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EM: Für Island geht's erst richtig los "Unser bestes Spiel kommt hoffentlich noch"

Nach dem Sieg gegen England ist vor dem Sieg gegen Frankreich? Die Isländer glauben, dass ihre wundersame Reise durch die Fußball-Europameisterschaft noch lange nicht zu Ende ist.
29.06.2016, 00:00 Uhr
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Von Hendrik Buchheister

Nach dem Sieg gegen England ist vor dem Sieg gegen Frankreich? Die Isländer glauben, dass ihre wundersame Reise durch die Fußball-Europameisterschaft noch lange nicht zu Ende ist.

Hu! Hu! Hu! Huhu! Huhuhu! Am Ende eines bemerkenswerten Abends für den isländischen Fußball ließen die Fans noch einmal ihre grimmigen Schreie durch das Stadion von Nizza donnern. Erst in größerem Abstand, dann immer schneller. Dazu klatschten sie in die Hände. Vor der Fankurve hatten sich Islands Nationalspieler aufgebaut, vollbärtig und breitbeinig, und dirigierten die Zeremonie. Zu sehen war die Verschmelzung von Mannschaft und Anhang zu einer Einheit, die schon jetzt einen erstaunlichen Weg durch diese EM genommen hat und sich noch nicht am Ende sieht.

2:1 hatten die Isländer ihr Achtelfinale gegen England gewonnen, es war die größte Sensation der jüngeren Fußballgeschichte. Und wenn es nach ihnen geht, soll es nicht die letzte Sensation bleiben, die sie bei diesem Turnier zu verantworten haben. Im Viertelfinale geht es jetzt gegen Gastgeber Frankreich, gegen die nächste große Fußball-Nation.

Bange ist dem Team vor dem Spiel am Sonntag in Saint-Denis nicht. Im Gegenteil. Die Isländer sind mit dem Sieg gegen England so richtig angekommen bei der EM. „Wenn wir so spielen wie heute, können wir jeden Gegner schlagen. Unser bestes Spiel kommt hoffentlich noch”, sagte Heimir Hallgrímsson, der die Mannschaft zusammen mit Lars Lagerbäck trainiert.

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„Die Franzosen haben noch nicht ihren besten Fußball gespielt. Wir aber auch nicht”, sagte Verteidiger Ragnar Sigurdsson. Er hatte gegen England ein herausragendes Spiel gemacht, auch wegen seines Treffers zum zwischenzeitlichen 1:1.

Die Partie hatte wild begonnen, und sie hatte schlecht begonnen aus Sicht der Isländer. In der vierten Minute traf Wayne Rooney per Elfmeter zur englischen Führung. Es sah aus, als würde das isländische Fußballmärchen an diesem Abend enden. Doch die Antwort kam umgehend. Zwei Minuten später schleuderte Aron Gunnarsson einen Einwurf in den englischen Strafraum, am langem Pfosten war Sigurdsson unbewacht und grätschte den Ball ins Netz. Es war ein Treffer mit Symbolkraft.

Die Isländer sind fußballerisch limitiert, sie sind weder für herausragende Technik bekannt noch für schnelles Kurzpassspiel. Um ihren Gegnern zu schaden, müssen sie sich anderer Werkzeuge bemächtigen, und eines dieser Werkzeuge sind Gunnarssons lange Einwürfe. Schon beim 2:1-Erfolg gegen Österreich war die Mannschaft auf diese Weise zum Torerfolg gekommen. Gegen England klappte es zum zweiten Mal. „Einwürfe sind eine unserer Waffen”, sagte Sigurdsson.

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Es wäre allerdings unfair, die Isländer auf blanke Außenseiter-Methodik zu reduzieren. Die Mannschaft ist nicht nur aufs Verteidigen aus, sie spielt keinen Zerstörer-Fußball und ist nicht abhängig von Standardsituationen oder ihren Einwürfen. Stattdessen trägt sie ihre Angriffe planvoll und durchaus mutig nach vorne.

Gegen England zeigte sie in der Offensive ihre beste Turnierleistung. Vor dem 2:1 durch Kolbeinn Sigthórs­son kombinierten sich die Isländer ansehnlich vor das englische Tor, und gerade in der zweiten Halbzeit hatten sie die klar besseren Chancen. Sie waren dem dritten Treffer näher als England dem Ausgleich. „Ich hatte gar nicht viel zu tun”, kommentierte Verteidiger Sigurdsson mit einem großen Schuss Genugtuung.

Seiner Meinung nach hatten die Engländer das Spiel zu leicht genommen, waren die Aufgabe überheblich angegangen. „Sie dachten, das wird ein Spaziergang”, sagte er. Doch es wurde eine Klettertour, die mit dem Absturz endete.

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Die entscheidende Szene des Spiels war vielleicht gar nicht Sigthórssons Treffer, sondern Sigurdssons 1:1 direkt nach der englischen Führung. Denn es zeigte, dass die Isländer auch nach einem frühen Tiefschlag zurückkommen können. „Der Plan der Engländer war es, uns früh zu schlagen. Sie dachten, das wäre ihnen mit dem Tor gelungen. Aber wir haben direkt geantwortet”, sagte Trainer Hallgrímsson.

Seine Mannschaft zeigte, dass sie nicht einknickt, auch nicht gegen große Nationen, nicht einmal gegen ihre Idole. Der englische Fußball wird in Island verehrt. Abwehrspieler Kári Árnason hatte vor der Partie berichtet, dass er bei großen Turnieren immer für England gewesen sei. Und Hallgrímssons aus Schweden stammender Kollege Lagerbäck nennt Englands Trainer Roy Hodgson als sein Vorbild. Im direkten Duell wurde Hodgson von den Isländern um seinen Job gebracht.

„Das war heute unser bestes Spiel”, sagte auch Hallgrímsson nach dem Sieg gegen England. Dann machte er eine Pause. Und ergänzte: „bisher”. Die Isländer sehen noch Wachstumspotenzial, sie sehen sich noch nicht am Ende ihrer wundersamen Reise durch diese EM. Nach dem Viertelfinale gegen Frankreich würden sie liebend gerne wieder ihre grimmigen Schreie anstimmen. Hu! Hu! Hu!

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