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Interview zum Josef-Hospital „Die Stadt hat entschlossen gehandelt“

Dr. Rainer Eckert ist vorläufiger Insolvenzverwalter des Josef-Hospitals Delmenhorst. Im Interview spricht er über die derzeitige Lage und die Zukunft des Krankenhauses.
27.12.2017, 13:33 Uhr
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„Die Stadt hat entschlossen gehandelt“
Von Andreas D. Becker

Derzeit ist die Lage am Josef-Hospital, zumindest wenn man von außen draufschaut, arg verworren. Was passiert im Moment?

Rainer Eckert: Dass es verwirrend scheint, liegt daran, dass die Strukturen in diesem Konzern schwierig sind. Zuerst haben wir für die beiden Gesellschaften, bei denen die Mitarbeiter angestellt waren – also die JHD Mitte für die Beschäftigten des ehemaligen Josef-Stifts und die JHD Deichhorst für die Mitarbeiter des früheren Klinikums Delmenhorst –, ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet. Dann wurden die beiden Belegschaften in die Krankenhausgesellschaft überführt, für die wir wiederum am Dienstag der vergangenen Woche das Verfahren eröffnet haben. Bis Ende Februar läuft jetzt dieses vorläufige Insolvenzverfahren mit dem Ziel, das Krankenhaus am 1. März 2018 in städtische Trägerschaft zu übergeben.

Es scheint nötig, Einiges im JHD zu ändern. Sind Ihnen nicht die Hände gebunden, weil Sie das medizinische Konzept, für das die Förderung des Neubaus mit 70 Millionen Euro zugesichert ist, nicht ändern können?

Einiges können wir aber jetzt schon ändern, erste Restrukturierungsmaßnahmen sind in Angriff genommen. Dazu gehört die Anpassung des Personalkonzeptes.

Sprich: Es gibt Kündigungen. Von 112 Vollzeitstellen war die Rede, was rund 160 Mitarbeiter betreffen könnte.

Es bleibt abzuwarten, wie viele es wirklich werden. Es sind auch schon einige Mitarbeiter abgesprungen. Aber die, die weiter an Bord sind, sind unwahrscheinlich engagiert, weil sie sich sehr, sehr stark mit ihrem Krankenhaus identifizieren. Und mit Blick auf die Brisanz der aktuellen Situation reagieren die Beschäftigten sehr gefasst und stabil. Was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass es uns gelungen ist, die Zahlungen der Gehälter aufrecht zu erhalten.

Wobei immer zu hören war, dass die beiden Kulturen, die katholische und die kommunale, nur knirschend zusammenkommen.

Um klarere Strukturen zu schaffen, haben wir die Belegschaften zusammengeführt, auch damit wir alle Mitarbeiter gleich behandeln können und für alle im Rahmen der Umstrukturierung einen gerechten Ausgleich finden. Das bedeutet mit Blick auf die Zukunft auch, dass wir künftig nur einen Betriebsrat haben und sich alle so fühlen, als wenn sie in einem Betrieb arbeiten.

Es gab schon ein vorgeschaltetes Schutzschirmverfahren. Was ist da geschehen?

Das wurde genutzt, um im Josef-Hospital aufzuräumen und zu schauen, wo wir eigentlich stehen.

Was ja immer noch nicht abgeschlossen ist.

Was daran liegt, dass die Geschäftsführung bislang in dem Haus, sagen wir mal, nicht alles sauber voneinander getrennt hat. Geld wurde beispielsweise immer dahin gegeben, wo es gerade gebraucht wurde.

Dass das Haus kämpfen muss, hat niemanden überrascht. Dass es so schlimm ist, schon. Denn es gab ja bereits ein Sanierungskonzept. Warum wurde das nie umgesetzt?

Ich kann nicht sagen, warum die Geschäftsführung früher etwas nicht getan hat. Da müssten Sie vielleicht den ehemaligen Geschäftsführer fragen. Aber dass nichts passiert ist, ist Fakt. Es wurde bislang so gut wie nichts umgesetzt.

Bis August war nicht einmal ansatzweise von einer Insolvenz die Rede, dann ging alles ganz schnell. War dieser Weg alternativlos?

