Leroy Sané spricht im Interview über seine berühmten Eltern, seine Probleme in der Schule und seine mögliche Jokerrolle bei der EM.
Herr Sané, wie war die Nacht vor der endgültigen Kadernominierung?
Leroy Sané: Natürlich war ich aufgeregt und habe gehofft und gebangt. Ich habe gedacht, die Nacht soll bloß schnell um gehen. Am Abend davor habe ich ein bisschen ferngesehen und mir auf dem Laptop ein paar Teile von der Musikserie Empire angeschaut.
Sie hatten keine Ahnung, ob Sie dabei sein würden?
Nein. Keine Ahnung. Dienstagmorgen hat mich der Bundestrainer zu sich gerufen in sein Büro. Ich wusste nicht, ob er mir jetzt sagt: „Das war es. Du bist nicht dabei.“ Er hat mir dann gesagt, dass er überzeugt von mir ist und ich dabei bin.
Und Ihre Reaktion? Die Becker-Faust?
So ähnlich. Ich habe mich richtig gefreut und meiner Familie und den engsten Freunden sofort geschrieben. Mein Ziel war ganz klar die Europameisterschaft. Ich wäre riesig enttäuscht gewesen, wenn ich es nicht erreicht hätte.
Neulinge müssen ja eine Rede halten oder etwas singen. Waren Sie schon an der Reihe?
Man muss eine Rede halten. Ich war aber noch nicht dran.
Steht denn das Skript schon?
Nein, ich habe zwar bei anderen mal nachgefragt, was sie so gesagt haben. Ich werde das aber spontan aus dem Kopf heraus machen.
Zählt das Spontane, das nicht zu viele Gedanken machen, zu Ihren Stärken?
Ich denke schon. Gerade im Spiel ist es wichtig, es möglichst schnell abzuhaken, wenn einem mal eine Aktion misslingt. Ich konnte diese Saison völlig ohne Druck spielen. Das hat mir sicher geholfen, aber manchmal sieht man natürlich auch, dass ich noch ziemlich unerfahren bin.
Könnten Sie sich mit der Jokerrolle abfinden, um eine erschöpfte Abwehr dann mit Ihrem Tempo zu knacken?
Ja, ich glaube, dass es eher darauf hinausläuft als auf die Startelf. Wenn der Trainer mich aufstellt oder einwechselt, dann will ich da sein.
Auf welcher Position könnten Sie zum Einsatz kommen?
Am Sonntag gegen die Slowakei habe ich vorne drin im Sturm gespielt. Ich kann aber auch über links oder rechts kommen. Wenn ich mit dem Rücken zum Tor spielen muss, ist das etwas ungewohnt für mich. Aber auch da findet man seine Laufwege in die Tiefe. Joachim Löw hat mich vor dem Slowakei-Spiel gefragt, wie ich mit der Position im Sturm klarkomme. Ich habe ihm gesagt: kein Problem. Auf Schalke habe ich das ja auch schon mal gespielt.
Die jungen Spieler müssen eigentlich immer die Ballnetze und die Getränkekisten tragen. Gilt das auch in der Nationalmannschaft?
Eher weniger. Aber wenn es Aufgaben gibt, packen wir natürlich sofort mit an und helfen. Das ist auch richtig so.
Ihr Vater Souleymane Sané war einer der schnellsten Bundesligaspieler seiner Zeit, Ihre Mutter Regina Weber holte 1984 in Los Angeles Olympia-Bronze in der Rhythmischen Sportgymnastik. Was haben Sie von Ihrem Vater und was von Ihrer Mutter?
Von meinem Vater habe ich ein bisschen Schnelligkeit mitbekommen. Und von meiner Mutter? Bestimmt die Athletik und das Körpergefühl.
Haben Sie sich eigentlich schon mal an Keulen, Reifen, Gymnastikball und Band geübt?
Nee. Niemals. Wenn meine Mutter mich früher mal zu ihren Trainingseinheiten mitgenommen hat, als ich noch richtig klein war, dann habe ich immer nur Fußball gespielt mit den anderen Kids. Und ab und zu habe ich dann auch mal rübergeguckt, was meine Mutter da eigentlich macht.
Stimmt es, dass Ihr Vater nicht besonders streng mit Ihnen war, wenn Sie mal schlechter gespielt haben?
Natürlich haben wir nach den Spielen immer über meine Leistung geredet. Vor allem, als ich älter wurde. Aber als ich noch klein war, hat er sich nie darüber aufgeregt, wenn ich mal gar kein Tor geschossen habe oder einen schlechten Tag hatte. Er hat nie Druck gemacht, dass ich irgendetwas schaffen muss. Im Gegenteil: Er hat mir immer geholfen und viele Tipps gegeben.
Hat Ihr Vater mal über die Zeit beim SC Freiburg an der Seite von Joachim Löw gesprochen?
Wir haben darüber geredet, als ich in die A-Nationalmannschaft berufen wurde. Für ihn war es eine tolle Zeit dort. Joachim Löw und er haben sich auf dem Platz wohl sehr gut verstanden und sehr gut harmoniert.
Sie haben den Realschulabschluss gemacht und dabei die zehnte Klasse wiederholt. Bestimmt Probleme in Mathe, oder?
Ehrlich gesagt: Mathe ging eigentlich, Englisch war eher das Problem, da hat es ein bisschen gehapert. Ich habe dann Nachhilfe genommen, und dann hat es auch hingehauen. Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Schalke 04 ist zum Glück sehr eng. Schule ist wichtig, das war mir immer klar.
Sie haben in Ihrer Jugend erst bei Schalke, dann in Leverkusen und dann wieder bei Schalke gespielt. Was war da los?
Es wurde halt sehr anstrengend mit den langen Fahrten nach Leverkusen und zurück, die Schule hat auch darunter gelitten. Ich wurde zwar jeden Tag direkt nach der Schule abgeholt, aber es dauerte jeden Tag eine Stunde hin und eine Stunde zurück zum Training. Meistens bin ich erst um neun Uhr abends wieder zu Hause gewesen. Das war irgendwann etwas stressig. Also bin ich zurück zu Schalke, weil ich ja auch wusste, dass hier mit Norbert Elgert ein sehr guter Trainer auf mich wartet.
Sie sind ein sehr auffälliger Typ mit Ihren Haaren und aufgrund ihrer Spielweise. Können Sie in Gelsenkirchen ungestört einen Kaffee trinken gehen?
Das geht eigentlich. Na klar erkennen mich viele Leute an meiner Frisur, und manche kommen und bitten um ein gemeinsames Foto oder ein Autogramm. Das mach ich dann auch. Kein Problem.
Sie sind ein verdammt schneller Spieler, aber offenbar auch ein schneller Autofahrer. Im Internet findet man bereits zwei von Ihnen verursachte Unfälle, vor allem beim zweiten auf regennasser Fahrbahn hat es richtig gescheppert. Fahren Sie zu schnell?
Ich sehe schon ein, dass man vorsichtig fahren sollte. Glauben Sie mir: Ich bin kein Raser. Beim zweiten Unfall war es Aquaplaning, ich hatte keine große Chance mehr. Wir hatten Aquaplaning sogar vorher bei einem Fahrtraining mit unserer Mannschaft geübt. Es haben nur zwei Spieler hinbekommen, das Auto in der Spur zu halten. Ich gehörte nicht dazu.
Haben Sie Lehren gezogen?
Na klar, ich fahre jetzt noch vorsichtiger.