Im Gastgewerbe wird ein Fachkräftemangel beklagt – nicht erst seit Corona, aber seit der Pandemie verstärkt. Tarik Cirdi, Vorsitzender des Delmenhorster Stadtverbandes des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), spricht von etwa 25 bis 30 Prozent Abwanderung in andere Branchen seit dem Beginn der Pandemie. Beim Hotel und Restaurant Thomsen macht sich Personalmangel indes aktuell nicht bemerkbar. Eine gute Nachricht ist das aber nur auf den ersten Blick: Denn, dass es personell zurzeit keine Probleme gibt, liegt am Bedarf. Viel zu tun ist derzeit nicht. Große Veranstaltungen richtet das Gasthaus aktuell nicht aus. Überhaupt kommen weniger Gäste. Olaf Thomsen, der den Betrieb mit seinen Brüdern Uwe und Jens leitet, sagt: „Wir haben wegen Corona keine Spitzen.“ Ohne diese Spitzen kommen sie mit ihren 25 Festangestellten aus. „Sie haben uns trotz der Pandemie alle die Stange gehalten“, freut sich Olaf Thomsen.
Branchenweit haben sich in der Corona-Zeit aber sehr wohl auch Festangestellte von ihrem bisherigen Beruf verabschiedet. „Erschreckend viele, sowohl Festangestellte als auch Aushilfen, haben das Gewerbe während der Pandemie verlassen“, sagt die Gewerkschaftssekretärin Iris Münkel, die bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für die Region Bremen-Weser-Elbe zuständig ist. „Die Weggänge sind darauf zurückzuführen, dass viele Betriebe lange zu hatten und lange in Kurzarbeit waren oder noch sind“, meint Tarik Cirdi vom Delmenhorster Dehoga. Auch er selbst ist mit seinem Restaurant Riva betroffen: Weil 25 Prozent der Mitarbeiter die Gaststätte verlassen haben und sich die Suche nach neuem Personal schwierig gestaltet, hat das Restaurant am Bahnhof derzeit nur zu Stoßzeiten geöffnet.
Thomsen spricht von sehr gutem Verhältnis
Die Situation des Restaurants und Hotels Thomsen ist wohlgemerkt eine besondere. Das keiner der Festangestellten das Gasthaus verlassen hat, führt Olaf Thomsen auf die „sehr enge Bindung“ zwischen Mitarbeitern und Unternehmen zurück. „Sie sind teilweise schon 30 Jahre bei uns“, sagt Thomsen. Der Wohlfühlfaktor sei hoch. Daraus, dass in anderen Branchen mehr gezahlt wird, macht Thomsen keinen Hehl. Doch Gehaltserhöhungen seien nicht ohne Weiteres möglich. Thomsen meint, dass mehr Geld für die Angestellten zu Preissteigerungen führten. „Aber die Gäste möchten nicht mehr bezahlen. Es ist ja auch schon teuer“, sagt Thomsen. Klar sei jedoch auch: Wenn jemand von den Mitarbeitern auf das Unternehmen zukomme, weil die Person mehr Geld möchte, werde über dieses Anliegen gesprochen.
Iris Münkel (NGG) fordert insgesamt eine höhere Entlohnung: Aktuell würde in vielen Betrieben zu wenig gezahlt – „gerade mit Blick auf die Flexibilität und die Anstrengung der Arbeit“. Vielfach sei folglich das Kurzarbeitergeld zu gering, um davon zu leben. Dies sei ein Grund für die Abgänge, als weiteren nennt sie die Arbeitsbedingungen – etwa viele Überstunden. Münkel sagt: „Ich glaube, dass den Betrieben nichts anderes übrig bleibt, als die Löhne zu erhöhen. Denn wenn die Angestellten gehen, können sie den Betrieb nicht aufrechterhalten.“ Tarik Cirdi vom Dehoga meint hingegen: Durch den „gestiegenen und weiter steigenden Mindestlohn“ gehe die Bezahlung in eine gute Richtung – gerade in Kombination mit Trinkgeldern.
Auch im Hinblick auf Aushilfsjobs sind sich Münkel und Cirdi uneinig. Minijobber bekommen kein Kurzarbeitergeld. Ihre besonders prekäre Lage während der Pandemie zeige, dass diese Arbeitsform nicht der richtige Weg sei, meint die Gewerkschaftlerin. Der Gastwirt sagt: „In der Branche reichen Teil- und Vollzeitkräfte nicht aus. Aushilfen sind wichtig, um Lücken zu füllen.“
Mit Ungewissheit in die Zukunft
Von den 15 Aushilfskräften bei Thomsen sind vier in andere Branchen wie den Handel abgewandert – zwei zu Beginn der Pandemie, zwei später. Sie wollten weiter Geld verdienen. In eine Zukunft, in der „hoffentlich wieder Normalbetrieb möglich ist“, schauen die Thomsens unsicher. Sie fragen sich: Stehen dann von den anderen Aushilfskräften genug zur Verfügung, und gelingt es, neue zu gewinnen? Bereits jetzt sucht das Gasthaus nach Aushilfen. Wenn sich ein Interessent meldet, werden erst mal nur die Kontaktdaten notiert. „Denn wir können ja noch nicht definitiv zusagen. Wenn später schon ein anderer Job vorliegt, ist das so“, sagt Thomsen.
Daran anknüpfend sagt Cirdi: „Dadurch, dass wir ständig mit Maßnahmen zu kämpfen haben und nicht wissen, wo die Reise hingeht, können wir nicht planen.“ So könne das Gastgewerbe immer nur reagieren. Dies sei auch beim Kurzarbeitergeld der Fall: Aufgrund der Lockerungen im vergangenen Jahr seien „viele Betriebe da raus“, nun aber wieder zurück. Cirdi appelliert an die Politik, für mehr Planungssicherheit zu sorgen. Fest steht für ihn: „Wenn die Normalisierung geschafft ist, braucht unsere Branche händeringend Personal.“