Im Haus Coburg wird dieser Tage fleißig geschraubt, gesägt, gehobelt und gestrichen. Doch das Gebäude an der Fischstraße, in dem die Städtische Galerie untergebracht ist, wird nicht saniert, sondern für die neue Ausstellung, die am kommenden Freitag eröffnet wird, zumindest für einen kurzen Zeitraum neu möbliert. Das Berliner Architekturkollektiv Raumlabor wird bis Ende Januar zeigen, was Architektur jenseits des Baus neuer Häuser zu leisten fähig ist. "Unsere gebaute Umwelt definiert unser Alltagsleben", sagt Florian Stirnemann. Der Berliner Architekt mit Schweizer Wurzeln ist seit dem Jahr 2009 Teil des seit gut 20 Jahren existierenden Künstlerkollektivs. Und weil sich Stirnemann und seine Kollegen nicht damit abfinden wollen, wie Straßen und Häuser darüber bestimmen, was auf den Straßen und vor den Häusern passiert, haben sie die Reißbretter verlassen und verfolgen einen aktivistischen Ansatz.
Galerieleiterin Matilda Felix fragt sich, welche Rolle das Haus Coburg für die Bevölkerung übernehmen soll. "Wir wollen uns als Raum für Debatten öffnen und nicht bloß eine kunsthistorisch orientierte Gemäldegalerie sein", sagt Felix. Und die Zusammenarbeit mit dem Raumlabor ziele genau in jene Richtung. Denn das Raumlabor lehne die Musealisierung der eigenen Arbeit eigentlich grundsätzlich ab und wolle die Zeit der Ausstellung viel mehr dafür nutzen aufzuzeigen, wie man öffentliche Räume, Plätze, Straßen und Brachflächen nutzen könnte, um dort soziales Leben entstehen zu lassen.
Doch ganz ohne Ausstellungsstücke wird es in Delmenhorst nicht gehen. Neun Leute hat das Künstlerkollektiv nach Delmenhorst geschickt. Mittlerweile sei das Raumlabor so groß, dass man gleichzeitig an verschiedenen Orten arbeite. Darunter bisher neben der Architekturbiennale in Venedig auch im Kunsthaus Bregenz und im US-amerikanischen St. Louis. In Delmenhorst rollte in der vergangenen Woche ein bis aufs Letzte vollgepackter Transporter auf den Hof der Galerie. Darunter verschiedene Modelle und Exponate, die auf bisherigen Ausstellungen gezeigt wurden oder als Installation im öffentlichen Raum zu sehen waren. Diese werden in Delmenhorst jeweils in Verbindung mit einem Film zu sehen sein, der die Installation in ihren Zusammenhang rückt und somit erklärbar macht.
Haus Coburg wird wieder Wohnhaus
Ziel von Raumlabor war, dem Haus Coburg wieder seine ursprüngliche Bestimmung als hochherrschaftliches Wohnhaus zurückzugeben. Deshalb haben die Raumlabor-Mitglieder für die Zeit der Aufbauarbeiten zunächst Quartier im Haus Coburg gezogen. Zwischen Werkzeugen liegen dieser Tage noch Matratzen, mancherorts stehen Zahnbürsten, der holzvertäfelte Festsaal ist derzeit Aufenthaltsraum, Speisezimmer und Abstellkammer gleichermaßen. Im Wintergarten im oberen Stockwerk wird eine Dusche montiert, die sogar genutzt werden könnte. Frisch- und Abwasserrohre werden verlegt, ein eigens genähter Duschvorhang soll Blicke und Spritzwasser abwehren.
Der eigentliche Clou der Ausstellung seien aber vier sogenannte "Diskursive Dinner". Bei diesen gemeinsamen Abendessen sollen jeweils unter einem anderen Titel bis zu 30 Menschen zusammenkommen und über städtebauliche Fragen diskutieren, während gemeinsam Gemüse geschnitten, getafelt oder abgewaschen wird. Bereits am kommenden Sonnabend, 23. September, könne beim ersten der gemeinsamen Abendessen die Arbeit des Raumlabors kennengelernt werden. Einen Monat später, am Donnerstag, 19. Oktober, soll es um die Zukunft der Innenstädte und das Verhältnis von urbanem und ländlichem Raum gehen. Wieder einen Monat später, am Donnerstag, 16. November, stehe dann die Zukunft der Schulen auf dem Programm und am Donnerstag, 18. Januar, gehe es um die Zukunft der medizinischen Versorgung. Bevor sich an die Küchenarbeit gemacht wird, sollen jeweils ein bis drei Personen mit kurzen Einführungen die Grundlage für die anschließenden Gespräche geben. Und dabei ist Felix wichtig zu betonen, dass die eingeladenen Redner allesamt nicht aus Delmenhorst kommen. Denn die Teilnehmer sollen offenbar den Blick nach außen öffnen und nicht im eigenen Saft schmoren.