Delmenhorst. Die emotionalen Wogen schlugen nicht mehr ganz so hoch am Montagabend, die katholische Allerheiligen-Gemeinde ist wieder etwas zur Ruhe gekommen. Gut 30 Gemeindemitglieder waren gekommen, um mit Monsignore Bernd Winter vom Offizialat Vechta und Dechant Hubert von der Heide darüber zu reden, was nun geschehen soll, jetzt, wo bekannt ist, dass der ehemalige Priester Franz N. Ministranten missbraucht hat.
"Uns als Gemeinde geht es schlecht, wir befinden uns in einer therapeutischen Situation", sagte von der Heide. Reden hilft in solchen Fällen. Was mittlerweile auch zwei betroffene Delmenhorster so sehen, die sich an die katholische Kirche gewandt haben.
Der Delmenhorster Dechant Hubert von der Heide betonte noch einmal, dass niemand in der Kirche etwas von N.s Taten gewusst habe. Auch als im Februar des vergangenen Jahres das 50-jährige Priesterjubiläum N.s begangen wurde, gab es keine Hinweise. Von der Heide betonte das, weil immer wieder der Vorwurf laut geworden war, dass es unverständlich und geschmacklos ist, einen Kinderschänder noch derart zu ehren.
Zudem legte von der Heide den Brief aus dem Bistum Münster vor, mit dem N. durch Bischof Felix Genn am 3. März 2010 "alle priesterlichen Tätigkeiten" untersagt wurden. Und von der Heide hatte eine Kopie des ärztlichen Attestes mitgebracht, das N.s Demenz bestätigt. Demnach wurde N. vom 17. bis 23. Januar 2010 stationär im St.-Josef-Stift behandelt, Dr. Wolfgang Pape attestierte senile Demenz, zudem sei eine Hirnatrophie nachgewiesen worden, also der Schwund von Gehirnsubstanz.
Unverständnis herrschte weiterhin darüber, dass die katholische Kirche N. nach seinen wohl schon früher bekannten Vergehen in Wilhelmshaven und Münster überhaupt wieder in eine Gemeinde entsandt hatte. Heute stuft die Kirche das als groben Fehler ein. Ob die Missbrauchsfälle 1971, als N. nach Delmenhorst kam, kirchenintern bekannt waren, ist nicht mehr zu rekonstruieren. In den Akten finden sich demnach wohl keine Hinweise, der ehemalige Weihbischof von Münster, Max Georg Freiherr von Twickel, 1971 Offizial in Vechta, habe in einer Befragung gesagt, dass er nichts gewusst habe. Monsignore Winter stellte zudem dar, warum sich Ende der 1960er-Jahre die Verantwortlichen in der Kirche nichts bei der Besetzung gedacht haben. "Missbrauchsfälle wurden als moralisches Fehlverhalten gedeutet. Und man dachte, man könne so etwas abschalten, indem man denjenigen mal ordentlich ins Gebet nimmt."
Einig waren sich die Anwesenden, dass es dringend notwendig sei, in Zukunft besser für Missbrauchsfälle gewappnet zu sein. So sollten nicht nur kirchliche Mitarbeiter entsprechend geschult werden, um Verhaltensänderungen bei Kindern, die auf einen Missbrauch hindeuten, zu erkennen. Auch ehrenamtlich Tätige sollten lernen, worauf sie zu achten haben. Der Gemeindekirchenrat und die Hauptamtlichen in St. Marien sollten sich um solch ein Weiterbildungsangebot kümmern.