„Dann hast du wenigstens etwas zum Wegschmeißen, wenn ich nicht mehr lebe“, erwiderte Adolf Weigelt einst seiner Frau, die sich wieder einmal bei ihm beschwerte, weil sich im Keller ihres Hauses in Aumund die Medaillen für die vielen Erfolge im Laufsport stapelten. Doch es kam anders als gedacht: Seine Frau Margret verstarb im Jahre 2014 einen Tag vor dem 54. Hochzeitstag. Deshalb bleiben die Medaillen erst einmal unangetastet.
Mit seinen 76 Jahren gehört Adolf Weigelt stets zu den ältesten Teilnehmern der diversen Lauf-Wettbewerbe in der Region. Noch immer nimmt der Nordbremer an 30 bis 35 Veranstaltungen im Jahr teil. Auch an Weihnachten (Buntentor) und Silvester (Fahrenhorst) ist Weigelt stets im Einsatz. Dass er mal eine Lauf-Karriere starten würde, deutete sich zunächst nicht einmal im Ansatz an. „Bei der Bundeswehr habe ich nicht einmal die fünf Kilometer geschafft, weil meine Schienbeine wehtaten“, informiert der Rentner. Im Alter von 32 Jahren begann er dann eine Laufbahn als Freizeit-Fußballer in Aumund. „Wir haben uns jahrelang jeden Sonntag um 9 Uhr auf dem Bolzplatz getroffen“, so Weigelt.
1978 ging es los
Sechs Jahre später nervten ihn die ständigen Pöbeleien seiner Kameraden. „Mir wurde immer gesagt, dass ich mal schneller laufen solle“, berichtet der Aumunder. Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht gerade schlank. „Als ich meine Bundeswehr-Zeit beendete, wog ich 108 Kilogramm. Als Schiffbauer war ich das Arbeiten gewohnt. Deshalb habe ich als Sanitäter bei der Bundeswehr auch kräftig zugenommen“, sagt Weigelt. Auch als späterer Sanitäter beim Bremer Vulkan nahm er nicht nennenswert ab. Im Alter von 38 Jahren hängte er dann seine Fußball-Stiefel an den Nagel und tat sich mit Jürgen Wenk zum Laufen zusammen. Im Jahre 1978 meldete sich das Duo zum ersten Wettbewerb über die 10 000 Meter beim Volkslauf am Burgwall an.
Nachdem beide das Ziel erreicht hatten, setzten sie ihre Lauf-Karriere fort. Aus Adolf Weigelt wurde sogar ein Marathon-Läufer. Er legte die Distanz von 42,195 Kilometern bei Wettbewerben insgesamt 72 Mal zurück. Als er den Marathon in Daverden in 3:09 Stunden absolvierte, habe ihn Uwe Osterloh von der LG Bremen-Nord angesprochen, um mit ihm im Verein daran zu arbeiten, die Drei-Stunden-Marke zu durchbrechen. Doch Weigelt lehnte ab.
„Ich habe damals im Drei-Schichten-System gearbeitet. Deswegen wollte ich keinem Verein beitreten“, lässt der Hansestädter wissen. Während Osterloh kurze Zeit später eine neue Bestzeit von 2:56 Stunden aufstellte, blieb Weigelt immer bei etwa 3:10 Stunden kleben.
Am Knie operiert
Vor neun Jahren wurde Adolf Weigelt am Knie operiert. Der Arzt riet ihm dazu, seine Marathon-Karriere zu beenden. Daran hielt sich der Nordbremer. Er setzte ein Jahr komplett aus und legte dann den Hamburg-Marathon in 6:01 Stunden als Walker zurück. Bei den Lauf-Veranstaltungen konzentriert er sich seitdem auf die fünf und die zehn Kilometer. Welche der beiden Strecken er in Angriff nimmt, hängt auch davon ab, wofür sich sein ein Jahr älterer Freund Hans Presch von der LG Bremen-Nord entscheidet. „Jeder läuft seinen eigenen Lauf, damit wir beide Erste werden. Das machen wir nicht aus Neid, sondern wegen unserer Freundschaft“, betont Weigelt. Zwölf Jahre beteiligte sich dieser unter anderem mit Hans Presch freiwillig am Arbeitsdienst der LG Bremen-Nord auf der Finnbahn im Waldpark „Im Löh“. „Adolf hat sehr viel für die LG Bremen-Nord getan. Immer wenn es etwas zu tun gab, war er da“, lobt Hans Presch seinen Freund und Konkurrenten. Im Jahre 1994 ging Adolf Weigelt nach 40,5 Jahren beim Vulkan in den Vorruhestand. Angesichts der Firmenpleite zwei Jahre später war dies mit Sicherheit nicht die schlechteste Entscheidung seines Lebens. Langeweile kam bei Weigelt aber nie auf. Neben seinen beiden Trainingsläufen pro Woche über zehn, zwölf oder 15 Kilometer absolviert er auch bereits seit 45 Jahren die Gymnastik der „Mittwochs-Gruppe“ auf dem Sportplatz der SG Aumund-Vegesack am Vegesacker Bahnhof oder im Winter in der Sporthalle der Helgenstraße in Rönnebeck.
