Von den Goldenen Zwanzigern bis in die 1970er-Jahre hinein machten sich Bremerinnen und Bremer fein für ihren Wassersport. Ob beim Segeln, Rudern oder Kanufahren – Pinne und Paddel lagen damals in den Händen auffällig modisch gekleideter Sportlerinnen und Sportler. „Mit Stöckelschuh und Krawatte im Paddelboot“, heißt deshalb auch der neue Bildband, den die Kanusportlerin Inge Voigt-Köhler gemeinsam mit dem ehemaligen Landesfilmarchiv-Chef, Diethelm Knauf, herausgegeben hat. Der promovierte Historiker und die gelernte Mathematikerin haben über 1500 Aufnahmen des Bremer Kanu-Club gesichtet und aus knapp 250 Abbildungen ein Buch gebunden.

Der Bremer Kanu-Club trifft sich 1937 zum Anpaddeln in Höftdeich. Die Kleiderordnung scheint sich im Vergleich zu älteren Aufnahmen gelockert zu haben, zeigt Inge Voigt-Köhler.
Die historischen Aufnahmen des Vereins sind handverlesen und kostbar. Dass aus ihnen ein Buch wird, war den beiden Autoren eine Herzensangelegenheit. „Da steckt ganz viel drin – Kleidung, Geschichte. Noch heute sind viele Orte und Plätze an der Wümme bekannte Wassersport-Oasen, der Campingplatz Waakhausen und Strände am Weserufer gehören dazu“, berichtet die Autorin. Diethelm Knauf freut sich darüber, dass die „historischen Fotos im Buch gebührend in Szene gesetzt werden und so auch zukünftig als Quelle zugeordnet werden können.“ Die Fotos dienten so als Rekonstruktionsmittel von Geschichte.

Sommer in Dammsiel. Große Boote machen am Anleger fest, kleinere finden neben Tischen und Stühlen im lauschigen Biergarten einen Platz. Die Aufnahme wurde vermutlich 1931 gemacht.
Knauf gibt ein Beispiel: Kanu-Polo wurde nach 1920 Trendsport. Damals wurden die Spiele im heutigen Stadion-Bad neben dem Weserstadion präsentiert. Hamburger Sportler stellten den Mannschaftssport in Bremen vor. „Das war hier bis dahin wohl noch gar nicht bekannt“, berichtet Inge Voigt-Köhler während sie durch den frisch gedruckten Bildband blättert. Um 1900 wurde Sport zu einem Massenphänomen, erklärt Diethelm Knauf. Werder wurde 1899 gegründet, es gibt den Ruderverein von 1882, und den Segelclub Bockland von 1913. Viele Menschen zog es raus aus der engen Stadt auf Wasser. „Das sind die kleinen Fluchten. Touren in die Gewässer der Umgebung waren auch gut für Zweisamkeit, die sonst nicht möglich war“, so Inge Voigt-Köhler.

Vom Garten des Gasthauses Dammsiel blicken Besucher 1931 auf die Wümme.
Die Aufnahmen sind in Schwarz-Weiß, die Geschichten bunt und vielfältig. Gezeltet wird in Schlips und Kragen, die Damen tragen feinen Zwirn. „Die Menschen haben ihren Sport so wertgeschätzt, dass sie sich dafür förmlich in Schale geschmissen haben“, kommentiert Diethelm Knauf die historischen Aufnahmen.
Auf ihren Touren auf Wümme und Hamme begegneten Kanuten und Ruderer in den 1920er-Jahren häufig mit Brennstoff beladenen Torfkähnen. Mehrere Tage brauchten die Boote vom Teufelsmoor bis nach Findorff. Während heute kaum noch auf der Hamme gesegelt wird, nutzten die Mitglieder des Segelclubs Blockland (SCB) die Hamme als Revier. Die Blocklander Seglerinnen und Segler pachteten kurz nach ihrer Gründung ein Stück Land an der Hamme, oberhalb der Schleuse. Später wurde aus der Bootsliegestelle der Wassersportverein Ritterhuder Ulen.

Sommerfest 1931: Frauen spielen Schiffeversenken im Wasser und versuchen den Canadier der Freundinnen zum Kentern zu bringen.
Seit 2018 hält Inge Voigt-Köhler Vorträge zu den Bildern. Währenddessen entstand das Konzept für das Buch. „Der Bildband steckt voller Geschichte. Welche Rolle hatten Frauen? 1943 haben die Wassersportler noch Meisterschaften gefeiert, während die Bomben fielen. Welchen Stellenwert hatte der Wassersport im Krieg?“ All das werde auf knapp 200 Seiten thematisiert. Gut ein halbes Jahr habe sie an der Dokumentation geschrieben, berichtet Voigt-Köhler. Stets den Rat von Diethelm Knauf im Ohr. „Beim Schreiben immer vom Bild ausgehen.“
Weitere Informationen
Der Bildband „Mit Stöckelschuh und Krawatte im Paddelboot“ ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-8378-1058-5) oder direkt beim Verlag: Edition Temmen, Hohenlohestraße 21, in Bremen sowie über info@edition-temmen.de.