Bremen. Irgendwann muss ja mal Schluss sein. Es ist ein rundes halbes Jahr her, da kamen die vier Vorstandsmitglieder des TSV Osterholz-Tenever zu dieser einmütigen Erkenntnis. Im März 2018 wollen alle aufhören, das teilten sie im März 2017 auf der Hauptversammlung ihren Mitgliedern mit – eine verständliche Entscheidung vor allem für die beiden ersten Damen des Vereins: Ute Brunzel führt den Verein dann zehn Jahre, ihre Stellvertreterin Sabine Kruschke kommt auf insgesamt 14 Vorstandsjahre in dem Klub mit zwei Namen. Denn der TSV Osterholz-Tenever heißt immer öfter OT Bremen, das hat sich ohne offizielle Namensänderung so eingebürgert. „Einfacher, plakativer, einprägsamer“, begründet Brunzel diesen allmählichen Wandel zur Kurzform.
In gut einem halben Jahr ist wieder Hauptversammlung, dann soll ein neuer Vorstand gewählt werden. Doch Sachstand heute ist: Ute Brunzel will nicht ausschließen, dass sie – so verlangt es das Vereinsregister – noch ein Vierteljahr kommissarisch weitermachen muss, wenn kein Nachfolger gefunden ist. „Wir sprechen viele an, einige sind auch interessiert. Doch den Hut will noch keiner nehmen“, sagt die Anwältin, die fest entschlossen ist: „Ich habe rund 15 Stunden in der Woche für den Verein geschafft, nun müssen Jüngere ran.“
Immerhin, der Name Brunzel wird bei OT weiterhin eine Rolle spielen. Die 28-jährige Tochter Stephanie Brunzel arbeitet dort seit gut zwei Jahren als Geschäftsführerin, sie wird es bleiben, und das ist auch gut so. „Es war höchste Zeit, dass jemand hauptamtlich die Weichen stellt. Nur ehrenamtlich oder auf 420 Euro-Basis – das ging nicht mehr“, sagt Sabine Kruschke. Denn OT ist ein Großverein in problematischer Region, der seine Probleme dennoch gut im Griff hat.
Osterholz-Tenever gilt als sozialer Brennpunkt, „mehr als die Hälfte unserer Mitglieder hat ausländische Wurzeln“, hat Stephanie Brunzel festgestellt. Das heißt auf der einen, erfreulichen Seite: Über de Hälfte der aktuell 2031 Mitglieder sind Kinder, die im Sportbetrieb anderer Stadtteile drohende Überalterung ist kein Thema. Das heißt aber auch, weniger erfreulich: Das Geld ist knapp. „4000 bis 5000 Euro an ausstehenden Beitragsgeldern haben wir im Schnitt“, sagte Ute Brunzel. 400 Mitglieder legen zudem allmonatlich den Bremen-Pass vor, damit zahlt praktisch das Sozialamt den Beitrag, jedoch nur in Höhe von zehn Euro. Und das langt nicht ganz, denn Erwachsene kosten 14 Euro monatlich, ohne Zusatzbeiträge.
Der Verein beschäftigt in seinen 16 Sparten rund 150 Übungsleiter. „Alle bekommen einen Zuschuss, ganz umsonst arbeitet nur der Vorstand“, sagt Ute Brunzel. Der Etat beläuft sich auf eine knappe halbe Million im Jahr, „Doch wir schreiben keine roten Zahlen“, sagt Sabine Kruschke. Aber bei der Frage nach nennenswertem Vereinseigentum, einer Halle etwa, schütteln alle den Kopf. „Wir mieten so ungefähr alle Hallen, die hier in Osterholz zu bekommen sind“, erzählt die Geschäftsführerin. Das summiert sich auf insgesamt elf Hallen, drei von ihnen sind sogar Dreifeldhallen und damit auch für Handball geeignet.
Derzeit hat OT neun Mannschaften gemeldet, trotz der gescheiterten Fusion mit dem TB Uphusen. Die funktionierte ein Jahr lang, dann trennte man sich wieder. „Es passte einfach nicht“, sagt Ute Brunzel. Dafür reüssiert seit Kurzem eine neue Abteilung: Football. Das ist praktisch ein Ableger der Bremen Firebirds, bei denen sich eine Jugendmannschaft mit 13 Spielern plötzlich nicht mehr wohlfühlte. Sie fragten beim Nachbarn OT an, der beschloss nach kurzer Überlegung die Gründung einer Football-Abteilung. „Und das läuft, in diesem Jahr hat sich die Mitgliederzahl schon verdreifacht“, erzählt Stephanie Brunzel. Die OT-Rebels, so der selbstgewählte Name, haben ihre ersten Vergleiche schon hinter sich.
Sportliches Aushängeschild des Vereins sind jedoch die Boxer. Die Abteilung, vor einem halben Dutzend Jahren gegen etliche Widerstände aus der Bevölkerung von vorwiegend russischen Migranten gegründet, kann inzwischen drei deutsche Meister in verschiedenen Altersklassen präsentieren. Trainer Henrik Ohanyan hat neben seinem Sohn Artur auch Daniel Oelke und David Brzezinski in die deutsche Spitze geführt, es funktioniert bestens. „Amtssprache“ im Training ist allerdings immer noch russisch, damit kommen jedoch auch die nur drei deutschen Mitglieder der Abteilung inzwischen bestens klar.
Auch im Vorstand von OT hat man begriffen, dass zeitgemäße Angebote vonnöten sind, will man am Ball bleiben. So stehen inzwischen auch Sportarten wie Floorball, Triathlon (40 aktive Mitglieder), Ju-Jutsu oder orientalischer Tanz für die vielen Mitglieder aus dem arabischen Raum auf dem Programm und werden angenommen. Während Sparten wie Prellball oder Volleyball Probleme haben. „Da müssen wir uns wohl Gedanken über Spielgemeinschaften machen“, glaubt Sabine Kruschke. Ein eigenes Fitnessstudio, wie es viele andere Großvereine zur Aufbesserung ihrer Finanzen inzwischen aufgebaut haben, gibt es bei OT nicht, ist auch nicht geplant. „Erstens fehlen die Räumlichkeiten. Und zweitens passt es nicht zu unseren Vorstellungen von einem Sportverein“, begründete Ute Brunzel.
Die größte Abteilung im Verein sind wie üblich die Turner. „Turnen“ umfasst eben auch diverse Fitness- und Gesundheitsangebote. Wobei Sabine Kruschke Wert auf die Feststellung legt: „Bei uns wird auch richtig und wettkampfmäßig in der Weser-Elbe-Liga geturnt.“ Ansonsten stehen die Fußballer mit 22 Teams und 400 Mitgliedern an der Spitze. Doch die Zeiten, an denen auf der Anlage in Schevemoor Spitzenfußball gespielt wurde, sind vorbei, die erste Herren kickt derzeit in der Landesliga.
Dafür ist man auf einem anderen Gebiet Spitze und das macht auch ein wenig die Ausrichtung des Vereins deutlich: OT Bremen belegte im vergangenen Jahr mit 454 bestandenen Sportabzeichen-Prüfungen Platz eins in Bremen.