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Videos aus Delmenhorst Fahrlehrer am Handy: Kritik an Social-Media-Trend

Immer mehr Fahrlehrer sind in sozialen Netzwerken aktiv und teilen Videos – und das auch in Delmenhorst. Warum dies scharf kritisiert wird.
01.05.2024, 17:56 Uhr
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Fahrlehrer am Handy: Kritik an Social-Media-Trend
Von Desiree Bertram

Wer sich durch Videobeiträge in sozialen Netzwerken wie Instagram oder TikTok klickt, wird feststellen, dass dort immer mehr Fahrschulen aktiv sind – und das auch in Delmenhorst. Sie nutzen die Plattformen unter anderem dafür, Informationen über die Fahrausbildung oder über ihre Fahrschule zu teilen. Denn über soziale Medien erreichen sie nicht nur in kurzer Zeit sehr viele Menschen, sondern insbesondere auch junge Nutzer, also potenzielle Kunden. Manch ein Fahrlehrer geht allerdings so weit, Videos während der Fahrstunden mit seinen Schülern aufzunehmen und diese zu veröffentlichen. Dieses Verhalten wird scharf kritisiert.

Erik Hübner übt scharfe Kritik

"Für mich ist das ein ernstzunehmendes Problem", betont Erik Hübner, Inhaber der Delmenhorster Fahrschule Musterschule. Einerseits leide der Ruf aller Fahrschulen unter so einem Fehlverhalten, andererseits können gefährliche Situationen entstehen, sagt Hübner: "Die Schüler werden abgelenkt und die Lehrer erfüllen nicht ihre Aufgabe als Ausbilder." Denn das Ziel der Ausbildung ist laut dem Gesetzgeber die Befähigung zum sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmer. Die Schüler sollen vor allem lernen, vorausschauend zu fahren, ohne sich abzulenken – das Handy während der Fahrt zu bedienen, ist ein No-Go. Dadurch, dass Fahrlehrer während der Übungsstunden aber selbst das Handy bedient, wird suggeriert, dies sei "nicht so schlimm". "Hinzukommt, dass es sogar verboten ist", so Hübner.

Die Videos von Fahrlehrern in ganz Deutschland, die im Netz kursieren, sind verschieden – manche zeigen Ausschnitte während der Fahrt mit Sicht auf die Straße, in anderen singen Fahrlehrer mit ihren Schülern während der Fahrt. Teilweise nutzen sie Halterungen, in denen sich ihr Handy beim Aufnehmen befindet und somit nicht händisch bedient werden muss. Es werden aber auch Beiträge veröffentlicht, für die der jeweilige Fahrlehrer offensichtlich selbst das Gerät in seiner Hand hält und bedient. Beides stößt Hübner übel auf: "Fahrlehrer sollen Verkehrsvorschriften übermitteln und halten sich dann teilweise selbst nicht daran. Das geht nicht und ist alarmierend." Hinzukommt, dass in einigen verbreiteten Videos Fahrschüler vorgeführt werden oder sich Lehrer selbst lächerlich machen.

Ernsthaftigkeit im Straßenverkehr

Einige der Videos wurden bereits Tausende Male geliked und zahlreich geteilt – sie kommen also bei vielen gut an und werden als unterhaltsam wahrgenommen. Das sollte aber laut Hübner aber nicht der Anspruch eines Fahrlehrers sein: "Es geht nicht darum, möglichst lässig zu sein." Stattdessen sei gerade im Straßenverkehr eine gewisse Ernsthaftigkeit angebracht. "Das Gefahrenpotenzial darf nicht unterschätzt werden, so entwickeln sich Fahrstunden in eine gefährliche Richtung", sagt er. Spaß könne man auch haben, wenn man sich an Verkehrsvorschriften hält.

Etwas lockerer sieht das Mario Janßen, Fahrlehrer und Inhaber der Fahrschule Janssen Drive: "Das ist der Geist der Zeit." Er befürwortet das Filmen von Szenarien während Fahrstunden zu Lernzwecken – aber nur, wenn sich das Handy in einer Halterung befindet und nicht während der Fahrt bedient werden muss. So zeige er etwa Prüfungssituationen, um Schüler zu sensibilisieren, erklärt Janßen: "Junge Fahrschüler finden es hilfreich, sich solche Lernvideos in einer entspannten Atmosphäre anzuschauen und zu verinnerlichen." Sobald die Videos Fahrschüler bloßstellen, findet dies Janßen nicht in Ordnung: "Generell ist der Grad zur Albernheit sehr schmal."

Dass Fahrlehrer während Fahrstunden Handys nicht benutzen dürfen, bestätigt Delmenhorsts Polizeisprecher Albert Seegers: "In der Theorie gilt der Fahrlehrer als Fahrzeugführer und demnach gelten für ihn die normalen Vorschriften aus der Straßenverkehrsordnung." In Einzelfällen könne von einer Sanktionierung abgesehen werden. In Hinblick auf die Vorbildfunktion rät Seegers dringend davon ab.

Zur Sache

Weniger Anforderungen für Fahrlehrer

Hübners Fahrschule weist bereits das vierte Jahr in Folge die geringste Durchfallquote in Delmenhorst auf. Das geht aus Auswertungen des TÜVs und der Stadt Delmenhorst hervor. Viele beschweren sich darüber, dass Führerscheinkosten steigen, immer mehr Schüler ihre Prüfungen nicht bestehen und auf den Straßen mehr Unfälle passieren, sagt Hübner: "Ich bin der Meinung, dass die Ursache solcher Entwicklungen bei schlechten Ausbildungen liegt." Einen Zusammenhang sieht Hübner auch darin, welche Anforderungen Menschen heutzutage erfüllen müssen, die selbst als Fahrlehrer arbeiten möchten. "Damals mussten Fahrlehrer selbst jede Klasse vorweisen", erklärt Hübner. Ein Lehrer, der Auto-Fahrstunden anbietet, musste also selbst auch Lkw und Motorrad fahren können. Somit verfügten diejenigen über eine wesentlich größere Expertise, als einige "frischere" Fahrlehrer. Denn seit 2017 wurden die Anforderungen im Fahrlehrergesetz deutlich heruntergeschraubt. So muss ein Fahrlehrer für die Auto-Ausbildung selbst nur noch über einen Auto-Führerschein vorweisen. "Die Generation, die in den Berufsstand wächst, hat eine schlechte Berufsbildung", mahnt Hübner.

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