 20-köpfigen Kinderchor unter der Leitung von Tobias Gravenhorst vorzüglich harmonierte.
23.04.2011, 05:00 Uhr
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Von Hartmut Griem

Harpstedt. Eine äußerst differenzierte und überzeugende Interpretation der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach erlebte das Publikum am Gründonnerstag in der Christuskirche. Mit Sybille Schaible und Angela Postweiler, Sopran, Ruth Sandhoff, Alt, Michael Connaire, Evangelist, Jan Hübner, Tenor, Carsten Krüger, Jesusworte, und Florian Günther, Bass, stand ein starkes und ungewöhnlich ausgewogenes Solistenensemble zur Verfügung, das mit dem Concerto Bremen und dem Bremer Domchor -beide zweigeteilt - und einem etwa 20-köpfigen Kinderchor unter der Leitung von Tobias Gravenhorst vorzüglich harmonierte.

Bachs Matthäuspassion, 1727 als Höhepunkt einer mehrjährigen Kompositionssequenz entstanden, ist mit ihrer großen Besetzung und einer Dauer von knapp drei Stunden das bis dahin größte kirchenmusikalische Werk und hat diesen Ruf seitdem kaum eingebüßt. Tobias Gravenhorst gab dem ausgesprochen dramatischen Text des Matthäusevangeliums seine dramatischen Akzente nur an den wirklich dazu berufenen Stellen ("Barrabam!", "Lass ihn kreuzigen", "Sind Blitze und Donner"), betonte aber überwiegend eher die zarten, nachdenklichen, besinnlichen, teilweise lyrischen Teile.

Das Vokalensemble folgte dieser Linie überzeugend. Die Rezitative vor allem des besonders geforderten Evangelisten waren glänzend artikuliert, das Geschehen dramaturgisch je nach textgegebenem Bedarf vorantreibend oder verzögernd, in einer großen Spannweite der auszudrückenden Affekte bis hin in einzelne Wörter wie "klagen" oder "leidet", aber auch in Phrasen wie "dass sich der Landpfleger sehr verwunderte" oder "aber Jesus schwieg stille", dass die Verwunderung oder die Stille fast spürbar auf die Zuhörer übergingen.

Die Arien, überwiegend nur mit Soloinstrumenten- und Continuobegleitung sehr kammermusikalisch gestaltet, folgten dem Muster der stillen, innigen, dramatische Effekte nie überzeichnenden Deutung. Dabei gelangen Florian Günther mit der konzertanten Solovioline von Annika Schmidt im "Gebt mir meinen Jesum wieder", oder Sybille Schaible mit dem nur von Flöte und Oboe begleiteten und in die beiden "Lass ihn kreuzigen" kontrasthaltig eingebetteten "Aus Liebe" sehr gültige Interpretationen, ebenso wie die von Frauke Hess' wunderbarer Gambe begleitete Bassarie "Geduld" . Ausgesprochen spannungsvoll bei allen Solisten die Gestaltung der häufig vorkommenden langgezogenen Töne.

Sehr gut war auch die Qualität der beiden sehr komplett besetzten Orchester, vor allem auch die starke Bassbesetzung. Sie gab zum Beispiel dem Legato in der Begleitung der Christusworte einen eindrucksvoll unterstreichenden Akzent.

Einen besonderen Reiz, gerade im Zusammenspiel bei den Arien, hatten die beiden unterschiedlich besetzten Continuogruppen: Laute, Violone, Fagott und Orgel die eine, Cembalo, Kontrabass, Fagott die andere, wahlweise jeweils mit Violoncello und Viola da Gamba. Sie mischten sich sehr harmonisch mit den Solostimmen und den Soloinstrumenten und setzten immer wieder sehr ausdrucksvolle Bassakzente.

Ausdruck bis in alle Einzelheiten

Der Chor, inzwischen mit vielen neuen, auch jüngeren Gesichtern, war präsent und stark in den Turbachören, die ihre Wirkung ohnehin erzielen, aber mit großem Ausdruck bis in alle Einzelheiten in den sanfteren, stilleren Teilen. Die Verwunderung des erstaunt erkennenden Hauptmanns und der Kriegsknecht im "Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen" wurde zum Greifen nahe. Und das unhysterisch, dafür aber bedeutungsvoll apodiktisch gesungene "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder" ging wohl so manchem unter die Haut.

Die Choräle wurden in jedem Zeilenteil sorgfältig gestaltet, im Zweifelsfall wurde immer der Besinnlichkeit gegenüber der Dramatik der Vorzug gegeben, was die Gesamtaufführung prägte. Eingangs- und Schlusschor wurden gerade mit den vielen Wiederholteilen höchst abwechslungsreich musiziert. Ein kompositorischer Höhepunkt, die Choralfantasie "O Mensch, bewein dein Sünde groß", wurde wie ein einziger großer Bogen gestaltet mit genauer Plastizität der polyphonen Stimmen unter dem Cantus firmus.

Das Publikum in der gefüllten Kirche verharrte am Schluss wohl eine halbe Minute lang in absolut gebannter Stille.

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