2008 traf die Finanzkrise Island schwer, 2010 legte der isländische Vulkan Eyjafjallajökull den Flugverkehr lahm. Die Fußball-EM beschert Island endlich positive Schlagzeilen - gut für die Seele und die Wirtschaft.
Beim sensationellen Sieg ihrer Nationalmannschaft gegen England schrien 10.000 Isländer im Zentrum Reykjaviks mit ihrem inzwischen weltberühmten Fernsehmoderator Gudmundur Benediktsson um die Wette. Seine Glücksrufe könnten den Stolz der kleinen, von der Finanzkrise 2008 stark gezeichneten Nation nicht besser ausdrücken. „Wir sind wieder da!”, so lautete der doppelte Tenor.
Denn neben dem Fußball läuft es inzwischen auch wirtschaftlich wieder richtig gut für die Insel, dank Fischerei und Tourismus. Letzterer dürfte dank der EM-Erfolge nochmals deutlich zunehmen. Google vermeldete nach dem Spiel am Montag, dass das Wort „Island” seit dem Zusammenbruch des europäischen Flugverkehrs wegen des Vulkans Eyjafjallajökull 2010 nicht mehr so häufig gesucht wurde wie nach dem England-Sieg.
Die isländischen Fans in Frankreich sind bereits eine Legende. Die Isländer, erst 1944 von Dänemark unabhängig geworden, gelten als das wohl patriotischste nordische Volk. Sie lieben ihre abgelegene Insel und alles, was mit ihr zu tun hat, innig. Was Island als Nation passiert, nehmen die Bewohner sehr persönlich. Auch die Nationalspieler. Die lokale Wirtschaft versucht derzeit, davon zu profitieren, und bietet für so ziemlich alle Produkte EM-Sonderangebote an.
Bis zu zehn Prozent der Isländer nahmen bereits zeitweise als Zuschauer an der EM teil, um direkte Zeugen des Fußballwunders zu werden. Bei den Präsidentschaftswahlen am Sonnabend stellte sich da die ernsthafte Frage, wie viele Bürger wegen der EM nicht wählen gehen würden. Zahlreiche Isländer hatten ihre Stimmzettel zudem ungültig gemacht, indem sie Nationaltrainer Lars Lagerbäck auf ihren Stimmzettel schrieben. Der Schwede will nach dieser EM seinen Posten aufgeben und die Mannschaft seinem Kollegen Heimir Hallgrimsson ganz überlassen, sagte er.
Hallgrimsson kam 2013 hinzu und arbeitet derzeit noch nebenbei als Zahnarzt. Eine Vollzeitstelle ist ihm nun aber versprochen worden. Ob Lagerbäck dann vielleicht Präsident werden wolle? „Das wäre interessant, und die Präsidentenresidenz Bessastadir ist ein schönes Haus. Aber das kann ich dem isländischen Volk nicht zumuten”, sagte Lagerbäck. Zu seinem Abgang ausgerechnet jetzt merkte er an: „Das Problem ist, dass ich zu früh geboren wurde. Ich werde nicht jünger, und das viele Reisen strengt an.”
Der 67-Jährige begleitet das Team seit 2011 und wird im Land für die Erfolgsgeschichte verantwortlich gemacht. Offen sagte er, dass seine Spieler besser hätten sein können, aber, dass man sie zur EM so wirksam wie möglich zusammengesetzt habe. Die Engländer hingegen hätten ausgezeichnete Spieler, aber sie hätten sie schlecht zusammengesetzt, analysierte der Trainer. Tatsächlich könnte ein Vorteil sein, dass die isländischen Spieler sich schon fast alle von klein auf kennen. Auf Island gibt es insgesamt nur 21.500 registrierte Fußballspieler.