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Haus Coburg Avantgarde-Musik bleibt in Delmenhorst

Am 13. März eines jeden Jahres soll künfig im Haus Coburg die „neue musik in delmenhorst“ zu erleben sein – und an den verstorbenen Komponisten Hans Joachim Hespos erinnern.
14.03.2023, 14:44 Uhr
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Von Günter Matysiak

Ihn selbst kann man nicht mehr fragen. Er ist am 18. Juli vergangenen Jahres gestorben. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass Hans Joachim Hespos zum Haus Coburg eine nahe Beziehung hatte. Und dass er den Begrüßungsworten Mathilda Felixs, Chefin der Städtischen Galerie Haus Coburg, zustimmen würde, die am Montagabend von einem „ganz besonderen Konzert“ sprach, von einem für Hespos „wichtigen Rahmen“, auch was das Datum, den 13. März angeht.

An diesem Tag, seinem Geburtstag, soll nun alljährlich in Haus Coburg die „neue musik in delmenhorst“ stattfinden, die ihren Anfang 1969 in eben dieser Arztvilla nahm. Und dann, jeweils am 11. November im Kleinen Haus zu hören war – und Delmenhorst bis zum letzten Konzert 2022 zu einem Zentrum der aktuellen Avantgarde-Musik machte. Ab jetzt wird der 13. März der Tag der Neuen Musik in Delmenhorst sein unter der Überschrift „hespos neu Anders“. Das wird stattfinden in räumlich kleinerem Rahmen, der die Größe der auftretenden Ensembles beeinflussen wird, was zwangsläufig auch eine inhaltliche Beschränkung bedeutet. Vielleicht sollte man in Erwägung ziehen, für die Städtische Galerie einen Flügel anzuschaffen, was den stilistischen Rahmen schon beträchtlich erweitern würde.

Enikö Ginzery – Virtuosin am Cimbalom

Am Montag nun war die slovakische Cimbalom-Virtuosin Enikö Ginzery, eine Musikerin der ersten Stunde der "neuen musik in delmenhorst", für die Musik zuständig. Das Cimbalom ist wie das Klavier ein Saiten- und ein Schlaginstrument. Es wird, wie sein Vorläufer, das Hackbrett, mit Schlegeln angeschlagen, die mit Leder, Garn oder Filz umwickelt sind. Davon benutzte Enikö Ginzery für ihre beiden Instrumente – ein historisches, pedal- und beinloses Cimbalom und ein modernes Cimbalom mit Dämpferpedal und auf Beinen stehend – eine den Klang bestimmende Vielzahl.

Sie begann ihr Programm mit sehr alter Musik auf dem historischen Cimbalom, und zwar mit einem aus dem elften Jahrhundert stammenden andalusischen Lied eines anonymen Komponisten. Einem präludierenden Teil folgte ein melodisch gebundener Teil, die beide von rhapsodischer Freiheit geprägt waren. Der Klang des Instruments ist ja durchaus von einem Moment des Ungewöhnlichen, der Neuheit geprägt, was diese „alte Musik“ zu einer durchaus „neuen Musik“ macht. Da war der Schritt zum zweiten Stück des Abends gar nicht so groß, wie man hätte erwarten können. Enikö Ginzery spielte von Hans Joachim Hespos „santur – schnelle, zupfe“ aus dem Jahre 1972. Das Stück ist inspiriert von der archaisch-persischen Musik und, wie vieles beim frühen Hespos, beeinflusst von der frühen Moderne Bergs oder Weberns. Seine Interpretin gab auf dem modernen Cimbalom dieser Musik mit unbegrenzter spieltechnischer Virtuosität ihren klanglichen und melodischen Reichtum.

Neugier auf das Unvorhersehbare

Voller gedanklichem Reichtum war vorher auch die Laudatio des jungen Hespos-Kenners Martin Sturm von der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Er stellte die Fragen nach der Zukunft dieser Neu-Anderen-Musik, nach den Orten, die offen sind für diese Musik, die nie Rückschau ist, sondern nur Neugier auf das Unvorhersehbare. Und das auch in Zeiten von Spotify und seinem Funktionieren des Allbekannten.

Enikö Ginzerys Musik war weiterhin dem „Neu-Anderem“ gewidmet. Das waren dann die Stücke aus György Kurtags „Spiele“, eine Musik, die auch in ihren Momenten der Ausgespartheit leidenschaftlich bleibt und in der ihre Interpretin aus drei Tönen eine große Melodie zu erschaffen vermag. Oder noch einmal Hespos mit seinem „Tambal“, das hier Musik des temperamentvollen Spiels wurde. Als Uraufführung erklang das „Capriccio malinconico – in memoriam – Hans Joachim Hespos“ des anwesenden Erik Janson. Sie zeigte sich als Musik von hoher poetischer Expressivität. In den drei für das Cimbalom bearbeiteten „Minneliedern“ von Guillaume de Machaut, die Enikö Ginzery Erdmute Hespos widmete, wurde das „Alte“ wieder „ganz neu“.

György Kurtags dreiteiliges „Klagelied für einen Freund“ und die Auswahl aus Bela Bartoks „Für Kinder“, das eigentlich für Klavier komponiert wurde, waren für Enikö Ginzery auch Anlass, ihre so hochsensible Virtuosität zu zeigen. Bevor sie quasi als Zugabe noch einmal mit Hespos‘ rasantem „Tambal“ brillierte, gab Erdmute Hespos ihrer Vorfreude Ausdruck auf einen „11.11. in kleiner Form“ – am 13. März im Haus Coburg. Man habe da „einige Pläne“. Matilda Felix lud dann das für das Haus Coburg große Publikum zu Wein und Brezeln ein.  

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