Hans-Christian Schröder: Genau, am 8. September 1994 wurde sie im Vorlauf zur Errichtung des Hanse-Wissenschaftskollegs (HWK) gegründet, nachdem sich unter anderem der damalige Oberstadtdirektor Norbert Boese, Oberbürgermeister Jürgen Thölke und Ratsherr Harald Groth sehr um die Ansiedlung einer akademischen Institution bemüht hatten. Diese ist 1995 mit dem HWK auch gekommen. Damit ist Delmenhorst ein großer Coup gelungen, denn von diesen „Institutes for Advanced Studies“ gibt es weltweit nur 25. Mit der Gründung des HWK wäre die Universitäts-Gesellschaft eigentlich nicht mehr notwendig gewesen. Da sich in der Gesellschaft etliche Delmenhorster Persönlichkeiten aus der akademischen Szene zusammengetan hatten, wurde beschlossen, die Universitäts-Gesellschaft beizubehalten und unter diesem Namen weiter wissenschaftliche Vorträge in Delmenhorst anzubieten.
Seit wann sind Sie dabei?Seit 2002. Die Universitäts-Gesellschaft hat mich dann angesprochen, über das Hilfsprojekt in Namibia „Steps for Children“, in dem ich mich gemeinsam mit meiner Frau sehr engagiere, einen Vortrag zu halten. Das war für mich der Anlass, mich verstärkt bei der Universitäts-Gesellschaft einzubringen. Ich habe später das Amt des Vorsitzenden von Christian Glaß übernommen, der mit 76 Jahren nicht mehr zur Wiederwahl angetreten war. Damit spreche ich ein Thema an, das uns wie viele andere Vereine auch betrifft: das Alter. Die ganze Gesellschaft überaltert ja. Unser Vorstand, aber auch viele Mitglieder sind bereits im fortgeschrittenen Alter. Es ist einer meiner Wünsche für die nächsten Jahre, mehr junge Leute zur Mitarbeit zu gewinnen. Bei unseren Vorträgen geht es um wissenschaftliche Themen, die zum Beispiel auch für Gymnasiasten sehr interessant sein können. Ein einziges Mal hatten wir eine Schulklasse dabei, weil der Lehrer das Thema im Vorfeld behandelt hatte, es ging um Europapolitik. Leider war das war eine einmalige Angelegenheit in den ganzen Jahren. Dabei legen wir Wert darauf, dass unsere Vorträge nicht wissenschaftlich hoch gehalten, sondern allgemein verständlich sind. Deswegen lautet unser Motto: Wissenschaft nahegebracht. Es gibt viele Leute, die gerne wiederkommen. Das Schöne ist, dass man nach dem Vortrag auch mit dem Referenten diskutieren kann.
Was bietet die Universitäts-Gesellschaft ihren Mitgliedern?Mitglieder erhalten schriftliche Einladungen für die Vorträge – vier Vorträge im Jahr organisiert die Gesellschaft, sechs das HWK. Ohne einem Zeitgeist hinterherzulaufen, versuchen wir, aktuelle Themen wissenschaftlich darzustellen. Die Themen liegen auf der Straße. Wir möchten junge Leute ansprechen und den Elfenbeinturm aufbrechen. Wir bieten auch Besichtigungen an: Wir waren zum Beispiel beim Bunker Valentin, in einem Kernkraftwerk und in verschiedenen Museen.
Was ist in der näheren Zukunft an großen Veranstaltungen geplant?Wir planen Veranstaltungen zum Thema Glück und Zufriedenheit. Was ist Glück? Wenn man sein Auskommen hat, also Wohnung, Essen, medizinische Versorgung, ist man dann glücklich? Und wir wollen etwas zum Thema Populismus machen.
Was ist das nächste Ziel der Universitäts-Gesellschaft?Eine akademische Ansiedlung in Delmenhorst zu erreichen. Mir ist wichtig, dass wir junge Leute nach Delmenhorst bekommen, die hier studieren und wohnen. Ob das nun eine eigene Hochschule oder eine Zweigstelle der Uni Bremen oder Oldenburg oder Osnabrück ist, finde ich nicht so wichtig. Nun will die Stadtverwaltung ja eine hochschulische Pflegeausbildung für Delmenhorst beantragen. Das ist eine gute Entscheidung. Wir sind eines der ganz wenigen Länder, das noch keine akademische Pflegeausbildung hat. Im Ausland gibt es das schon lange. Bislang konnte man in Deutschland nur Pflegemanagement studieren, aber da geht es mehr um betriebswirtschaftliche Dinge.
Was waren aus Ihrer Sicht bei der Universitäts-Gesellschaft die Highlights der letzten 25 Jahre?Es gab vor sechs Jahren eine Veranstaltung zu den Themen Altern und Demenz: „Der Demenz davonlaufen“. Eine Professorin aus Bremen hat über Bewegung und Sport referiert. 600 Zuschauer wollten rein. Es war ein Chaos im HWK-Gebäude, ich habe viel Ärger bekommen (lacht). Als kurze Zeit später ein Alterswissenschaftler aus Oldenburg einen Vortrag über Ernährung im Alter gehalten hat, war der Andrang genau so groß. Wir haben die Veranstaltungen dann wiederholt. Es gibt auch Themen, mit denen man kaum jemanden hinterm Ofen hervorlockt. Politik ist manchmal ganz schwierig. Aber bei Themen wie Alter und Medizin kriegen wir jede Bude voll.
Wenn Sie sich einen Referenten wünschen könnten, wen würden sie auswählen?Jemanden, der etwas zu sagen hätte. Leute wie Frank-Walter Steinmeier oder Gregor Gysi, der ja vor Kurzem hier im Willms war, wären ganz interessant. Oder diesen Physikprofessor, der Vorlesungen über die Stunts von James Bond hält. Super! Leider haben wir bei der Referentenauswahl gewisse Einschränkungen. Einen Neurologieprofessor, der 10 000 Euro für einen Vortrag haben will, können wir nicht bezahlen. Aber die meisten Referenten sagen zu. Wenn Zweifel bestehen, sage ich: Gucken Sie mal auf unsere Homepage, wer bei uns alles schon geredet hat. Das ist schon ein Who is Who der Wissenschaftler. Darauf sind wir natürlich stolz.
Das Interview führte Ilias Subjanto.Hans-Christian Schröder (68)
ist Allgemeinmediziner. Er wurde in Delmenhorst geboren, wo er lange Jahre eine Arztpraxis führte. Seit 2012 ist Schröder Vorsitzender der Delmenhorster Universitäts-Gesellschaft, ein gemeinnütziger Verein, der eine wertvolle Wissensvermittlung anbieten sowie das Kulturangebot bereichern und dadurch eine Verbesserung der Lebensqualität in Delmenhorst unterstützen möchte.