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Interview mit Dieter Baumann Baumann: "Große Freude daran, langsam zu laufen"

Delmenhorst. Olympiasieger Dieter Baumann spricht im Interview über den Burginsellauf, Erinnerungen an seinen Olympiasieg und Witze über Zahnpasta.
19.06.2014, 00:00 Uhr
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Der Anruf kam gerade noch rechtzeitig: Dieter Baumann wollte eigentlich zu seinem täglichen Lauf aufbrechen, doch nahm sich vorher Zeit für ein Interview.

Am Sonnabend ist der Olympiasieger von 1992 der Stargast beim 24-Stunden-Burginsellauf in der Delmenhorster Graft und gibt den Startschuss. Im Gespräch mit Christoph Bähr äußerte der 49-Jährige seinen Respekt für die Teilnehmer an der Veranstaltung. Außerdem sprach Baumann über die Faszination des Laufens und seine zweite Karriere als Kabarettist.

Herr Baumann, Sie laufen beim Burginsellauf im Team der Lebenshilfe Delmenhorst/Landkreis Oldenburg mit. Ist da auch sportlicher Ehrgeiz dabei?

Dieter Baumann: Für manche Menschen ist es ja schon sportlicher Ehrgeiz, überhaupt zu laufen. Insofern ist da natürlich Ehrgeiz dabei, weil ich laufe, aber eben nicht mehr schnell.

Sie starten in Delmenhorst beim dreistündigen Teamlauf. Im Hauptrennen sind die Läufer 24 Stunden lang unterwegs. Können Sie sich auch vorstellen, einen ganzen Tag lang nur zu laufen?

Ich bin ein Verrückter, aber so verrückt bin ich nicht. 100 Kilometer bin ich einmal gelaufen in Biel – 9 Stunden und 45 Minuten. Das ist auch schon verrückt.

Am Ende hat so etwas sicherlich viel mit Quälerei zu tun oder hat man auf den letzten Kilometern noch Spaß?

Da macht es nur noch Spaß. Das muss man sich einreden, sonst bleibt man gleich stehen. Das machen die alle, auch am Wochenende beim Burginsellauf. Da können Sie jeden Einzelnen fragen. Egal, wie gequält die Menschen aussehen, die sagen immer: Es macht Spaß.

Wie kommt das? Was ist so toll am Laufen?

Laufen ist uns allen in die Wiege gelegt worden. Unser Körper ist zum Laufen gebaut. Deshalb fällt es uns auch relativ leicht. Jeder kann laufen. Es kommt nur darauf an wie schnell. Wenn man das richtige Tempo wählt – eben sehr langsam, sodass es einem gut geht –, kann das jeder, und es ist auch sehr gesund. Laufen spricht das Herz-Kreislauf-System an, Stresshormone werden abgebaut, Fett wird verbrannt. Außerdem braucht man dazu nur ein Paar Schuhe, und das war’s. Das macht das Laufen so populär.

Wie ist es bei Ihnen heute? Sind Sie vom Leistungssportler zum Freizeitläufer geworden?

Ja klar, ist das eine Überraschung? Aber ein Läufer ist ein Läufer. Ich bin ein Lebensläufer. Ohne das Laufen geht es nicht. Ich laufe fast jeden Tag. Das ist für mich ein Wohlfühl-Programm. Ich sage immer: „Das Laufen gönne ich mir.“ Natürlich bin ich in dem Sinne jetzt ein Freizeitläufer. Nur weil ich irgendwann mal zufällig schnell gelaufen bin, muss das ja nicht lebenslänglich so sein. Ich habe große Freude daran, langsam zu laufen. Bitte erwartet nicht mehr, dass ich irgendeinen schnellen Schritt mache. Diese Zeit ist vorbei.

1992 in Barcelona waren Sie erstaunlich schnell, als Sie im Schlussspurt die Goldmedaille über 5000 Meter gewannen. Der Fernsehkommentar dazu ist inzwischen legendär. Wie oft schauen Sie sich diese Bilder noch an?

Ich habe diesen Kommentar in mein altes Kabarett-Programm eingebaut. Dieter Adler und Gerd Rubenbauer haben damit Fernsehgeschichte geschrieben. Ich musste es mir oft anhören und kann es auswendig. Die Bilder, so wie ich sie erlebt habe, sind aber nicht mehr präsent. Das Video ist ja ein Fremdbild. Da denke ich mir immer: Was ist das für’n Typ, der da läuft? Wenn ich überlege, wie es wirklich war, kommen immer weniger Bilder in mein Bewusstsein. Da muss ich schon tief kramen.

Sie haben gerade schon angesprochen, dass Sie mittlerweile auch mit einem Kabarett-Programm auftreten. Wie wird ein Lauf-Olympiasieger zum Kabarettisten?

Ach, das hat sich so ergeben. Ich bin da reingewachsen. Das war ein langer Prozess. Mein erstes Stück ist fünf Jahre alt. Davor habe ich drei Jahre lang rumprobiert. Ich trete nicht wie die Profis 200 Mal im Jahr auf. Mein Limit liegt bei 50 Auftritten pro Jahr. Mit meinem aktuellen Programm „Die Götter und Olympia“war ich übrigens auch in Bremen im Schnürschuhtheater, mit großem Erfolg. Diese Kleinkunstszene gefällt mir sehr. Wir sprechen hier nicht von großen Hallen. Nein, ich will nicht mehr ins Olympiastadion, da komme ich ja her. 100 bis 150 Zuschauer sind meine Kragenweite. Das ist ein ganz heimeliges Gefühl, und das genieße ich sehr.

Auf der Bühne machen Sie auch Witze über die „Zahnpasta-Affäre“. 1999 galten Sie nach einem positiven Test zunächst als Dopingsünder, doch das verbotene Mittel Nandrolon wurde Ihnen unwissentlich über die Zahnpasta verabreicht. Heute können Sie das mit Humor sehen?

Das ist ja schon eine Weile her. Für mich ist das vorbei. Ich wurde mal gefragt, wie oft ich den Witz noch machen will. Da habe ich geantwortet: Ich bringe den so lange, bis die Medien mich nicht mehr danach fragen. Im Grunde spricht mich keiner mehr darauf an, nur Journalisten. Sie müssen das abarbeiten. Sonst kommt von den Kollegen der Vorwurf: „Du hast ihn nicht danach gefragt?“ Insofern begleitet mich die Zahnpasta jetzt lebenslänglich. Es ist ein Medienthema, und ich bin darin gefangen. Das muss man mit Humor sehen, anders kann man es gar nicht ertragen.

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