Noch ist er gar nicht angefallen. Aber schon jetzt sorgt der künftige Bauschutt aus dem vor einem Jahr begonnenen Abriss des Atomkraftwerks Esenshamm an der Unterweser kräftig für Ärger. Vorgesehen für die Entsorgung von „freigemessenen“ Setzsteinen, Wandbeschichtungen, Kabeln, Isoliermaterial, Rohren und Behältern aus dem Kontrollbereich des Reaktors ist die Deponie Käseburg in der Nachbarstadt Brake. Dieser Abladeplatz sei aber für die geschätzt 7000 Tonnen Abfall viel zu klein, liege zu nah an Wohnhäusern und könne die Radioaktivität nicht sicher einschließen, warnt die örtliche Bürgerinitiative „Atommülldeponie“.
Preussen Elektra, Betreiber des 2011 stillgelegten Meilers mit dem offiziellen Namen Kernkraftwerk Unterweser (KKU), weist die Bedenken zurück. Die Deponie sei „grundsätzlich geeignet“. Die mögliche Strahlenbelastung von unter zehn Mikrosievert nach erfolgter Freimessung sei geringer als bei einem Flug von Frankfurt nach Mallorca oder dem Genuss einer Paranuss, heißt es in den ausführlichen Internet-Informationen zum Rückbau der Anlage. Ein von dem Unternehmen beauftragtes Ingenieurbüro aus Aachen bescheinigt Käseburg jetzt offenbar die notwendigen Voraussetzungen nach der Strahlenschutzverordnung. Doch weder die BI noch der Braker Landtagsabgeordnete Dragos Pancescu konnten diese für das niedersächsische Umweltministerium bestimmten „Nachweisunterlagen“ bislang einsehen.
Richter haben Eilantrag abgewiesen
„Wir laufen überall gegen Wände. Es rückt keiner die wesentlichen Informationen raus“, beklagt „Atommülldeponie“-Sprecher Harry Grotheer im Gespräch mit dem WESER-KURIER eine Geheimniskrämerei des Ministeriums und des Landkreises Wesermarsch. Man wolle wohl unangenehme Wahrheiten bis nach der Europawahl zurückhalten.
Die BI hat die Kommune als verantwortlichen Entsorgungsträger beim Verwaltungsgericht Oldenburg auf Beantwortung diverser Fragen sowie Herausgabe des Gutachten verklagt. Den dazugehörigen Eilantrag haben die Richter allerdings schon abgewiesen. Man sehe sich durch diese Entscheidung bestätigt, erklärt Landkreis-Sprecher Martin Bolte. „Die Fragen der Bürgerinitiative wurden umfassend beantwortet. Das Gutachten zur Geeignetheit der Deponie liegt dem Landkreis nicht vor.“
Das Ressort von Umweltminister Olaf Lies (SPD) verweist darauf, dass die im Dezember 2018 vorgelegten Nachweisunterlagen des Ingenieurbüros erst noch vom Ministerium und von hinzugezogenen Sachverständigen des TÜV Nord geprüft werden müssten. Erst danach könne man entscheiden, ob die Deponie Käseburg die Möglichkeit zur Beseitigung des Bauschutts aus Esenshamm biete. Einer Einsichtnahme in die Papiere stehe aber schon jetzt nichts entgegen.
Grünen-Parlamentarier Pancescu kritisiert dagegen, dass das Ministerium ihm die vollständige Vorlage des Gutachtens wegen Bedenken des Ingenieur-Büros verweigere. Die Firma hatte mit Urheberschutz, Betriebsgeheimnissen und Datenschutz ihrer Mitarbeiter argumentiert. Daher könne man nur der Weitergabe einer weitgehend geschwärzten Version oder einer Einsichtnahme ohne die Möglichkeit, zu kopieren oder fotografieren zustimmen. Es sei befremdlich, dass ausgerechnet das Unternehmen selbst entscheide, ob einem Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz stattgegeben werde, kontert Pancescu. Der Abgeordnete beharrt auf sein Auskunftsrecht. Mit einer Anonymisierung der Mitarbeiter-Daten sei er selbstverständlich einverstanden.
Die 7000 Tonnen Bauschutt sind nur ein Teil des Problems. Anwohner haben vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen den ihrer Ansicht nach riskanten Rückbau insgesamt eingelegt. Offen ist zudem die Entsorgung der angebrannten Brennstäbe, die sich derzeit in einem Zwischenlager auf dem KKU-Gelände befinden und auf das noch zu suchende Endlager für hoch radioaktiven Atommüll warten. Für die schwach- und mittelradioaktiven Bauteile des Reaktors wird derzeit auf dem Gelände ein weiteres Zwischenlager errichtet. Diese Abfälle sollen später einmal im Schacht Konrad in Salzgitter verschwinden.