Für Delmenhorster Eltern, die ab dem Sommer einen Kitaplatz für ihr Kind benötigen, hat die Phase des Zitterns begonnen. Denn im März beginnt die Stadt damit, die Zusagen für die begehrten Kitaplätze zu verschicken. Absagen werden nicht verteilt. Für all die Eltern, die nichts von der Stadt hören, heißt das: Sie müssen bangen. Denn eines ist klar, die vorhandenen rund 3000 Plätze in Kindertageseinrichtungen – davon 670 im Krippenbereich – reichen nicht für alle Kinder. Wie die Stadtverwaltung auf Anfrage unserer Redaktion erklärt, werden voraussichtlich 170 Krippenkinder unterversorgt sein (Stand: Ende Februar). Betroffen davon seien jedoch nur Eltern, die nicht berufstätig sind. "Nach aktuellem Planungsstand können alle Kinder versorgt werden, deren Eltern zum 1. August 2024 ihre Berufstätigkeit nachweisen konnten", so die Stadtverwaltung.
Auch bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren kann Delmenhorst nicht allen einen Betreuungsplatz anbieten. Derzeit geht die Stadt von 170 unterversorgten Kindern aus, erwartet allerdings, dass sich die Anzahl "noch positiv verändern wird". Denn für 191 sogenannte Flexi-Kinder stehe noch die Wahl über den Schulbeginn an. Diese Wahl müssen deren Eltern bis 1. Mai getroffen haben. Erst danach hat die Stadtverwaltung Klarheit, wie viele weitere Kitaplätze zum Sommer frei werden.
Neben den rund 3000 Betreuungsplätzen in Kitas gibt es in Delmenhorst rund 300 Plätze in der Kindertagespflege. Für die Stadtverwaltung ist dies "ein wichtiger Bestandteil der Kinderbetreuung in Delmenhorst, da sie Eltern eine flexible und individuelle Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder im Alter von null bis 13 Jahren bietet". Die Anzahl der Kindertagespflegepersonen in Delmenhorst ist laut Stadtverwaltung in den letzten Jahren um rund 20 Prozent auf 67 gestiegen. Das zeige, dass die Kindertagespflege an Bedeutung gewinnt.
Ausbildungskurse müssen oft abgesagt werden
Diesen Zahlen steht allerdings eine geringe Resonanz auf Ausbildungskurse gegenüber. "Ausbildungskurse für Kindertagespflegepersonen müssen häufig abgesagt werden, da nur wenige Personen daran teilnehmen", räumt die Stadtverwaltung ein. Aus diesem Grund strebt Delmenhorst die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Oldenburg bei der Ausbildung in der Kindertagespflege an, um langfristig Kurse anbieten zu können.
Das Hauptproblem der fehlenden Resonanz auf die Ausbildungskurse sehen Diana Taubitz und Jörg Bernhardt, Sprecher der Delmenhorster Regionalgruppe der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen, in der Selbstständigkeit, die Kindertagespflegepersonen eingehen müssen (wir berichteten). „Spätestens wenn der Steuerberater kommt, springen viele ab“, so Bernhardt. Der Abgang liege bei 20 bis 30 Prozent. Um daran etwas zu ändern, schlägt er vor, möglichen Interessenten die Option einer sozialversicherungspflichtigen Anstellung zu eröffnen. Taubitz und Bernhardt verweisen auf den Familienservice Weser-Ems, der in diesem Punkt einige Möglichkeiten biete. Jüngst sei auch Bremen auf dieses Angebot aufgesprungen.
Doch nicht nur auf diese Weise ließe sich nach Ansicht von Taubitz und Bernhardt, der Bereich der Kindertagespflege ausbauen. Als wichtige Sofortmaßnahme sehen sie, die Betreuung von Kindern auch in mehrgeschossigen Häusern in oberen Stockwerken zu erlauben. Derzeit ist das nicht möglich. Aus Gründen des Feuerschutzes genehmigt die Verwaltung die Kindertagespflege nur im Erdgeschoss. „Damit hat Delmenhorst in Niedersachsen ein Alleinstellungsmerkmal“, stellte Bernhardt fest. Die Vorgaben, die für Einrichtungen gelten, wie ein zweiter Fluchtweg im Brandfall, seien für die Kindertagespflege nicht anwendbar, weil es sich um eine familiennahe Betreuung handele und eben nicht um eine Einrichtung.
Stadt überprüft Entscheidung zu zweiten Fluchtweg
Auf Nachfrage bestätigt die Stadtverwaltung, dass die Kindertagespflege auch in oberen Etagen angeboten werden kann, solange die Wohnungsgenehmigung vorliegt und ein zweiter Fluchtweg vorhanden ist. Zur Klärung der Verfügbarkeit des zweiten Fluchtweges werde der Fachdienst Bauordnung konsultiert. Allerdings erklärt die Stadtverwaltung diesbezüglich auch: "Diese Entscheidung wird derzeit erneut gutachterlich überprüft." Womöglich steht in diesem Punkt also demnächst eine Änderung an. Dies dürfte Taubitz und Bernhardt freuen. Denn sie sind überzeugt, dass es allein dadurch schon einige Kindertagespflegepersonen mehr in der Stadt geben würde.
Einig sind sich die Stadtverwaltung sowie die beiden Sprecher der Kindertagespflege in Delmenhorst, dass insbesondere im Bereich der Unter-Dreijährigen die Kindertagespflege eine wertvolle Alternative zur institutionellen Betreuung ist. In der Kita-Bedarfsplanung, die im Juni vergangenen Jahres dem Jugendhilfeausschuss vorgelegt wurde, sei deshalb der Fokus auf den Ausbau von Kitas im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen gelegt worden. "Dieser Fokus verfolgt das Ziel, die Betreuungskapazität in der Tagespflege für Unter-Dreijährige zu stärken", erläutert die Stadtverwaltung auf Nachfrage. „Der Bedarfsplan ist eine schöne Geschichte, er funktioniert aber nicht“, kritisiert indes Diana Taubitz, die selbst seit 18 Jahren als Kindertagespflegeperson arbeitet und den nächsten freien Platz erst 2027 hat. Gemeinsam mit Bernhardt fordert sie: „Wir brauchen einen Kinderbetreuungspakt.“ Allein werde das Problem der fehlenden Kinderbetreuungsplätze niemand lösen können.