In Zeiten des Klimawandels werden Stadtbäume immer wichtiger, so auch in Delmenhorst. Sie produzieren Sauerstoff, wandeln dafür klimaschädliches Kohlendioxid um und kühlen durch ihren Schattenwurf. Zusätzlich kommt der Umgebung auch noch ihre Verdunstungsleistung zugute. "Das sind wichtige Leistungen, ohne die ein Leben kaum vorstellbar wäre", sagt Ute Rößler, Leiterin des städtischen Fachdienstes Stadtgrün und Naturschutz.
Zentrale Aufgabe und Ziel des Fachdienstes Stadtgrün und Naturschutz ist es, den Baumbestand in der Stadt in einem gesunden Zustand zu erhalten und vor unnötigen Belastungen zu schützen. Aus diesem Grund werden an gesunden Bäumen keine Schnittmaßnahmen an stark ausgeprägten Ästen vorgenommen. "Die sonst entstehenden Wunden führen zu Fäule und das kann wiederum die Bruch- und Standsicherheit gefährden", sagt Rößler.
Auch Bettina Janssen, Vorsitzende der örtlichen Gruppe des Naturschutzbundes (Nabu), spricht sich gegen den Rückschnitt von gesunden Bäumen aus: "Je mehr Baum vorhanden ist, desto besser." Solange keine Gefährdung für den Straßenverkehr oder Fußgänger bestehen, solle man von einem Rückschnitt absehen.
Insbesondere im Herbst erreichen die Stadtverwaltung vermehrt Beschwerden über Bäume. Damit ist der Laub- und Fruchtfall gemeint, der nicht nur für viel Arbeit sorgt, sondern auch Unmut bei den Bürgern hervorruft. Die natürlichen Lebensäußerungen eines Baumes, wie herabfallendes Laub, verlieren von Nadeln und Blüten und Früchten, seien kein Grund, gesunde Bäume einzukürzen, so Rößler. So sollten Äste oder ganze Kronenteile nicht entfernt werden. "Diese stellen keine unzumutbare Beeinträchtigung des privaten Grundstücks dar und sind nach der aktuellen Rechtsprechung entschädigungslos hinzunehmen."
Laub als nützliches Gut
Bettina Janssen vom Nabu empfiehlt, das Laub im heimischen Garten liegenzulassen: "Dieses ist ein ganz natürlicher Winterschutz für die Pflanzenwelt, und auch Tiere profitieren von dem natürlichen Abfallprodukt der Bäume." Für Igel, Insekten und andere Tiere sei ein Laubhaufen ein optimaler Ort zum Überwintern. "Das Laub isoliert und bietet somit einen gemütlichen Unterschlupf", bestätigt Rößler. Nach dem Winter wird es dann von Regenwürmern und etlichen anderen Lebewesen abgebaut und in wertvollen Humus umgewandelt. "Laub ist ein wichtiger Nährstoffspender für den Boden und schützt diesen auch vor Austrocknung", sagt Rößler. Die Nährstoffe bleiben durch die Zersetzung im Garten erhalten.
"Das Verhältnis zur Natur ist gestört", sagt Janssen. Viele würden ihren Garten inzwischen mehr als Wohnzimmer betrachten, indem alles ordentlich sein müsse. Dass Bäume und auch das Laub wichtig für die Umwelt sind, sehe kaum jemand.
Eine Vielzahl an Stadtbäumen geht verloren
Trotz der schützenden Maßnahmen geht jährlich eine Vielzahl von alten Stadtbäumen verloren. "Die drei Hauptgründe dafür sind Pflanzenkrankheiten, Sturmschäden und mutwillige Zerstörung", sagt Timo Frers, Pressesprecher der Stadt. Aber auch Verkehrsunfälle seien mit einer der Gründe, weshalb immer mehr alte Bäume verloren gehen. Hinzu kommen grundsätzliche Schwierigkeiten aufgrund von Platzmangel. Unter dem Asphalt einer Straße verbirgt sich eine hochverdichtete Tragschicht, die den Wurzeln bis zu einer Tiefe von einem Meter den Weg versperrt. "Die Bäume können ihre Wurzeln nicht ausreichend ausbreiten." Sobald Autos über die Straße fahren, rütteln die ständigen Vibrationen das Erdreich regelrecht fest und machen den Boden luftundurchlässig. Aus Sicherheitsgründen müssen diese dann gefällt werden, wenn sie nicht mehr stand- oder bruchsicher sind.
"Wir versuchen für neu gepflanzte Bäume bessere Bedingungen zu schaffen", sagt Frers. Beispielsweise durch die Zugabe eines speziellen Substrates. Dennoch sei es nahezu unmöglich, den Wert der verlorenen großen Kronen und der Blattmasse durch neu gepflanzte Jungbäume zu ersetzen. "Hinzu kommt die Problematik, dass es wegen wärmerer Sommer und geringerem Niederschlag schwieriger wird, die Neupflanzungen in den ersten Jahren so zu pflegen, dass sie sicher anwachsen und überleben können."
"Stadtbäume sind grundsätzlich mehr gefordert", sagt Michael Spiecker, Naturschutzbeauftragter der Stadt. Die Lebensqualität sei einfach nicht gegeben. "Es liegt nicht in der Natur, Bäume zu kürzen." Wenn eine Kürzung nicht zwingend notwendig ist, solle man davon absehen.
Zu wenig Wald in Delmenhorst
"Die Wälder von Delmenhorst sind zu klein", sagt Michael Spiecker. Dies müsse laut dem Naturschutzbeauftragten dringend ausgebessert werden, insbesondere wegen des Klimawandels. Bäume sind für das Klima essenziell. "Sie nehmen das Kohlendioxid auf und setzen Sauerstoff frei." Dadurch helfen sie, die Temperaturen auf der Erde stabil zu halten. Je mehr Bäume es gibt, desto mehr Kohlendioxid kann folglich gebunden werden. "Zwei Grad Erwärmung hört sich zwar wenig an, ist aber für die Natur eine Katastrophe."
Um die Toleranz und das Verständnis für Bäume zu fördern, möchte auch der Fachdienst Stadtgrün und Naturschutz auf die überragende Nützlichkeit von Bäumen für das städtische Klima und für die Gesellschaft hinweisen. Besonders die vergangenen Sommer hätten gezeigt, wie wichtig es ist, Bäume in der Stadt zu erhalten. "Wir alle sind also darauf angewiesen, dass sich die Bürger in der Stadt Delmenhorst mit ihren guten, alten Baumnachbarn arrangieren können", sagt Ute Rößler.