Er war unvermeidlich, allein wenn man sich anschaut, dass im vergangenen Jahr im operativen Geschäft immense Verluste von rund einer Million Euro im Monat aufgelaufen sind. In solch extremen Situationen bietet ein Insolvenzverfahren das Instrumentarium, um entsprechend aufzuräumen. Und vor allem, um auch eine Atempause zu erhalten, weil die Gehälter von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt werden. In so einem Verfahren hat man ganz andere Möglichkeiten als im Regelbetrieb.

Als vorläufiger Insolvenzverwalter sind sie Herr des Verfahrens und über alle Entscheidungen im Krankenhaus – wieso wurde mit Florian Friedel ein neuer Geschäftsführer eingestellt?

Wir Juristen wissen zwar, wie man ein Insolvenzverfahren abwickelt, aber wir brauchen auch jemanden an unserer Seite, der ein Krankenhaus operativ führen kann. Es ist auch in anderen Verfahren durchaus üblich, dass wir einen Interimsmanager einstellen. Und wir denken, dass wir mit Florian Friedel einen Geschäftsführer gefunden haben, der das Krankenhaus auch über das Insolvenzverfahren hinaus leitet, bis der Neubau eröffnet wird, zumal er Erfahrungen mit Sanierungen hat. Wir sind – um mal im Bild zu bleiben – die Notfallmediziner, die die Vitalfunktionen im Blick haben. Aber für das Finetuning benötigen wir jemanden aus der Branche, weil es sich auch um eine ganz spezielle Materie mit einem besonderen Finanzierungshintergrund handelt.

Konnte der neue Geschäftsführer bereits erste Sanierungsschritte umsetzen?

Wir müssen jetzt konkrete Dinge ändern, wir müssen die Probleme ernst nehmen, wir können nichts mehr auf die lange Bank schieben. Es wird ans Eingemachte gehen, was bei den Mitarbeitern auch auf Zustimmung stößt, weil sie sich wünschen, dass sich etwas ändert. Das bedeutet aber auch, dass Vertrauen zur aktuellen Führung des Hauses gefasst werden muss.

Wurde denn schon etwas umgesetzt?

Das spielt sich vielfach im Kleinen ab. Es geht da vor allem um die Besetzung der Belegschaft, um die große Arbeitsbelastung abzufedern. Unser Team ist bemüht, schnell etwas umzusetzen.

Das Wort Insolvenz sollte früher immer vermieden werden, weil die Befürchtung bestand, dass sich die Menschen dann nicht mehr im Josef-Hospital behandeln lassen wollen.

Die Belegungszahlen sind derzeit recht stabil, wir haben insolvenzbedingt zumindest keine Impulse verspürt, dass die Menschen das Haus meiden. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass die Patientenzahlen in den vergangenen Jahren stark gesunken sind.

Wenn jetzt saniert wird, soll in der Innenstadt ein Krankenhaus der Grundversorgung mit rund 340 Betten entstehen. Das ist eigentlich keine gute Größe, um ein Haus sicher in die Zukunft zu führen.

Das ist schon eine Größenordnung, mit der man sehr ordentlich arbeiten kann. Im Umkehrschluss bedeutet es auch nicht, dass ein großes Haus zwangsläufig rentabel geführt wird, wie andere Beispiele aus Niedersachsen zeigen.

Es ist die Rede davon, dass Delmenhorst einen Linkskathetermessplatz erhält.

Das stimmt. Um diesen Platz einzurichten, müssen auch Veränderungen an der Immobilie folgen, um den entsprechenden Raum zu schaffen. Das ist eine Aufgabe des Geschäftsführers – aber das ist ein Thema für nach dem 1. März. Wohl und Wehe des Krankenhauses hängen nicht davon ab.

Warum soll die Stadt das Haus übernehmen?

Die Stadt – vorne weg der Oberbürgermeister – hat entschlossen gehandelt und die Mittel gegeben, damit der Betrieb weitergeführt werden konnte. Allein dadurch hat sie sich den Anspruch verdient, als Erster berücksichtigt zu werden. Dieses stringente Verhalten spricht aus unserer Sicht dafür, dass die Stadt als Gesellschafter die sicherste Variante ist.

13,8 Millionen Euro sollen 2018 in das Haus fließen. Wozu wird so viel Geld benötigt?

Das ist zu einem guten Teil Defizitausgleich, wobei da ein Puffer eingerechnet ist. Dann muss investiert werden, zum Beispiel in den angesprochenen Linkskathetermessplatz.

Die Fragen stellte Andreas D. Becker.

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