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Poker um die WM-Rechte Diese Erpressung schadet dem Frauenfußball

Die Fifa will mit der Frauen-WM das große Geld machen, aber auch die deutschen TV-Sender spielen da nicht mit. Eine Weltmeisterschaft ohne Fernsehen würde den Frauenfußball zurückwerfen, meint Jean-Julien Beer.
12.05.2023, 05:00 Uhr
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Diese Erpressung schadet dem Frauenfußball
Von Jean-Julien Beer

Man stelle sich vor, es ist Fußball-Weltmeisterschaft – und keiner schaut zu. Genau das droht dem Frauenfußball. Zwei Monate vor Beginn der WM in Australien und Neuseeland weigern sich die deutschen Sender, die Geldforderungen des Fußball-Weltverbandes Fifa für die Übertragungsrechte zu erfüllen. Auch in Italien, Spanien, Frankreich und England sind die Fronten verhärtet

Mit Respektlosigkeit gegenüber dem Frauenfußball hat das drohende WM-Fiasko nichts zu tun. Das Problem ist die Maßlosigkeit der Fifa, die ein schnelleres Wachstum des Frauenfußballs erzwingen will.

Weil Fifa-Boss Gianni Infantino ankündigte, bei der Frauen-WM die Rekordsumme von 150 Millionen Dollar an Prämien ausschütten zu wollen, sollen Sponsoren und Fernsehsender nun entsprechend mehr zahlen. Infantino verlangt „ähnliche Summen vom Fernsehen wie bei den Männern“ – darunter werde man den Frauenfußball nicht mehr verkaufen. Ausgerechnet Infantino spricht sogar von einer „moralischen Verpflichtung“.

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Natürlich ist es ein krasser Unterschied, dass Sender weltweit bis zu 100-mal mehr für die Rechte an WM-Spielen der Männer bieten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Sender bei diesen Turnieren oft auch 100-mal mehr verdienten durch höhere Einschaltquoten und Werbeeinnahmen. In Deutschland stieg das Interesse an Frauen-Länderspielen erst in der jüngeren Vergangenheit – auch deshalb, weil die Spiele der Männer oft gruselig waren. Besonders deutlich zeigte sich das 2022: Das verlorene EM-Finale der deutschen Frauen gegen England war mit knapp 18 Millionen TV-Zuschauern in der ARD die am meisten gesehene Sendung des Jahres – obwohl die Männer im Winter eine WM spielten, bei der sie mal wieder enttäuschten.

Bereits die Frauen-WM 2019 in Frankreich erreichte Rekordeinschaltquoten. Das enorme Interesse in Europa und in Deutschland lag aber auch daran, dass diese Turniere in Frankreich und England ausgetragen wurden und deshalb zur besten Sendezeit liefen. Das ist bei der WM in Australien und Neuseeland anders: Wegen der Zeitverschiebung beginnen viele Spiele am Vormittag unserer Zeit. Hohe Einschaltquoten sind da nicht realistisch. Für die werbefinanzierten Privatsender ist das uninteressant. Und die öffentlich-rechtlichen Sender können die Gebühren nicht auf Wunsch der Fifa verpulvern, auch wenn die deutsche Politik Druck macht, die Spiele zu zeigen.

Doch wie schon bei den Debatten um gleiche Bezahlung von weiblichen und männlichen Fußballprofis helfen populistische Forderungen nicht weiter. ARD und ZDF betonen, dass sie sich beim Kauf von Sportrechten am Marktpreis orientieren – und der könne von den Erwartungen der Rechtevermarkter abweichen. Die Fifa kontert, dass die Angebote den wahren Wert einer Frauen-WM nicht anerkennen. Man liegt mehrere Millionen Euro auseinander.

In der Vergangenheit wurden die Rechte oft im Paket vergeben, die Sender kauften Männer- und Frauen-WM zusammen. Jetzt will die Fifa separat Kasse machen und entfacht einen Machtkampf auf Kosten der Spielerinnen. Denn nichts würde dem zuletzt spürbaren Boom des Frauenfußballs mehr schaden als eine Weltmeisterschaft, die nirgends zu sehen ist.

Es mit Erpressung zu versuchen – wenn ihr nicht zahlt, dürft ihr nichts zeigen – scheint der Fifa zwar nicht fremd zu sein. Doch das ist ein fataler Weg: Der Frauenfußball sollte organisch wachsen, sonst droht die wirtschaftliche Blase zu platzen. Die Zeiten sind zwar lange vorbei, in denen die Nationalspielerinnen als Prämie für einen Titel ein Kaffeeservice erhielten. Die Frauen-Bundesliga vermeldet längst zweistellige Millionenumsätze.

Fakt ist aber weiterhin, dass fast alle Vereine mit dem Frauenfußball ein Minus machen. Die Liga-Chefs sprechen beschwichtigend von einer „Investitionsphase“. Bleibt der ­Rückenwind durch WM-Spiele im Fernsehen aus, dürfte es länger dauern, bis der Frauenfußball profitabel wirtschaften und seine vielerorts rückständige Infrastruktur zum Wohle der Spielerinnen und Zuschauer verbessern kann. Das kann nicht im Sinne der Fifa sein

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