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Jubiläum in Delmenhorst Das Dorf in der Stadt

Zunächst herrschte Argwohn, doch bereut hat man es nie: Vor genau 50 Jahren wurde aus der Landgemeinde Hasbergen ein Delmenhorster Stadtteil. Trotz Argwohn und zähen Verhandlungen konnte man sich 1974 einigen.
22.01.2024, 06:00 Uhr
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Das Dorf in der Stadt
Von Annika Lütje

Wer nach Hasbergen kommt, merkt es recht schnell: Hier sieht es anders aus als in den meisten Stadtteilen Delmenhorsts. Alte Höfe und Häuser mit idyllischen, großflächigen Gärten liegen an schmalen Straßen mit viel Grün. Fast könnte man meinen, man sei plötzlich über den Tellerrand der Stadt geplumpst und mitten auf dem Land gelandet. Ganz falsch ist das nicht. Vor genau 50 Jahren, am 22. Januar 1974, wurde Hasbergen offiziell ein Delmenhorster Stadtteil. Davor war es eine eigenständige, kleine Landgemeinde. Und diesen Charakter hat Hasbergen nie ganz verloren. „Die Menschen hier begreifen sich eher als Hasberger, nicht so sehr als Delmenhorster. Sie haben eine eigene Ausrichtung. Darauf legt man hier schon Wert“, sagt die amtierende Ortsbürgermeisterin Sandra Heinken.

Der Grund für die Eingemeindung war die schrittweise Gebietsreform, die das Land Niedersachsen in den 1970er-Jahren vorantrieb. Kleine Gemeinden sollten aufgrund ihrer zu geringen steuerlichen Ertragskraft verschwinden und an größere Kommunen angeschlossen werden. Man versprach sich davon zudem eine höhere Verwaltungseffizienz. 

Schon 1971 liebäugelte Delmenhorst mit dem zusätzlichen Ortsteil. Friedrich Tönjes, der von 1996 bis 2014 Ortsbürgermeister in Hasbergen war, wundert das in der Rückschau nicht: „Hasbergen war eine weitestgehend schuldenfreie Gemeinde und brachte Geld mit.“ Tatsächlich lag die Pro-Kopf-Verschuldung in Hasbergen damals bei gerade einmal 51 D-Mark. Das Vermögen der Gemeinde betrug 1,28 Millionen D-Mark. „Außerdem wurde Delmenhorst durch die Eingemeindung um ein Drittel größer“, so Tönjes.

Zähe Verhandlungen und Argwohn

Doch die Verhandlungen zwischen den Delmenhorstern und Hasbergern, die jahrelang hinter verschlossenen Türen geführt wurden, verliefen zuweilen zäh – was vor allem an den Hasbergern gelegen haben soll. Sie seien argwöhnisch gewesen, dass die Delmenhorster sie über den Tisch ziehen würden. „Es gab aber auch andere Vorbehalte“, erzählt Tönjes. „Hasbergen war ja damals noch wesentlich kleiner und ländlicher. Man hatte Angst, dass der Ort durch den Anschluss zu städtisch werden könnte.“ Und dann war da ja auch noch die „Hasberger Eigenart“: „Hasbergen als Ort beziehungsweise Gemeinde war älter als die Stadt Delmenhorst. Und die Mentalität der Menschen war einfach anders. Die Uhren tickten dort anders – und tun es wahrscheinlich heute noch“, so Tönjes.

Andererseits sei man sich darüber im Klaren gewesen, dass eine Eingemeindung auch ein Gewinn sein würde – beispielsweise in Verwaltungssachen oder beim Katastrophenschutz. „Bei der Flut 1962, von der Hasbergen stark betroffen war, wurde man sich sehr bewusst darüber, dass man allein kaum die Möglichkeiten und Kraft hat, um die Lage schnell in den Griff zu bekommen. Schon damals hat man Delmenhorst um Hilfe gebeten“, sagt Tönjes. Letztlich gab der Hasberger Ortsrat am 20. Dezember 1973 sein Einverständnis zu dem Anschluss – mit elf gegen zwei Stimmen. Die Delmenhorster stimmten am 15. Januar 1974 einstimmig dafür.

Und so konnte am 22. Januar 1974 der „Gebietsveränderungsvertrag zwischen der Stadt Delmenhorst und der Gemeinde Hasbergen (Landkreis Oldenburg)“ unterzeichnet werden. Für Delmenhorst unterschrieben der damalige Oberbürgermeister Ernst Eckert und der Oberstadtdirektor Jürgen Mehrtens, für Hasbergen der erste Ortsbürgermeister nach der Eingemeindung Heinrich Buckmann und der Gemeindedirektor Hermann Uhlhorn. Laut des ersten Paragrafen übernahm die Stadt mit der Eingliederung die Rechte und Pflichten der Gemeinde Hasbergen und sicherte ihr zu, „im Rahmen ihrer Möglichkeiten und unter Berücksichtigung auf die Belange des gesamten Stadtgebietes den Bezirk der bisherigen Gemeinde Hasbergen so zu fördern, daß dessen Entwicklung durch den Zusammenschluß nicht beeinträchtigt wird“.

Ein Vertrag zum Vertragen

Angelegenheiten wie Feuerwehr, Gemeindestraßen, Straßenbeleuchtung, Sport- und Kinderspielplätze sowie Denkmäler wurden in die Hasberger Zuständigkeit gelegt. Darüber hinaus erhielt der Ortsrat jedoch lediglich ein Anhörungsrecht im Delmenhorster Rat. Geht es beispielsweise um ortsbedeutende Angelegenheiten, die Grenzen, die Bestellung des Ortsbrandmeisters oder die Aufwandsentschädigung des Ortsbürgermeisters, muss der Ortsrat angehört werden. Jedoch liegt die Entscheidung beim Delmenhorster Rat. Ein Vetorecht gibt es nicht. Dafür verfügt der Ortsrat über einen eigenen Etat in Höhe von heute rund 50.000 Euro. „Heinrich Buckmann hat es zum Gebietveränderungsvertrag – mit Betonung auf Vertrag – mal so gesagt: 'Man musste damals erst einmal lernen, sich zu vertragen'“, berichtet Friedrich Tönjes. 

Letztlich sei man aufeinander zugegangen. Bereut habe den Zusammenschluss keiner. Hasbergen habe seinen Charakter behalten und Delmenhorst ein Stück norddeutsche Landschaft dazu gewonnen.

Zur Sache

Im Zuge des Gebietsveränderungsvertrags hat nicht nur Hasbergen den Delmenhorster Stadtplan erweitert. Auch die Ortschaften Iprump, Schohasbergen, Neuendeel und Deichhausen wurden damals an das Stadtgebiet angeschlossen.

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