„Wenn unser alter Vorturner Rudi Klafft uns heute sehen könnte, würde er uns allen in den Hintern treten, weil wir so langsam geworden sind“, versichert der 76-Jährige. Angesichts eines Altersdurchschnitts von mehr als 60 Jahren befindet sich der Routinier hier aber in bester Gesellschaft.
Jeden Montag um 6.30 Uhr in der Früh gehört Weigelt auch zu den Leuten, die das Freizeitbad in Aumund zum Früh-Schwimmen mit aufschließen. Nach einem Kilometer Brustschwimmen lässt das Mitglied der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) noch vier Bahnen auf dem Rücken folgen, ehe es sich im warmen Sole-Becken entspannt.
Leidenschaftlicher Werder-Fan
Wenn der Allrounder nicht gerade sportlich unterwegs ist, kümmert er sich um seine Parzelle „Im Rahland“ in Vegesack neben der Autobahn oder um die der Nachbarn. Nicht selten klettert er dabei auch noch in den Bäumen herum, um Äste abzuschneiden. Anderen nicht mehr ganz so rüstigen Rentnern entgegne er gerne mal: „Das ist Jungheit, das verwächst sich noch.“ Der leidenschaftliche Fan des Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen sammelte jahrelang alles, was mit seinem Lieblingsverein zu tun hatte, zum Beispiel Bettwäsche, Handtücher und Tassen. Mittlerweile habe sich dies aber ein wenig gelegt, so Weigelt.
Der Rentner ist beim Laufen immer noch schnell unterwegs. Die zehn Kilometer packt er meist noch in unter einer Stunde. Viele jüngere Aktive würden sich ihn zum Vorbild nehmen: „Die sagen dann immer, dass sie in zehn Jahren auch noch laufen wollen. Ich erwidere dann stets, dass sie bestimmt am Ende sogar noch zehn Jahre länger laufen werden als ich.“
Auch wenn sich ab und an das Knie bemerkbar mache, habe er ansonsten keine körperlichen Beschwerden. „Die Kunst ist, sich zu bewegen, ohne dabei den Körper zu belasten“, sagt Weigelt. In die LG Bremen-Nord eintreten wolle er hingegen nicht mehr: „Dazu habe ich mich zu sehr daran gewöhnt, alleine zu laufen.“
Manchmal treffe der Eigenbrötler bei seinen Trainingsläufen aber zufällig im Restaurant „Panda“ (ehemals Köster) auf Hans Presch. Dann tun sich die beiden auch schon mal zusammen. Ein Ende der Lauf-Karriere sei für Adolf Weigelt nicht in Sicht. Ausbremsen könnte ihn höchstens das Computer-Zeitalter.
Stur in Sachen Internet
Bei manchen Veranstaltungen könnten nur noch Anmeldungen über das Internet vorgenommen werden, so Weigelt. Ein Beispiel stelle der Lauf in Oldenburg dar. „Da fahre ich dann aber einfach nicht mehr hin. Ich bitte niemanden, mich über das Internet anzumelden. Da bin ich stur“, erklärt der Haudegen. Selbst möchte sich Weigelt keinen Internetzugang mehr besorgen: „Ein warnendes Beispiel ist mir mein Untermieter. Der sitzt nur noch vor dem Bildschirm, seit er Internet hat.“